BGH,
Beschl. v. 20.4.2010 - 4 StR 119/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 119/10
vom
20. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 20. April
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 18. November 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte im Fall
II. 1. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wird,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubter
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Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen
sie den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 7.419,72
€ angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte
mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der
Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang
Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II. 1. der
Urteilsgründe wegen tateinheitlichen -
täterschaftlich begangenen - unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Nach den Feststellungen begleitete die Angeklagte ihren damaligen
Lebensgefährten B. bei einer Fahrt in die Niederlande. Ihr war
dabei bekannt, dass B. dort Betäubungsmittel kaufen wollte, um
diese in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und dort
gewinnbringend weiter zu veräußern. Sie wusste
weiterhin, dass B. sie mitnahm, um bei dem Grenzübertritt
nicht aufzufallen. In den Niederlanden erwarb B. 50 g Kokaingemisch,
das er - wie geplant - in Begleitung der Angeklagten in das
Bundesgebiet einführte und in der Folge dort verkaufte.
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Diese Feststellungen belegen nicht täterschaftliches
Handeltreiben der Angeklagten. Sie hatte danach weder Einfluss auf den
Erwerb der Betäubungsmittel noch auf deren Weiterverkauf. Die
Tätigkeit der Angeklagten erschöpfte sich darin, B.
bei der Einfuhr der Betäubungsmittel durch ihre Anwesenheit zu
unterstützen. Ihr Tatbeitrag ist somit rechtlich nicht als
täterschaft-
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liches Handeltreiben, sondern als Beihilfe zu dem Handeltreiben des B.
zu werten (vgl. auch BGHSt 51, 219, 223 Rn. 11). Der Senat
ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben.
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a) Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht
straferschwerend berücksichtigt, dass die Angeklagte den
Handel mit Betäubungsmitteln "aus reinem Gewinnstreben
betrieben hat, ohne sich etwa aufgrund eigener Sucht zum Verkauf von
Drogen gezwungen zu sehen". Dies verstößt gegen
§ 46 Abs. 3 StGB (Senat, Beschluss vom 7. November 2000 - 4
StR 456/00 m.w.N.), zumal das Landgericht festgestellt hat, dass die
Angeklagte ab dem Tode ihres Vaters im Januar 2008, das heißt
im Tatzeitraum, Drogen konsumiert hat. In Anbetracht dessen kann nicht
ausgeschlossen werden, dass die Erlöse aus den
Drogenverkäufen jedenfalls auch der Finanzierung des eigenen
Betäubungsmittelkonsums gedient haben (vgl. auch BGH,
Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09). Der Senat hebt daher
die Einzelstrafen und den Ausspruch über die Gesamtstrafe auf,
da - trotz der verhängten maßvollen Strafen - nicht
ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne den aufgezeigten
Rechtsfehler auf mildere Freiheitsstrafen erkannt hätte.
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b) Zur Verfallsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt,
der Verfall des bei der Angeklagten sichergestellten Geldes (insgesamt
6.070,00 €) sowie des aus der Verwertung eines
sichergestellten Pkw's der Angeklagten erzielten Erlöses von
1.349,72 € sei "gemäß § 73 StGB"
anzuordnen, da davon auszugehen sei, dass sie dieses Geld durch die
Veräußerung von Kokain erlangt habe. Die Angeklagte,
deren sonstigen Einnahmen nach eigenen Angaben nicht zur Bestreitung
ihres Lebensunterhalts ausgereicht hätten, habe keine plausible
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Erklärung vorbringen können, auf welche andere Weise
sie in den Besitz des Geldes gekommen sei.
Diese Ausführungen lassen bereits besorgen, dass das
Landgericht das Verhältnis zwischen § 73 StGB
(Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht
hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der
etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das
heißt, das Gericht muss zur Überzeugung gelangen,
dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten
Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt
hat. § 73 d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass
der Täter über Vermögensgegenstände
verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl.
hierzu BGHSt 40, 371, 373) für oder aus anderen rechtswidrigen
Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73 d StGB ist
dabei gegenüber der des § 73 StGB subsidiär
(h.M.; vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08
m.w.N.). Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter
Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel
ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des
§ 73 StGB erfüllt sind (Senat aaO).
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Im Übrigen unterliegt dem Verfall - sei es nach § 73
Abs. 1 Satz 1 StGB oder nach § 73 d Abs. 1 Satz 1 StGB - stets
nur das, was unmittelbar aus der oder für die Tat erlangt
worden ist. Bei der Anordnung des Verfalles sichergestellten Dealgeldes
muss es sich daher um die nämlichen Geldscheine handeln, die
durch die Drogenverkäufe erlangt worden sind. Befinden sich
diese nicht mehr im Besitz des Täters, ist ihr Verfall somit
aus tätsächlichen Gründen nicht (mehr)
möglich, kommt gemäß § 73 a Satz 1
StGB die Anordnung eines Geldbetrages in Betracht, der dem Wert des
Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Hierbei ist - vorbehaltlich
einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB -
unter Zugrundelegung des Bruttoprinzips (vgl. hierzu Fischer StGB 57.
Aufl. §
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73 Rn. 7) auf den aus den Drogenverkäufen erlangten
Gesamterlös abzustellen.
Die Sache bedarf daher auch zur Verfallsentscheidung neuer Verhandlung
und Entscheidung.
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VRi'inBGH Dr. Tepperwien Athing Ernemann
ist infolge Urlaubs gehindert
zu unterschreiben
Athing
Cierniak Mutzbauer |