BGH,
Beschl. v. 20.8.2002 - 5 StR 348/02
5 StR 348/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 20. August 2002
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. August 2002
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der
großen Strafkammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven vom 24.
April 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts Bremen zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in elf
Fällen und wegen Diebstahls mit Waffen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Die
auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs
beschränkte Revision des Angeklagten führt zur
Urteilsaufhebung, soweit eine Entscheidung über die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben
ist. Zum Strafausspruch ist das Rechtsmittel unbegründet
(§ 349 Abs. 2 StPO).
Zutreffend beanstandet die Revision, daß das Tatgericht die
Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt nicht näher erörtert hat. Nach den
Urteilsfeststellungen liegt es außerordentlich nahe,
daß die Voraussetzungen für einen
Maßregelausspruch nach § 64 StGB in der Person des
Angeklagten erfüllt waren.
Dieser war bei Begehung sämtlicher Taten wegen seiner
Heroinabhängigkeit in seiner Steuerungsfähigkeit
erheblich vermindert (§ 21 StGB), wovon sich das Tatgericht
hier wegen der Offensichtlichkeit dieses Befundes ohne Befragung eines
Sachverständigen sicher überzeugen konnte. Die Beute
aus den Taten verwendete er jeweils zum alsbaldigen Erwerb von Drogen
zur Befriedigung seiner starken Sucht. Während seiner
Inhaftierung in der Untersuchungshaft ist der Angeklagte
völlig entgiftet und drogenfrei geworden. Ihm war ein Platz
für eine Drogentherapie zugesagt, er erstrebte eine solche
Therapie "nach Verbüßung der Strafhaft auf
freiwilliger Basis".
Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lag ein
Hang des Angeklagten im Sinne des § 64 StGB auf der Hand.
Angesichts der bereits länger andauernden Heroinsucht des
Angeklagten und seiner wiederholten Rückfälligkeit
nach Therapiebemühungen in der Vergangenheit ist ersichtlich
nicht etwa schon durch die Entgiftung während der Inhaftierung
ein Heilungserfolg eingetreten, der die Maßregel entbehrlich
machen könnte. Namentlich im Blick auf diese Entgiftung, die
Einsicht des Angeklagten in seine Suchtproblematik und seine
festgestellte Therapiemotivation läßt sich auch die
erforderliche hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges
(BVerfGE 91, 1) nicht ohne weiteres verneinen; hierauf hat das
Tatgericht auch nicht etwa abgestellt. Der Wunsch des Angeklagten nach
freiwilliger Therapie kann schließlich nicht eine die
konkrete Erfolgsaussicht beseitigende mangelnde Motivation des
Angeklagten für eine nach § 64 StGB angeordnete
Entziehungsbehandlung belegen.
Danach war eine eingehendere Prüfung des Tatgerichts, ob die
Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt vorlagen, unerläßlich;
hierfür hätte das Tatgericht einen
Sachverständigen zuziehen müssen (§ 246a
StPO). Die unzulängliche Prüfung ist vom
Revisionsgericht auch auf die alleinige Revision des Angeklagten - der
mit seinem Rechtsmittel zudem primär das Ziel der
Maßregel verfolgt - zu beanstanden (§ 358 Abs. 2
Satz 2 StPO). Daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung -
möglicherweise in Verkennung der ihm drohenden
Strafhöhe und demzufolge in fehlerhafter Einschätzung
seiner Chancen, alsbald die von ihm gewünschte freiwillige
Therapie antreten zu können - von sich aus nicht auf die
Prüfung eines Maßregelausspruchs nach § 64
StGB gedrungen hatte, vermag keine Begrenzung der gebotenen
revisionsgerichtlichen Prüfung zu begründen.
Der gesamte - auch sonst rechtsfehlerfrei begründete -
Strafausspruch bleibt von dem Rechtsfehler unberührt. Der
Senat kann ausschließen, daß die Einzelstrafen im
Falle entsprechender Unterbringung noch milder bemessen worden
wären. Für den Gesamtstrafausspruch hat das
Tatgericht dies selbst ausdrücklich ausgeschlossen, ohne
daß Anlaß bestünde, diese
Erwägung - zumal angesichts der bei dem Gesamtgewicht der
Taten eher milde bemessenen Sanktionierung - etwa als
lückenhaft oder sonst mängelbehaftet zu beanstanden.
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