BGH,
Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 530/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 530/01
vom
20. Dezember 2001
in der Strafsache gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20.
Dezember 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 24. Juli 2001 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
Essen zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (begangen im Zustand
erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit) zu zehn Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Der zur Tatzeit 36jährige Angeklagte lebte mit seinem Vater,
dem Tatopfer, in einem gemeinsamen Haushalt. Zwischen ihnen herrschte
seit langer Zeit ein erheblich gespanntes Verhältnis, das
seine Ursache in ständigen Vorwürfen des Vaters
über die in seinen Augen schlechte Arbeitshaltung des
Angeklagten hatte. Die Spannungen verstärkten sich nach dem
Tod der Mutter des Angeklagten, zumal der Vater ihm nunmehr auch
ständig Vorwürfe wegen seines zunehmenden
Alkoholkonsums machte. Zu einer tätlichen Auseinandersetzung
zwischen beiden kam es jedoch nie. Vielmehr "fraß der
Angeklagte seinen Ärger in sich hinein", wobei bei ihm
allerdings gelegentlich der Wunsch aufkam, seinen Vater umzubringen.
Hierzu kam es aber erst Ende März 2001. Zu diesem Zeitpunkt
hatte der Vater wegen einer Krebserkrankung nur noch eine
Lebenserwartung von sechs Monaten.
Am Tattage faßte der Angeklagte nach einer erneuten heftigen
verbalen Auseinandersetzung endgültig den Entschluß,
seinen Vater zu töten. Zuvor hatte er erhebliche Mengen Bier
getrunken, die zum Tatzeitpunkt zu einer Blutalkoholkonzentration von
2,14 %o führten. In diesem Zustand holte er aus der
Küche eine leere Wasserflasche und ging zurück in das
Eßzimmer, in dem sein Vater am Eßtisch Zeitung las,
ohne den Angeklagten zu beachten. "Dies bemerkte auch der Angeklagte
und wollte die Situation ausnutzen." Er ging deshalb an seinem Vater
vorbei, blieb hinter ihm stehen und schlug dem - wie das Schwurgericht
festgestellt hat - arg- und wehrlosen Tatopfer mit voller Wucht auf den
Kopf. Nachdem dabei die Flasche zersplittert und der Vater zu Boden
gegangen war, zertrümmerte der Angeklagte einen
Blumenkübel auf dessen Rücken. Sodann holte er aus
der Küche ein oder zwei Messer und stach - nachdem er die
Musik der Stereoanlage lauter gestellt hatte, "damit die Schreie seines
Vaters von Nachbarn nicht zu hören waren" - auf den
Körper seines Vaters ein. Da er zutreffend davon ausging,
daß sein Vater noch lebe, holte er schließlich
einen Hammer und eine Art Rohrzange und schlug mit diesen Werkzeugen
wiederum auf den Kopf seines Vaters ein, was schließlich zu
dessen Tod führte.
2. Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
hat das Landgericht den Angeklagten zu Recht des heimtückisch
begangenen Mordes für schuldig befunden. Entgegen der
Auffassung der Revision beruhen auch die Feststellungen zur subjektiven
Tatseite auf einer tragfähigen Grundlage. Der durch die
Alkoholisierung und die affektive Erregung bei allgemeiner
"asthenischer Persönlichkeitsstörung" zur Tatzeit
bestehende psychische Ausnahmezustand, der die Anwendung des §
21 StGB durch das sachverständig beratene Schwurgericht
trägt, steht der Annahme nicht entgegen, daß der
Angeklagte die für die Heimtücke
maßgeblichen Gesichtspunkte nicht nur in ihrem
äußeren Gehalt erfaßt, sondern auch in
sein Bewußtsein aufgenommen hat. Von diesem sogenannten
Ausnutzungsbewußtsein (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2
Heimtücke 26 m.w.Nachw.) ist das Schwurgericht nach dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ausgegangen.
Näherer Darlegungen hierzu bedurfte es angesichts der auch zur
subjektiven Tatseite geständigen Einlassung des Angeklagten
nicht.
3. Dagegen hält der Strafausspruch der rechtlichen
Prüfung nicht stand. Der Senat läßt
dahingestellt sein, ob es einen zulässigen
Strafschärfungsgrund darstellt, "daß zwischen dem
Anlaß und dem weiteren Tatverhalten ein krasses
Mißverhältnis bestand" (UA 18). Zur Aufhebung
führt jedenfalls, daß das Landgericht dem
Angeklagten zudem strafschärfend angelastet hat, er habe
"trotz der Schreie ... nicht von seinem Vorhaben abgelassen". Dies
läßt besorgen, daß das Landgericht dem
Angeklagten zur Last gelegt hat, daß er die Straftat
überhaupt vollendet hat, anstatt von ihr Abstand zu nehmen.
Das ist rechtsfehlerhaft (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler
14, unterlassener Rücktritt). Die Erwägung
könnte aber auch dann den Strafausspruch nicht tragen, wenn es
sich insoweit lediglich um eine mißverständliche
Formulierung handelte, mit der das Schwurgericht die weiter
strafschärfend gewertete "äußerste
Brutalität und Erbarmungslosigkeit gegen das Opfer"
näher umschreiben wollte. Denn in diesem Fall ließe
das Urteil - wie die Revision zu Recht einwendet - nicht erkennen,
daß das Landgericht bedacht hat, daß die besondere
Brutalität ihren Grund (auch) in dem psychischen
Ausnahmezustand des Angeklagten haben kann, der zur Anwendung von
§ 21 StGB und zur Milderung des Strafrahmens geführt
hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist
es insoweit widersprüchlich, dem Angeklagten die objektiven
Umstände der Tatbegehung uneingeschränkt
straferschwerend zu werten (BGHR StGB § 21 Strafzumessung 1
f.).
4. Über die Strafbemessung ist deshalb neu zu befinden. Der
aufgezeigte Rechtsfehler berührt aber nur die rechtliche
Wertung der zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen. Diese selbst
können deshalb bestehen bleiben.
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2
Satz 1 Halbs. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht
Essen zurück.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible |