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BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002 - 2 StR 381/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 20.12.2002 - 2 StR 381/02
2 StR 381/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 381/02
vom
20. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen Untreue u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. Dezember 2002 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 18. Februar 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 62 Fällen und wegen Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte war Hauptgesellschafter und faktischer Geschäftsführer der GmbH, die den Import, den Großhandel und das Abfüllen von Imkereierzeugnissen und Konfitüren betrieb. Daneben war er Komplementär der 1993 erworbenen, am Markt gut eingeführten S. KG (im folgenden S. KG), die Honig und Bonbons vertrieb. Die GmbH und die S. KG hatten vereinbart, daß die GmbH die Produkte der S. KG vertreiben sollte. Sie wurde dafür am Gewinn beteiligt, während die S. KG einen Unkostenanteil übernahm. Für die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten wurden bei beiden Unternehmen Debitoren- und Kreditorenkonten geführt.
Beide Unternehmen hatten erhebliche Kreditverbindlichkeiten bei ihrer Hausbank, der P. -Bank in B. , die 1994/95 von der B. Sparkasse mitsamt deren Kreditengagement gegenüber der GmbH und der S. KG übernommen wurde. Am 26. Mai 1995 kündigte die B. Sparkasse die sich zu diesem Zeitpunkt auf 13 Millionen DM ( GmbH) bzw. 12 Millionen DM (S. KG) belaufenden Kredite. Drei Tage später stellte der Angeklagte für beide Gesellschaften Konkursantrag.
Ab 28. Oktober 1994 bis Ende Mai 1995 hatte der Angeklagte in 62 Fällen der GmbH zustehende Kundenschecks in einer Höhe von insgesamt ca. 1 Million DM entnommen und sie an Bekannte und Verwandte weitergereicht, die sie einlösten. Zugunsten des Angeklagten ist die Kammer davon ausgegangen, daß die Scheckeinlöser in allen Fällen dem Angeklagten zuvor kurzfristige Darlehen in entsprechender Höhe gewährt hatten und der Angeklagte über diese Zwischenkredite auch der P. Bank Liquidität zukommen ließ, damit Lieferantenforderungen gegen die GmbH und die S. KG als Produktionsunternehmen der besonders marktgängigen Produkte beglichen werden konnten. Gebucht wurden die Zwischenkredite nicht. Auf Weisung des Angeklagten wurden die Scheckzahlungen den entsprechenden Kundenkonten gutgeschrieben und als Vorschußzahlung für die S. KG auf dem bei der GmbH geführten Kreditorenkonto gegengebucht. Bei der S. KG wurden die Forderungen gegen die GmbH auf dem dort geführten Debitorenkonto um diesen Betrag vermindert und als Privatentnahmen des Angeklagten auf dem Gesellschafterkonto für den Komplementär gegengebucht.
Die Strafkammer ist weiter davon ausgegangen, daß der Angeklagte die der GmbH entnommenen Mittel dazu verwendet hat, seine auf dem Gesellschafterkonto bei der GmbH ausgewiesenen Schulden zurückzuführen. Dieses Gesellschafterkonto habe am 30. November 1994 noch Forderungen gegen den Angeklagten in Höhe von 4.106.692 DM, am 31. Mai 1995 hingegen nur noch in Höhe 1.253.803 DM ausgewiesen.
II.
Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen Untreue in 62 Fällen nicht. Sie sind lückenhaft und widersprüchlich.
1. Unklarheiten bestehen schon hinsichtlich der Verwendung der dem Angeklagten von den Scheckeinlösern gewährten Zwischenkredite. So geht das Landgericht einerseits davon aus, daß der Angeklagte sie zur Begleichung von Verbindlichkeiten der GmbH und der S. KG eingesetzt hat, andererseits sollen die so erhaltenen liquiden Mittel verwendet worden sein, um seine eigenen Gesellschafterschulden bei der GmbH abzubauen. Auch wenn das Urteil dahin zu verstehen sein sollte, daß aus den durch die Zwischenkredite beschafften Mitteln neben den Gesellschafterschulden auch Lieferantenverbindlichkeiten beglichen worden sind, durfte nicht offen bleiben, in welchen Fällen der Angeklagte die entnommenen Kundenschecks zu betrieblichen Zwecken der GmbH eingesetzt hat und in welchen nicht. Denn soweit der GmbH entweder unmittelbar von den Scheckeinlösern ein Darlehen gewährt worden ist oder der Angeklagte die ihm persönlich gewährten Mittel seinerseits als kurzfristige Darlehen der GmbH für betriebliche Zwecke zur Verfügung gestellt haben sollte, dienten die Scheckentnahmen zur Erfüllung dieser Verbindlichkeiten der GmbH. Dann wäre aber eine Schädigung des Vermögens der GmbH nicht eingetreten. Das Landgericht will dagegen offenbar eine Schädigung unter dem Gesichtpunkt bejahen, daß Darlehen, die der Angeklagte selbst mit den durch die Zwischenkreditierung erlangten Mitteln der Gesellschaft gewährt hat, als eigenkapitalersetzend im Sinne von § 32 a GmbHG anzusehen seien (was ein Rückzahlungsverbot nach § 30 GmbHG zur Folge haben könnte). Abgesehen davon, daß schon die Voraussetzungen des § 32 a GmbHG nicht ausreichend dargetan sind, weist die Revision zutreffend darauf hin, daß kurzfristige Überbrückungskredite von ihrer Zweckbestimmung her nicht die Bedeutung eines kapitalersetzenden Darlehens haben (vgl. BGHZ 90, 381 f, 394; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. A., § 32 a Rdn. 29 m.w.N.; anders aber für Überbrückungskredite, die unmittelbar vor dem unvermeidbaren Konkurs gewährt werden, BGHZ 133, 298, 304).
Da in diesen Fällen keine Ansprüche der GmbH gegen den Angeklagten bestehen, kann auch in der Nichtbuchung der Zwischenkredite und der verschleiernden Buchführung hinsichtlich der Scheckentnahmen allein eine Vermögensgefährdung nicht gesehen werden (BGHSt 20, 304 f; BGHSt 47, 8; BGHR § 266 Abs. 1 Nachteil 12).
Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, daß mit den Mitteln der Zwischenfinanzierung auch Lieferantenverbindlichkeiten der S. KG beglichen worden sind, kann der Angeklagte jedenfalls objektiv gegen seine Vermögensbetreuungspflicht verstoßen haben. Auch insoweit fehlt es aber an näheren Feststellungen.
2. Daß der Angeklagte die Mittel, die er im Zusammenhang mit den Scheckentnahmen erlangt hatte, auch für den Abbau seiner Gesellschafterschulden bei der GmbH verwendet hat, schließt das Landgericht aus der Entwicklung des dort geführten Gesellschafterkontos. Danach ist allerdings ein erheblicher Abbau der Gesellschafterschulden im Monat September 1994 zu verzeichnen. Bestanden zum 31. August 1994 noch Forderungen der Gesellschaft gegen den Angeklagten in Höhe von 4.624.712 DM, so verringerten sich diese im Monat September auf 136.916 DM und stiegen zum 31. Oktober 1994 auf 1.098.242 DM wieder an. Da die erste der ihm vorgeworfenen Scheckentnahmen - über einen Scheck in Höhe von 29.310,12 DM - am 28. Oktober 1994 erfolgte, können diese Kontenbewegungen nicht ohne weiteres mit den angeklagten Untreuehandlungen in Zusammenhang gebracht werden. Allerdings stiegen die Gesellschafterschulden erneut im Monat November 1994 auf 4.106.692 DM an und verringerten sich im Dezember auf 1.403.129 DM. Diese erhebliche Verringerung kann sich aber, wie sich aus der im Urteil wiedergegebenen Kontenübersicht ergibt, aus einer im Dezember stornierten Umbuchung erklären, mit denen die Forderungen der GmbH gegen die S. KG um ca. 3 Millionen DM zu Lasten des Gesellschafterkontos des Angeklagten bei der GmbH vermindert wurden (UA S. 23). Daß in dem Zeitraum November 1994 bis Mai 1995 keine wesentliche Rückführung dieser Gesellschafterschulden zu verzeichnen ist, bestätigt auch die Einsichtnahme in das durch die zulässige und begründete Aufklärungsrüge zugängliche Sachkontoblatt, das für den genannten Zeitraum (abgesehen von Stornierungen) lediglich fünf Einträge auf der Habenseite über insgesamt 92.193,73 DM ausweist.
3. Die Sache bedarf, soweit der Angeklagte wegen Untreue verurteilt ist, erneuter tatrichterlicher Prüfung. Der Senat hebt auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen auf, da sie im engen Zusammenhang mit den vorgeworfenen Untreuehandlungen stehen.
4. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine ausreichenden Beweise gibt, in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzubeziehen und nicht ohne weiteres dem Urteil zu Grunde zu legen sind (BGHSt 47, 243 f). Hier wäre u. a. zu würdigen, daß der Angeklagte die Scheckbeträge letztlich als Privatentnahmen zwar nicht auf dem Gesellschafterkonto bei der GmbH, jedoch auf dem Gesellschafterkonto bei der S. KG verbucht hat. Dafür hätte kein Anlaß bestanden, wenn er die Gelder tatsächlich für betriebliche Zwecke der GmbH verwandt hätte.
Zur Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer weist der Senat darauf hin, daß eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung es erforderlich macht, das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret im Urteil zu bestimmen (BGHSt 45, 308).
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