BGH,
Beschl. v. 20.12.2007 - 5 StR 481/07
5 StR 481/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2007
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 15. Dezember 2006 wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen. Jedoch werden nach § 349
Abs. 4 StPO
a) der Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der
Angeklagte - neben dem Vergehen nach dem Waffengesetz - der
Steuerhinterziehung in 71 Fällen, des Vorenthaltens von
Arbeitsentgelt in 41 Fällen, der Beihilfe zum Vorenthalten von
Arbeitsentgelt in zwei Fällen, der Beihilfe zum Betrug in zwei
Fällen, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und der
tateinheitlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten
von Arbeitsentgelt schuldig ist,
b) die in den Fällen 285 bis 320 der Anklage
verhängten Einzelstrafen auf jeweils vier Monate
Freiheitsstrafe herabgesetzt.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 71
Fällen, wegen Betrugs in 36 Fällen, wegen
Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf Fällen,
wegen Beihilfe zum Betrug in vier Fällen, wegen Beihilfe
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zur Steuerhinterziehung, wegen tateinheitlicher Beihilfe zur
Steuerhinterziehung, zum Betrug und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt
sowie wegen eines Waffendelikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge
gestützte Revision des Angeklagten ist überwiegend
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie
führt lediglich zu einer Schuldspruchänderung sowie
zur Herabsetzung der in den Fällen täterschaftlichen
Betrugs verhängten Einzelfreiheitsstrafen.
1. In den Fällen 215, 218 und 285 bis 320 der Anklage sowie in
den (rechtsfehlerfrei zu einer Tat im Sinne des § 52 StGB
zusammengezogenen) Fällen 326 bis 329 der Anklage
hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht
umfassend stand. Soweit das Landgericht in diesen Fällen das
Verhalten des Angeklagten als Betrug bzw. als Beihilfe zum Betrug
gewertet hat, ist der Angeklagte des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt
bzw. der Beihilfe hierzu schuldig. Der Senat ändert den
Schuldspruch entsprechend ab. Er schließt aus, dass sich der
Angeklagte bei einem Hinweis auf die Veränderung des
rechtlichen Gesichtspunkts wirksamer als geschehen hätte
verteidigen können.
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a) Das Landgericht hat - im Ausgangspunkt zutreffend - auf der
Grundlage der im Tatzeitraum bis Juli 2004 geltenden Rechtslage einen
Vorrang des Straftatbestandes des Betrugs (§ 263 StGB)
gegenüber der Strafnorm des § 266a StGB a.F.
angenommen (vgl. BGH wistra 2003, 262, 265; 2006, 425, 426). Es hat
jedoch - anders als in den Fällen 321 bis 325 der Anklage -
nicht bedacht, dass die Vorschrift des § 266a StGB durch
Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842) neu gefasst wurde.
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aa) Danach gilt für die vor dem 1. August 2004 begangenen
Fälle 215, 218 und 285 bis 320 der Anklage, dass die
Vorschrift des § 266a StGB n.F. als das mildere Gesetz
anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 StGB).
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(1) Von dem neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind
nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst. Die
Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberanteilen geht deshalb nach neuem Recht derjenigen wegen
Betrugs als lex specialis vor (BGH wistra 2007, 307 m.w.N.).
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(2) Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise erweist sich
§ 266a StGB n.F. als das für den Angeklagten
günstigere Gesetz. Das Landgericht ist bei der Strafzumessung
aufgrund der - an sich rechtsfehlerfrei angenommenen -
gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten von
einem besonders schweren Fall des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 StGB) ausgegangen. Es hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem
Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, den es in den
Fällen der Beihilfe gemäß § 27
Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. § 266a StGB
n.F. enthält hingegen nicht die
Gewerbsmäßigkeit als Regelbeispiel (vgl. dazu auch
BGH aaO).
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Dass das Landgericht bei Anwendung von § 266a StGB n.F.
gleichfalls zur Annahme eines - auch unbenannten - besonders schweren
Falles gemäß § 266a Abs. 4 n.F. StGB
gelangt wäre, ist für die Fälle 215 und 218
der Anklage nicht sicher anzunehmen und für die Fälle
285 bis 320 der Anklage sogar auszuschließen. Denn das
Landgericht hat den Straftatbestand des § 266a StGB n.F. auf
die nach dem 1. August 2004 begangenen, den Fällen 285 bis 320
der Anklage gleichgelagerten Taten angewendet; dabei hat es diese
jedoch nicht als besonders schwere Fälle im Sinne von
§ 266a Abs. 4 StGB n.F. eingestuft.
bb) Bezüglich der Fälle 326 bis 329 der Anklage folgt
die Anwendung des § 266a StGB n.F. bereits aus § 2
Abs. 1 StGB. Denn der Angeklagte beging einen Teil seiner - hier
zutreffend als eine einheitliche Beihilfehilfehandlung im Sinne des
§ 52 Abs. 1 StGB gewerteten - Tatbeiträge nach dem 1.
August 2004. In diesem Punkt kann freilich angesichts eines Mindestscha-
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dens von 780.000 € die Annahme eines unbenannten besonders
schweren Falles keinen Zweifeln unterliegen und ausgeschlossen werden,
dass die Strafe danach geringer ausgefallen wäre.
b) Die Fälle 334 und 335 der Anklage, die das Landgericht
ebenfalls als Beihilfe zum Betrug gewertet hat, sind von dem
Rechtsfehler nicht betroffen. Sie beziehen sich nicht auf das
Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelt.
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2. Der Senat setzt die Einzelstrafen in den Fällen 285 bis 320
der Anklage in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO
jeweils von sechs Monaten auf vier Monate Freiheitsstrafe herab.
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a) Das Landgericht hat den Angeklagten in den Fällen 321 bis
325 der Anklage (Tatzeitraum August bis Dezember 2004) rechtsfehlerfrei
aus dem Strafrahmen des Grundtatbestandes des § 266a StGB n.F.
zu kurzen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten verurteilt.
Diese Taten bilden mit den zeitlich vorangehenden Fällen 285
bis 320 der Anklage, die sich weder in der Begehungsweise noch
hinsichtlich des Hinterziehungsumfangs von den nachfolgenden
unterscheiden, aber noch vor der Gesetzesänderung begangen
wurden, eine einheitliche Tatserie. Das Landgericht hätte
ersichtlich in allen gleichgelagerten Fällen der Tatserie
Freiheitsstrafen von vier Monaten verhängt, wenn es jeweils
neues Recht angewendet hätte.
b) Demgegenüber schließt der Senat
bezüglich der Fälle 215 und 218 der Anklage aus, dass
das Landgericht bei Anwendung des § 266a StGB n.F. auch aus
einem nicht erhöhten Strafrahmen niedrigere Einzelstrafen als
die festgesetzten Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und drei
Monaten verhängt hätte. Dies ergibt sich aus
folgenden tatrichterlichen Feststellungen: Der Angeklagte
unterstützte in diesen Fällen als
„Serviceunternehmer“ durch das Ausstellen und
Weitergeben von Scheinrechnungen die systematische Hinterziehung von
Sozialversicherungsbeiträgen sowie von Lohn- und Um-
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satzsteuern im Baugewerbe in großem Umfang. Er verursachte
dadurch Mindestschäden von jeweils über 150.000 Euro.
Der Angeklagte war innerhalb einer Subunternehmerkette Teil eines gut
organisierten Hinterziehungssystems, lebte von dem Handel mit
Scheinrechnungen und betrieb damit die Verkürzung von
Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern „als
Gewerbe“ (vgl. BGH wistra 2006, 428, 429; 2007, 145, 146 f.
m.w.N.; Joecks wistra 2002, 201, 203 f.).
3. Die Herabsetzung der Einzelstrafen von sechs auf vier Monate
Freiheitsstrafe in den genannten Fällen lässt die
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren unberührt.
Angesichts der Höhe der übrigen und zum Teil
gewichtigeren Einzelstrafen, darunter der Einsatzstrafe, der Vielzahl
der Taten mit einem hohen Gesamtschaden sowie der vorstehend
geschilderten Beteiligung des Angeklagten an der
gewerbsmäßigen Hinterziehung von
Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern schließt
der Senat aus, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der
geänderten Einzelstrafen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe
festgesetzt hätte.
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Basdorf Raum RiBGH Dr. Brause ist urlaubsbedingt ortsabwesend und
deshalb verhindert zu unterschreiben.
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