BGH,
Beschl. v. 20.12.2007 - 5 StR 482/07
5 StR 482/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2007
beschlossen:
1. Die Revisionen des Angeklagten R. und des Angeklagten A. gegen das
Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 30. März 2007 werden
nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jedoch werden auf die Revision des Angeklagte R. , soweit das Urteil
diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO
a) der Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der
Angeklagte der Steuerhinterziehung in 97 Fällen, des
Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 48 Fällen, des Betrugs in
zwölf Fällen, der wettbewerbsbeschränkenden
Absprachen bei Ausschreibungen in zwei Fällen, der
tateinheitlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten
von Arbeitsentgelt in drei Fällen und des Verschaffens von
falschen amtlichen Ausweisen schuldig ist,
b) die in den Fällen II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129
sowie II. 144 bis II. 150 der Urteilsgründe
verhängten Einzelstrafen auf jeweils drei Monate
Freiheitsstrafe herabgesetzt.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten R. - unter Freisprechung im
Übrigen - wegen Steuerhinterziehung in 97 Fällen,
wegen Betrugs in 53 Fällen, wegen Vorenthaltens von
Arbeitsentgelt in sieben Fällen, wegen
wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in
zwei Fällen, wegen tateinheitlicher Beihilfe zur
Steuerhinterziehung und zum Betrug, wegen tateinheitlicher Beihilfe zur
Steuerhinterziehung, zum Betrug und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt
in zwei Fällen sowie wegen Verschaffens von falschen amtlichen
Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und
neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten R. führt
lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs und zur
Herabsetzung von Einzelfreiheitsstrafen. Sein weitergehendes
Rechtsmittel ist - wie die Revision des unter anderem wegen
Steuerhinterziehung und wegen tateinheitlicher Beihilfe zur
Steuerhinterziehung, zum Betrug und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten
verurteilten Mitangeklagten A. insgesamt - aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten R. hält in den
Fällen II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129, II. 144 bis II.
150 und II. 158 bis II. 160 der Urteilsgründe rechtlicher
Nachprüfung nicht umfassend stand. Die dadurch bedingte
Herabsetzung eines Teils der Einzelstrafen lässt die
verhängte Gesamtfreiheitsstrafe unberührt.
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a) Soweit das Landgericht in den genannten Fällen das
Verhalten des Angeklagten als Betrug oder Beihilfe zum Betrug gewertet
hat, ist der Angeklagte des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt bzw. der
Beihilfe hierzu schuldig. Der Senat ändert den Schuldspruch
entsprechend ab. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte
bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen
Gesichtspunkts wirksamer als geschehen hätte verteidigen
können.
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Das Landgericht hat - im Ausgangspunkt zutreffend - auf der Grundlage
der im Tatzeitraum bis Juli 2004 geltenden Rechtslage einen Vorrang des
Straftatbestandes des Betrugs (§ 263 StGB) gegenüber
der Strafnorm des § 266a StGB a.F. angenommen (vgl. BGH wistra
2003, 262, 265; 2006, 425, 426). Es hat jedoch - anders als in den
Fällen II. 151 bis II. 157 der Urteilsgründe - nicht
bedacht, dass die Vorschrift des § 266a StGB durch Gesetz vom
23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842) neu gefasst wurde.
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aa) Danach gilt für die vor dem 1. August 2004 begangenen
Fälle II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129, II. 144 bis II.
150 und II. 158 der Urteilsgründe, dass § 266a StGB
n.F. als das mildere Gesetz anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 StGB).
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(1) Von dem neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind
nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst. Die
Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberanteilen geht deshalb nach neuem Recht derjenigen wegen
Betrugs als lex specialis vor (BGH wistra 2007, 307 m.w.N.).
(2) Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise erweist sich
§ 266a StGB n.F. als das für den Angeklagten
günstigere Gesetz. Das Landgericht ist bei der Strafzumessung
aufgrund der - an sich rechtsfehlerfrei angenommenen -
gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten von
einem besonders schweren Fall des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 StGB) ausgegangen. Es hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem
Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, den es in den
Fällen der Beihilfe gemäß § 27
Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. § 266a StGB
n.F. enthält hingegen nicht die
Gewerbsmäßigkeit als Regelbeispiel (vgl. dazu auch
BGH aaO).
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Dass das Landgericht bei Anwendung von § 266a StGB n.F.
gleichfalls zur Annahme eines - auch unbenannten - besonders schweren
Falles
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gemäß § 266a Abs. 4 n.F. StGB gelangt
wäre, ist für den Fall II. 158 der
Urteilsgründe nicht sicher anzunehmen und für die
Fälle II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129 und II. 144 bis
II. 150 der Urteilsgründe sogar auszuschließen. Denn
das Landgericht hat den Straftatbestand des § 266a StGB n.F.
auf die nach dem 1. August 2004 begangenen, den Fällen II. 84
bis II. 93, II. 106 bis II. 129 und II. 144 bis II. 150 der
Urteilsgründe gleichgelagerten Taten angewendet; dabei hat es
diese jedoch nicht als besonders schwere Fälle im Sinne von
§ 266a Abs. 4 StGB n.F. eingestuft.
bb) Bezüglich der Fälle II. 159 und II. 160 der
Urteilsgründe folgt die Anwendung des § 266 StGB n.F.
bereits aus § 2 Abs. 1 StGB. Denn der Angeklagte beging einen
Teil seiner - hier jeweils zutreffend als eine einheitliche
Beihilfehilfehandlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB gewerteten
- Tatbeiträge nach dem 1. August 2004.
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b) Der Senat setzt die Einzelstrafen in den Fällen II. 84 bis
II. 93, II. 106 bis II. 129 sowie II. 144 bis II. 150 der
Urteilsgründe in entsprechender Anwendung des § 354
Abs. 1 StPO jeweils von sechs Monaten auf drei Monate Freiheitsstrafe
herab.
Das Landgericht hat den Angeklagten R. in den Fällen II. 151
bis II. 157 der Urteilsgründe (Tatzeitraum August 2004 bis
Februar 2005) rechtsfehlerfrei aus dem Strafrahmen des
Grundtatbestandes des § 266a StGB n.F. zu kurzen
Einzelfreiheitsstrafen von jeweils drei Monaten verurteilt, ohne nach
der Hinterziehungshöhe zu differenzieren. Da diese Taten den
genannten - auch in der Begehungsweise - entsprechen, bestehen keine
Zweifel, dass das Landgericht in allen gleichgelagerten Fällen
der Tatserie Freiheitsstrafen von drei Monaten verhängt
hätte, wenn es jeweils neues Recht angewendet hätte.
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c) Demgegenüber schließt der Senat
bezüglich der Fälle II. 158 bis II. 160 der
Urteilsgründe aus, dass das Landgericht bei Anwendung des
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§ 266a StGB n.F. auch aus einem nicht erhöhten
Strafrahmen niedrigere Einzelstrafen als die festgesetzten
Freiheitsstrafen von neun Monaten bzw. zweimal von einem Jahr sechs
Monaten verhängt hätte. Dies ergibt sich aus
folgenden tatrichterlichen Feststellungen: Der Angeklagte R.
unterstützte in diesen Fällen als
„Serviceunternehmer“ innerhalb einer
Subunternehmer-kette - insbesondere durch das Ausstellen und
Weitergeben von Scheinrechnungen - seine Auftraggeber bei der
systematischen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen
sowie von Lohn- und Umsatzsteuern im Baugewerbe in großem
Umfang. Die Scheinrechnungen dienten anderen Firmen innerhalb der Kette
dazu, in ihrer Buchhaltung Lohnzahlungen
„abzudecken“ und tatsächlich nicht
entstandene Vorsteuerbeträge geltend zu machen. Der Angeklagte
beteiligte sich damit an einem gut organisierten Hinterziehungssystem,
lebte von dem Handel mit Scheinrechnungen und betrieb damit die
Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und
Steuern „als Gewerbe“ (vgl. BGH wistra 2006, 428,
429; 2007, 145, 146 f. m.w.N.; Joecks wistra 2002, 201, 203 f.). Er
verursachte in diesen Fällen Mindestschäden von fast
40.000 Euro, rund 195.000 Euro sowie von mehr als 290.000 Euro und
konnte durch seine Straftaten insgesamt ein erhebliches
Vermögen bilden (UA S. 5, 146).
d) Die Herabsetzung der Einzelstrafen von sechs auf drei Monate
Freiheitsstrafe in den genannten Fällen lässt die
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
unberührt. Angesichts der Höhe der übrigen
und zum Teil gewichtigeren Einzelstrafen, darunter der Einsatzstrafe,
der Vielzahl der Taten mit einem hohen Gesamtschaden sowie der
vorstehend geschilderten Beteiligung des Angeklagten an der
gewerbsmäßigen Hinterziehung von
Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern schließt
der Senat aus, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der
geänderten Einzelstrafen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe
festgesetzt hätte.
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2. Der aufgezeigte Rechtsfehler wirkt sich beim Mitangeklagten A. nicht
aus. Denn das Landgericht hat bei diesem Angeklagten in den drei ein-
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schlägigen Fällen (II. 198, II. 199 und II. 201 der
Urteilsgründe) - ebenso wie beim Angeklagten R. in den
Fällen II. 94 bis II. 105 der Urteilsgründe (UA S.
149) - nicht den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB
zugrundegelegt (UA S. 153).
Basdorf Raum RiBGH Dr. Brause ist urlaubsbedingt ortsabwesend und
deshalb verhindert zu unterschreiben.
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