BGH,
Beschl. v. 20.12.2007 - StB 12/07, 13/07 und 47/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
StB 12/07, 13/07 und 47/07
vom
20.12.2007
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
u. a.;
hier: Beschwerde des Beschuldigten, vertreten durch Rechtsanwalt B. aus
H. , gegen eine Durchsuchungsanordnung, die Anordnung der Entnahme von
Körperzellen sowie deren molekulargenetische Untersuchung und
gegen einen Sicherstellungs- und Beschlagnahmebeschluss
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20.12.2007
gemäß § 304 Abs. 1 und 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerden des Beschuldigten werden die Beschlüsse
des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 26. April 2007
(Durchsuchungsanordnung, 1 BGs 145/2007) und vom 19. Juli 2007
(Bestätigung der Beschlagnahme und der vorläufigen
Sicherstellung, 1 BGs 341/2007) aufgehoben.
Die diesen Beschlüssen zu Grunde liegenden Anträge
des Generalbundesanwalts werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die dem Beschuldigten hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
2. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichthofs vom 3. Mai 2007 (Entnahme von
Körperzellen sowie deren molekulargenetische Untersuchung, 1
BGs 165/2007) wird als unzulässig verworfen.
Der Beschuldigte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
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Gründe:
Der Generalbundesanwalt führt gegen den
Beschwerdeführer und 16 weitere Beschuldigte ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer
terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB) sowie
anderer Straftaten.
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Den Beschuldigten wird vorgeworfen: Sie hätten sich an einer
terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Ziel es gewesen sei, durch
Brandanschläge (§ 306 StGB) und
Sachbeschädigungen (§ 303 StGB) gewaltbereite
Gesinnungsgenossen zu mobilisieren, um den Weltwirtschaftsgipfel (G 8)
vom Frühsommer 2007 in Heiligendamm durch Gewalttaten
erheblich zu stören oder zu verhindern. Die Straftaten seien
dazu bestimmt gewesen, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende
Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu erschüttern. Sie
seien auch geeignet gewesen, die Bundesrepublik Deutschland,
insbesondere ihre internationale Position als verlässlicher
Partner im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen, erheblich
zu schädigen. Der Vereinigung seien zwölf
gewalttätige Aktionen zuzurechnen, die im Zeitraum Juli 2005
bis März 2007 durchgeführt worden seien. Es habe sich
im Wesentlichen um Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge mehrerer
Wirtschaftsunternehmen und deren Repräsentanten sowie eines
Staatssekretärs und um Sachbeschädigungen an
Gebäuden gehandelt. Insgesamt sei ein Schaden von ca. 2,6 Mio.
€ entstanden; davon entfalle der größte
Teil auf einen Brandanschlag auf ein im Bau befindliches
Gästehaus des Auswärtigen Amtes ("Villa Borsig").
2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 26. April 2007 (1 BGs 145/2007)
die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume, des Arbeitsplatzes,
der Person sowie der Kraftfahrzeuge des Beschwerdeführers zur
Sicherstellung im Einzel-
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nen näher bezeichneter Beweismittel angeordnet. Auf weiteren
Antrag des Generalbundesanwalts hat er mit Beschluss vom 3. Mai 2007 (1
BGs 165/2007) die Entnahme von Körperzellen im Wege einer
Speichel- oder einer Blutprobe sowie deren molekulargenetische
Untersuchung angeordnet und mit der Untersuchung einen
Sachverständigen beauftragt.
Am 9. Mai 2007 wurden im Rahmen einer gegen eine Vielzahl von
Beschuldigten und Dritten durchgeführten, koordinierten Aktion
auch die gegen den Beschwerdeführer angeordneten
Zwangsmaßnahmen ausgeführt. Bei der Durchsuchung
wurden mehrere Gegenstände beschlagnahmt und zum Zwecke der
Durchsicht vorläufig sichergestellt. Mit Beschluss vom 19.
Juli 2007 (1 BGs 341/2007) hat der Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs auf Antrag des Generalbundesanwalts die
Beschlagnahme und die vorläufige Sicherstellung
bestätigt.
4
Gegen die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs sowie gegen die Art und Weise der Durchsuchung
wendet sich der Beschwerdeführer mit seinen Beschwerden.
5
I. Die Beschwerden sind zulässig, soweit sie sich gegen die
Durchsuchungsanordnung und die Bestätigung der Beschlagnahme
sowie der vorläufigen Sicherstellung richten. Die
Durchsuchungsanordnung hat sich nicht erledigt, weil die Durchsuchung
wegen der nicht abgeschlossenen Durchsicht der vorläufig
sichergestellten Gegenstände noch andauert (vgl. BGH NStZ
2003, 670, 671; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 110
Rdn. 6). Im Übrigen würde die Beschwerde gegen die
Durchsuchungsanordnung - wegen der mit dieser Maßnahme
verbundenen tief greifenden Grundrechtseingriffe - auch bei einer
etwaigen Erledigung die Nachprüfung durch den Senat
eröffnen, weil dies zur
6
- 5 -
Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4
GG) erforderlich ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163; BGH NJW 2000, 84, 85;
MeyerGoßner aaO vor § 296 Rdn. 18 a).
Soweit der Beschwerdeführer die Art und Weise des Vollzugs der
Durchsuchungsanordnung beanstandet, entscheidet der Ermittlungsrichter
des Bundesgerichtshofs entsprechend § 169 Abs. 1 Satz 2,
§ 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH NJW 2000, 84, 86; NJW 2002,
215, 216).
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II. Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Denn
für die angeordneten Zwangsmaßnahmen fehlt es an der
erforderlichen Strafverfolgungskompetenz des Generalbundesanwalts und
damit an der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs (§ 74 a, § 120, § 142 a
GVG, § 169 StPO).
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1. Die Zuständigkeit ergibt sich nicht aus § 120 Abs.
1 Nr. 6 GVG (Zuwiderhandlung gegen das Vereinigungsverbot des
§ 129 a StGB), § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG, §
169 Abs. 1 Satz 2 StPO. Eine etwaige Beteiligung der Beschuldigten an
den Anschlägen kann nach dem derzeitigen Stand der
Ermittlungen nicht den strafrechtlichen Vorwurf der
mitgliedschaftlichen Betätigung in einer terroristischen
Vereinigung (§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB) begründen.
Dies gilt auch dann, wenn es sich bei ihrem Zusammenschluss um eine
Vereinigung im tatbestandlichen Sinne handelt. In diesem Fall ist ihre
Tätigkeit - ausweislich sowohl der bereits begangenen
Anschläge als auch der hierzu veröffentlichten
Bekennerschreiben - zwar auf die Begehung von in dieser Norm genannten
Straftaten, nämlich Brandstiftungen gemäß
§ 306 StGB, gerichtet. Jedoch fehlt es an der in §
129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB enthaltenen zusätzlich vorausgesetzten
Eignung "einen Staat erheblich zu schädigen".
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a) Diese gesetzliche Voraussetzung kann nach allen
maßgeblichen Auslegungsgesichtspunkten - Wortlaut,
systematischer Zusammenhang, Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und
Wille des Gesetzgebers - nur bejaht werden, wenn die von der
Vereinigung begangenen oder intendierten Straftaten geeignet sind, die
Bevölkerung oder einen größeren Teil der
Bevölkerung erheblich einzuschüchtern, eine
Behörde rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu
nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen,
wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen des Staates erheblich zu
beeinträchtigen (vgl. BGH, Beschl. vom 28.11.2007 - StB
43/07). Dies hat - entsprechend dem ausdrücklichen Willen des
Gesetzgebers - im Vergleich zur früheren Rechtslage eine
deutliche Einschränkung der Strafbarkeit wegen
mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung
gemäß § 129 a Abs. 2 StGB zur Folge.
10
b) Die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke und die
Tätigkeit der nach Einschätzung des
Generalbundesanwalts von den Beschuldigten gebildeten Vereinigung
zielen, sind weder nach der Art ihrer Begehung, d. h. nach ihrer
Frequenz und Intensität, noch nach ihren Auswirkungen
geeignet, die Bundesrepublik Deutschland in diesem Sinne erheblich zu
schädigen. Die in einem Zeitraum von 20 Monaten
durchgeführten zwölf Anschläge mit einem
Gesamtschaden von ca. 2,6 Mio. €, die der Generalbundesanwalt
der Vereinigung zurechnet, richteten sich - was
selbstverständlich an der Notwendigkeit, sie nachhaltig zu
verfolgen und zu ahnden, nichts ändert -
ausschließlich gegen Sachen und sind dem Bereich der
mittleren Kriminalität zuzuordnen. Die Gefährdung von
Menschen war ausgeschlossen und sollte
erklärtermaßen ausgeschlossen sein. Eine
nennenswerte Behinderung der Tätigkeit des Staates oder
staatlicher Organe sowie der betroffenen Unternehmen und Privatpersonen
ist nicht eingetreten und war auch nicht zu erwarten.
11
- 7 -
Auch mit Blick auf das Fernziel, durch die Anschläge
Gesinnungsgenossen für Proteste anlässlich des
Weltwirtschaftsgipfels zu mobilisieren, kann die von § 129 a
Abs. 2 StGB vorausgesetzte Eignung zur erheblichen Schädigung
des Staates nicht bejaht werden. Dies gilt auch, soweit in den
Bekennerschreiben zu gewalttätigen Aktionen wie
Brandanschlägen und Sachbeschädigungen aufgefordert
wurde. Denn mittelbare Tatfolgen, die sich erst durch
eigenständiges Handeln Dritter ergeben könnten,
zählen nicht mehr zu den Auswirkungen der Tat und haben daher
bei der Prüfung der Schädigungseignung
außer Betracht zu bleiben (vgl. Tröndle/Fischer aaO
§ 129 a Rdn. 5). Dem Ermittlungsergebnis lassen sich auch
keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Vereinigung in
der verbleibenden Zeit bis zum Weltwirtschaftsgipfel ihre Strategie in
Abkehr von ihrer bisherigen Vorgehensweise dahin hätte
ändern wollen, Art, Intensität oder Frequenz der
Taten in einem Umfang zu steigern, der eine abweichende Bewertung ihrer
Eignung zur Schädigung des Staates rechtfertigen
könnte.
12
c) Soweit der Generalbundesanwalt meint, die Eignung der in Rede
stehenden Straftaten zur erheblichen Schädigung des Staates
ergebe sich aus der konspirativen Arbeitsweise der von ihm angenommenen
Vereinigung, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Mitglieder der
von §§ 129, 129 a StGB erfassten Vereinigungen
arbeiten, wenn auch nicht notwendiger-, so doch typischerweise
konspirativ zusammen. Schon deshalb kann dem Gesichtspunkt der
konspirativen Arbeitsweise bei der Prüfung, ob das die
Strafbarkeit beschränkende Merkmal der Eignung zur erheblichen
Schädigung des Staates vorliegt, keine Bedeutung zukommen.
13
d) Den Beschuldigten kann auf der Grundlage des Sachverhalts, den ihnen
der Generalbundesanwalt zur Last legt, auch nicht der Vorwurf gemacht
14
- 8 -
werden, sich der versuchten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer
terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a
Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1
StGB schuldig gemacht zu haben. Dabei kann offen bleiben, ob eine
solche Versuchstat überhaupt in der Weise vorstellbar ist,
dass sich der Täter subjektiv eine Schädigungseignung
der von der Vereinigung intendierten Taten im Sinne des § 129
a Abs. 2 StGB vorstellt (so Tröndle/Fischer aaO § 129
a Rdn. 17); denn eine solche Vorstellung der Vereinsmitglieder ist
jedenfalls nicht belegt. Gegen sie sprechen nicht nur der Inhalt der
Selbstbezichtigungsschreiben, sondern vor allem die Anzahl und die
Qualität der Anschläge, denen in Verbindung mit den
Bekennerschreiben vornehmlich eine propagandistische und mobilisierende
Wirkung in der linksextremistischen Szene zukommen sollte.
2. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts folgt auch nicht
aus § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GVG, § 74 a Abs. 1 Nr.
4 GVG (kriminelle Vereinigung), § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG,
§ 169 Abs. 1 Satz 2 StPO. Es fehlt an der besonderen Bedeutung
des Falles im Sinne der genannten Vorschriften.
15
a) Diese kann nur dann angenommen werden, wenn es sich bei der Tat
unter Beachtung der Zielrichtung der Vereinigung und deren objektiven
Gefährlichkeit um ein staatsgefährdendes Delikt von
erheblichem Gewicht handelt, welches den Gesamtstaat in einer derart
spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des
Generalbundesanwalts und eine Aburteilung durch ein
Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist. An die
Bejahung einer besonderen Bedeutung sind strenge Anforderungen zu
stellen, weil durch die Übernahmeerklärung nicht nur
der gesetzliche Richter (Art. 101 GG) bestimmt, sondern auch in die
verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und
Ländern eingegriffen wird.
16
- 9 -
Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der Tat- und
Schuldschwere, d. h. der Umstände und Auswirkungen der Tat
unter besonderer Berücksichtigung des Gewichts des Angriffs
auf das jeweils betroffene Rechtsgut des Staates. Dabei sind in erster
Linie die konkreten Tatfolgen für die innere Sicherheit der
Bundesrepublik, insbesondere die Auswirkungen auf das
Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, daneben aber auch
die mögliche Signalwirkung auf potentielle
Nachahmungstäter sowie die Beeinträchtigung des
Erscheinungsbildes der Bundesrepublik Deutschland in solchen Staaten,
die ihr durch gemeinsame Wertvorstellungen verbunden sind, in Betracht
zu ziehen (vgl. BGHSt 46, 238, 253 f.; BGH NStZ 2002, 447 f.).
Darüber hinaus ist auch die Gefährlichkeit der
Vereinigung in den Blick zu nehmen, die wiederum davon
abhängig ist, wie schlagkräftig sie organisiert ist.
Ein für die Abwägung erheblicher Umstand kann auch
die Größe des Aktionsraumes sein, in dem die
Vereinigung tätig wird. Entfaltet sie ihre
Aktivitäten überregional oder gar bundesweit, wird
dies eher für die Annahme besonderer Bedeutung sprechen als im
Falle von örtlich oder regional beschränkten Taten.
Insgesamt muss der in Frage stehende Fall deutlich aus den
Durchschnittsfällen herausragen (vgl. BGH NStZ aaO; Siolek in
Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 74 a GVG Rdn. 12;
Welp NStZ 2002, 1, 7 und 609 f.).
17
Bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung des Falles steht dem
Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren mit dessen sich
häufig verändernden Erkenntnisstand
grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zu, so dass sie im
Beschwerdeverfahren regelmäßig nur einer
eingeschränkten Überprüfung auf
Vertretbarkeit unterliegt (vgl. BGHR GVG § 120 Abs. 2
Besondere Bedeutung 3). Allerdings engt sich der Beurteilungsspielraum
im Laufe des Ermittlungsverfahrens mit dem Vorliegen gesicherter
Erkenntnisse immer mehr ein.
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b) Zur Begründung der besonderen Bedeutung des Falles hat der
Generalbundesanwalt im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
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"... Das Ausmaß der Individualrechtsverletzungen ist
erheblich. ... Der durch die vollendeten Anschläge
eingetretene Gesamtschaden ist mit insgesamt 2,6 Millionen €
zu beziffern.
20
Hinzu kommen die seinerseits zu erwartenden gravierenden Folgen
für die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland:
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Vereinigung die ihr
zugerechneten Anschläge gezielt zu dem Zwecke begangen hat,
eine militante Mobilisierung (großen Ausmaßes)
gewaltbereiter Autonomer zur Verhinderung des Weltwirtschaftsgipfels
... zu erreichen. Die Anschläge der Vereinigung sollten damit
eine erhebliche Signalwirkung hinsichtlich potentieller
Nachahmungstäter entfalten. Angesichts dessen war bei Erlass
der angegriffenen Beschlüsse berechtigter Weise zu besorgen,
dass die militante Mobilisierungskampagne in einer den
Weltwirtschaftsgipfel gefährdenden Weise würde Erfolg
haben können. Die Verwirklichung des Fernziels der
Vereinigung, nämlich die Verhinderung, vorzeitige Beendigung
oder zumindest erhebliche Schädigung des Gipfeltreffens
hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf das Erscheinungsbild
der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehabt. Die Wahrnehmung ihrer
außen- und wirtschaftspolitischen Belange wäre
erheblich beeinträchtigt gewesen, weil die internationale
Position der Bundesrepublik Deutschland als verlässlicher
Partner im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen
geschwächt worden wäre.
21
... Zudem konnte durch die Anschläge das
Sicherheitsgefühl weiter Teile der Bevölkerung
beeinträchtigt werden. Die Vereinigung hat nicht nur
staatliche Einrichtungen, sondern auch exponierte Personen des
Wirtschaftslebens, der
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- 11 -
Politik, der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung als
Repräsentanten eines vermeintlich (weltweiten) ausbeuterischen
kapitalistischen Systems angegriffen. Die Anschläge waren
damit geeignet, in diesen Kreisen Angst und Unsicherheit zu erzeugen
und damit die Wahrnehmung verfassungsrechtlich geschützter
Positionen und Aufgaben erheblich zu beeinträchtigen.
Schließlich sprechen auch die Umstände der
Anschlagstaten für eine besondere Bedeutung des Falles. Die
Vereinigung hat äußerst konspirativ agiert,
länderübergreifende Strukturen in Hamburg, Berlin und
Brandenburg gebildet und aus diesen heraus überregional
Straftaten in vier Bundesländern (Hamburg, Berlin, Brandenburg
und Niedersachsen) begangen. Daher ist eine zentrale Strafverfolgung,
die die Zusammenführung der in Bund und Ländern
anfallenden Erkenntnisse in besonderer Weise gewährleistet,
geboten. ..."
23
c) Mit diesen Erwägungen ist - gemessen an den dargestellten
Anforderungen - die besondere Bedeutung des Falles nicht belegt.
24
Das Schädigungspotential der begangenen und intendierten
Anschläge für die Schutzgüter des
Gesamtstaates, insbesondere die demokratische Grundordnung und die
innere Sicherheit, waren aus den bereits dargestellten Gründen
(II.1.b) - Angriffe ausschließlich gegen Sachen, die der
mittleren Kriminalität zuzuordnen sind; keine
Gefährdung von Menschen; keine erhebliche
Einschüchterung der Bevölkerung; keine nennenswerte
Beeinträchtigung der Tätigkeit der
Geschädigten - relativ gering. Für die
Funktionsfähigkeit des Staates wichtige Infrastruktur oder
für die öffentliche Sicherheit notwendige
Einrichtungen wurden nicht beschädigt. Anzeichen für
eine wegen ihrer inneren Struktur und guten Organisation besonders
schlagkräftige und gefährliche Vereinigung lagen nach
dem Ermittlungsergebnis nicht vor. Bis zur öffentlichkeitswirk-
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samen Durchführung der Durchsuchungen am 9. Mai 2007 hatten
die Taten in der Bevölkerung und in den Medien kein besonderes
Aufsehen hervorgerufen. Deshalb ging von ihnen für potentielle
Nachahmungstäter - ausgenommen ohnehin schon gewaltbereite
Gesinnungsgenossen - allenfalls ein schwacher Anreiz zur Begehung
vergleichbarer Taten aus.
Die konspirative Arbeitsweise der Gruppierung, auf die der
Generalbundesanwalt verweist, ist für die Beurteilung der
besonderen Bedeutung des Falles ohne Belang, weil es sich um ein
typisches Verhalten von Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung
handelt. Die überregionalen Täterstrukturen und
Aktivitäten sind zwar bei der Abwägung zu
berücksichtigende Gesichtspunkte. Ihnen kommt jedoch
angesichts der Gesamtumstände, insbesondere wegen der geringen
Auswirkungen der Anschläge auf die Interessen des Staates,
keine wesentliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als die Aktionen
sich hier auf wenige, benachbarte Bundesländer
beschränken; zudem sind überregionale
Täterstrukturen nicht selten auch in Fällen der
allgemeinen Schwerkriminalität gegeben, und die dann
zuständigen Ermittlungsbehörden der
Bundesländer sind regelmäßig ebenfalls in
der Lage, unter solchen erschwerten Bedingungen erfolgreich zu
ermitteln.
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Die besondere Bedeutung des Falles kann auch nicht mit dem Fernziel der
nach Ansicht des Generalbundesanwalts bestehenden Vereinigung
begründet werden. Zwar lehnen die dem linksradikalen Spektrum
angehörenden Personen, die für die Anschläge
verantwortlich sind, aus ideologischen Gründen die politische
und wirtschaftliche Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland
innerhalb der globalen Wirtschaftsordnung ab und setzen strafbar Gewalt
gegen Sachen als Mittel des politischen Meinungskampfes ein. Ihr Ziel
war jedoch auf die Mobilisierung von Gesinnungsgenossen
beschränkt, aus eigenem Ent-
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- 13 -
schluss an einer militanten Protestkampagne teilzunehmen, um den
Weltwirtschaftsgipfel durch Blockaden von Zufahrten, Angriffe auf
Gebäude und ähnliche Aktionen empfindlich zu
stören oder seine vorzeitige Beendigung
herbeizuführen. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung
oder gar Beseitigung der verfassungsmäßigen
Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bezweckten sie damit nicht.
Auch der Umstand, dass sich die Aktivitäten der Beschuldigten
gegen ein weltpolitisches Großereignis richteten,
rechtfertigt bei einer Gesamtbetrachtung keine andere Beurteilung. Die
angestrebte Mobilisierung gewaltbereiter Gesinnungsgenossen konnte die
bestehende Gefahr nicht nachhaltig erhöhen. Angesichts des
Gewaltpotentials, das regelmäßig bei
Weltwirtschaftsgipfeln und vergleichbaren politischen
Großveranstaltungen zu erwarten ist, waren ohnehin
umfangreiche staatliche Absicherungsmaßnahmen erforderlich.
Unter diesen Umständen waren die angestrebten militanten
Proteste auch nicht geeignet, den Gipfel tatsächlich zu
verhindern oder schwerwiegend zu stören. Auch konnten sie das
Ansehen Deutschlands bei befreundeten Staaten nicht ernsthaft
gefährden, weil gewalttätige Aktionen inzwischen
typische Begleiterscheinungen solcher politischer Treffen sind,
unabhängig davon, in welchem Staat sie stattfinden.
28
Unter den gegebenen Umständen lag die Bejahung der besonderen
Bedeutung auch nicht mehr im Rahmen des dem Generalbundesanwalt im
Ermittlungsverfahren grundsätzlich zustehenden
Beurteilungsspielraums. Zum Zeitpunkt der Anträge auf Erlass
der angefochtenen Entscheidungen war ein solcher Beurteilungsspielraum
allenfalls noch sehr eingeschränkt gegeben. Das
Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und die
weiteren Beschuldigten lief bereits über ein Jahr (Einleitung:
12. April 2006). Da die Anschläge
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- 14 -
regelmäßig nach dem gleichen Muster begangen worden
waren und ihre Zielrichtung durch die Bekennerschreiben bekannt war,
lagen seit längerer Zeit gesicherte Erkenntnisse über
die begangenen und intendierten Straftaten vor, die eine
zuverlässige Bewertung der besonderen Bedeutung des Falles
ermöglichten.
3. Da es an der besonderen Bedeutung der Sache fehlt, kommt es nicht
mehr darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung
der Zwangsmaßnahmen überhaupt der erforderliche
Verdacht bestand, dass sich eine Vereinigung gebildet hatte, der die
Brandanschläge zugerechnet werden können. Auch daran
fehlt es indes, weil bei der gegebenen Verdachtslage die
tatsächlichen Anhaltspunkte dafür nicht ausreichen,
dass der Beschwerdeführer sich mit den anderen Beschuldigten
zu einer Gruppierung zusammenschloss, die die für die Annahme
einer Vereinigung erforderlichen Strukturen aufweist. Dies gilt
unabhängig davon, welche Anforderungen an die Regeln der
Willensbildung und das Maß an Organisation der in Frage
stehenden Gruppierung zu stellen sind.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung kann als Vereinigung im Sinne
der §§ 129, 129 a StGB nur ein auf eine gewisse Dauer
angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von
mindestens drei Personen angenommen werden, die bei Unterordnung des
Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke
verfolgen und untereinander derart in Beziehung stehen, dass sie sich
als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147, 202, 204 f.;
31, 239; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 2668; 2006, 1603). Für die
Existenz einer solchermaßen durchorganisierten Gruppierung
lagen hier zum maßgeblichen Zeitpunkt im Sinne des
erforderlichen Verdachts (vgl. BGH NJW 2000, 84, 85; Nack in KK 5.
Aufl. § 102 Rdn. 1) keine ausreichenden Indizien vor.
Entsprechende Erkenntnisse sind allem Anschein nach - worauf es aber
31
- 15 -
letztlich nicht ankäme - bislang auch nicht durch die
beanstandete Durchsuchungsaktion zu Tage getreten.
So ist bereits nicht belegt, dass die zwölf Anschläge
überhaupt von einer Organisation begangen worden sind. Dagegen
spricht, dass sich unter verschiedenen Bezeichnungen ("August 2005";
"fight 4 revolution crews"; "Unheilige Allianz Dammbruch"; "AG
Kolonialismus und Krieg in der militanten Anti-G8-Kampagne"; "AG
Herzinfarkt"; "Militante Antimilitaristische Initiative ("M.A.M.I.")";
"Revolutionäre Antimilitaristische AktivistInnen Butter bei
die Fische"; "autonome gruppen/militant people (mp)"; "Autonome
Gruppen") auftretenden Gruppierungen zu den Taten bekannt haben und die
Bekennerschreiben selbst deutliche Unterschiede aufweisen. Weiterhin
ergibt sich aus den Formulierungen in einigen der
Selbstbezichtigungsschreiben, dass die für den jeweiligen
Anschlag verantwortlichen Personen sich selbst nicht als Teil der die
"Kampagne" organisierenden Gruppe ansahen, sondern ihre Tat als
Anregung verstanden, bestimmte für sie wichtige politische
Themen in die Proteste gegen den G8-Gipfel einzubringen.
32
Der Ansicht des Generalbundesanwalts, der Verdacht für das
Bestehen einer Vereinigung ergebe sich aus den bei den Analysen der
Bekennerschreiben vorgefundenen Übereinstimmungen in
thematischer (Themen wie Globalisierung, Gentechnik, Imperialismus
u.a.), stilistischer (Begriffe wie Intervention, "rund um den Globus",
Prekariat, Euromayday u.a.) und textgestalterischer (Textgliederung
durch Leerzeichen, willkürliche Ein- und
Ausrückungen, uneinheitliche Verwendung von
Abkürzungen, Ausschreibung von Zahlwörtern,
Rechtschreibunsicherheiten in Bezug auf "ß" und "ss" u.a.)
Hinsicht, der schlüssigen Auswahl der Anschlagsziele sowie der
zeitlichen Abfolge der Taten, ver-
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- 16 -
mag der Senat nicht zu folgen. Es handelt sich insoweit um Indizien mit
einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert.
Selbst wenn man aufgrund einer Gesamtschau aller Indizien noch annehmen
wollte, dass die Anschläge von zueinander in Verbindung
stehenden Tätern begangen worden sind, ergeben sich aus dem
bisherigen Ermittlungsergebnis keinerlei tatsächliche
Anhaltspunkte für das nach der ständigen
Rechtsprechung erforderliche Maß an Struktur und Organisation
des Willensbildungsprozesses.
34
b) Allerdings wird in der neueren Literatur zum Teil gefordert, im
Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenbeschlusses des Rates der
Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur
Terrorismusbekämpfung (Abl. EG Nr. L 164/3) den der
Rechtsprechung zugrunde liegenden Vereinigungsbegriff weiter zu fassen.
So soll - weil der Rahmenbeschluss die Willensbildung innerhalb einer
Vereinigung nicht anspricht - statt der Bildung eines Gesamtwillens und
der Unterwerfung der Mitglieder unter diesen Willen nur noch eine
irgendwie regelhafte Willensbildung ausreichend sein (Kress JA 2005,
220, 224 m. w. N.). Ebenso sollen im Hinblick auf die im
Rahmenbeschluss (Abl. EG Nr. L 164/4) gegebene Definition des Begriffes
"organisierter Zusammenschluss", nach der förmlich festgelegte
Rollen für die Mitglieder, eine kontinuierliche
Zusammensetzung oder eine ausgeprägte Struktur nicht
erforderlich sind, keine anspruchsvollen Anforderungen mehr an die
Organisationsstruktur der Vereinigung zu stellen sein, sondern jedwede
rudimentäre Organisation den Tatbestand der Vereinigung
erfüllen (Kress aaO 227; ähnlich Altvater NStZ 2003,
179, 184, der von einer "europafreundlichen" Auslegung des
Vereinigungsbegriffs spricht).
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Auch bei einer solchen "europarechtskonformen" oder
"europafreundlichen" Auslegung des Vereinigungsbegriffs lässt
sich hier der Verdacht einer vom Beschwerdeführer und den
weiteren Beschuldigten gebildeten Vereinigung nicht begründen.
Denn selbst eine "irgendwie regelhafte Willensbildung" oder eine
"rudimentäre Organisation" in dem Personenzusammenschluss, von
dem der Generalbundesanwalt ausgeht, ist durch das Ergebnis der mehr
als ein Jahr andauernden Ermittlungen, die umfangreiche
Telekommunikationsüberwachungen und
Observationsmaßnahmen umfassten, nicht belegt. Über
den Umstand hinaus, dass der Beschwerdeführer und vier weitere
Beschuldigte zu den Autoren des Buches "Autonome in Bewegung"
gehören, in dem sie Gewalt gegen Sachen als Mittel des
politischen Meinungskampfes für legitim erachten und sich auch
weiterhin der linksautonomen/linksradikalen Szene zugehörig
fühlen, beruht die Annahme, sie hätten sich mit
anderen zur Begehung der Anschläge zusammengeschlossen, im
Wesentlichen nicht auf Tatsachen, sondern auf bloßen
Vermutungen. Dass sich der Beschuldigte mehrfach mit anderen Gegnern
des Weltwirtschaftsgipfels getroffen hat, gibt angesichts der
gesellschaftlichen Breite der Protestbewegung ebenso wenig einen
Hinweis auf einen organisatorischen Zusammenschluss zur Begehung von
Straftaten wie seine fortbestehenden Kontakte zu den anderen
Buchautoren.
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c) Da im Sinne des erforderlichen Verdachts die Mindestanforderungen an
das Bestehen einer Vereinigung nicht erfüllt sind, kann
letztlich dahingestellt bleiben, ob der neueren Literaturmeinung
gefolgt werden kann. Der Senat sieht jedoch Anlass, seine Zweifel zum
Ausdruck zu bringen, ob die - ausschließlich auf die
terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB
diskutierte - "europafreundliche" ausweitende Auslegung des
Tatbestandsmerkmals "Vereinigung" rechtlich möglich ist.
Jedenfalls für kriminelle Vereinigungen im Sinne des
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§ 129 StGB, um die es hier geht, dürfte für
sie im geltenden Recht kein Raum sein.
aa) Für den Begriff der (kriminellen) Vereinigung im Sinne des
§ 129 StGB begegnet eine extensive Auslegung, die auf die von
der bisherigen ständigen Rechtsprechung aufgestellten strengen
Anforderungen an Organisationsstruktur und geregelte Willensbildung
verzichtet, aus mehreren Gründen Bedenken:
38
Sie würde zum einen den Rechtsanwender bei der Abgrenzung von
Vereinigungen einerseits und Banden oder nur
mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen andererseits
vor kaum zu bewältigende Probleme stellen. Diese Abgrenzung
ist aber erforderlich und muss trennscharf möglich sein. Denn
die Mitgliedschaft in einer Bande ist als solche nicht strafbar und
führt zur (verschärften) Strafbarkeit erst dann, wenn
sich das Mitglied an einer konkreten Bandentat beteiligt, die vollendet
wird oder jedenfalls die Grenze zum strafbaren Versuch (§ 22
StGB) oder zur gegebenenfalls strafbaren Vorbereitung (§ 30
StGB) überschreitet. Demgegenüber ist die
mitgliedschaftliche Betätigung in einer (kriminellen)
Vereinigung unabhängig davon strafbar, ob konkrete Taten in
strafbarer Weise vollendet, versucht oder vorbereitet werden.
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Aus dieser Abstufung und der ihr zugrunde liegenden Systematik ergibt
sich zugleich das zweite Bedenken: Das Strafgesetzbuch stellt im
Grundsatz konkrete, die geschützten Rechtsgüter
unmittelbar verletzende oder gefährdende Handlungen unter
Strafandrohung. Strafbar macht sich, wer ein Delikt vollendet. Wenn er
es nur versucht, ist er nur strafbar, wenn es sich um ein Verbrechen
handelt oder die Strafbarkeit ausdrücklich bestimmt ist
(§ 23 Abs. 1 StGB). Wird auch die Schwelle zum Versuch nicht
überschritten, kommt eine Strafbar
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keit nur bei Verbrechen und nur für bestimmte
Vorbereitungshandlungen in Betracht (§ 30 StGB). Wer sich etwa
mit anderen zur Begehung von Diebstählen verabredet bleibt
straflos, solange kein Vorhaben in das Versuchsstadium eintritt.
Dieses abgestufte System der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch
und Vorbereitungshandlung darf bei der Bestimmung der Anforderungen an
den Vereinigungsbegriff nicht aus dem Blick geraten. Sollen
nämlich die Begrenzungen der Strafbarkeit, die sich aus diesem
System ergeben, nicht ihre Wirkung verlieren, so kann nicht jeder
Zusammenschluss von Tätern, die Straftaten (etwa
Diebstähle) planen, schon als solcher die Strafbarkeit
begründen. Vielmehr kann die Strafbarkeit wegen des
Zusammenschlusses nur dann angenommen werden, wenn dieser schon
für sich ein strafwürdiges
Gefährdungspotential für geschützte
Rechtsgüter enthält. Das setzt aber voraus, dass sich
für die in Frage stehende Gruppierung mehr als nur
rudimentäre Organisationsformen feststellen lassen. Vielmehr
sind eine ausgeprägte Organisationsstruktur und
grundsätzlich bindende Regeln über die Bildung des
Gruppenwillens erforderlich. Nur unter dieser Voraussetzung ist auch
gewährleistet, dass für den Normadressaten
voraussehbar ist, dass er schon durch den bloßen
Zusammenschluss mit anderen zur Begehung zukünftiger Taten die
Grenze zum strafbaren Verhalten überschreitet.
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Die ausweitende Auslegung wäre schließlich auch mit
Blick auf die prozessualen Folgewirkungen bedenklich. Denn die
Strafprozessordnung knüpft an den Verdacht einer Tat nach
§ 129 StGB die Berechtigung zu weit reichenden
Ermittlungsmaßnahmen wie etwa zur Telefonüberwachung
(§ 100 a Abs. 1 Nr. 1 c StPO) und damit zu erheblichen
Eingriffen in die Grundrechte der Betroffe-
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nen, woraus umgekehrt folgt, dass die materiellrechtlichen
Anforderungen an die Annahme einer Vereinigung nicht zu weit abgesenkt
werden können.
bb) Der Senat verkennt nicht, dass bezogen auf terroristische
Gruppierungen die Enge des herkömmlichen Vereinigungsbegriffes
mit Blick auf den Rahmenbeschluss und die Notwendigkeit einer
europafreundlichen Auslegung Schwierigkeiten bereitet und im Interesse
einer effektiven Bekämpfung von Terrorismus mit
strafrechtlichen Mitteln wenig befriedigend erscheint. Indes
könnte die - wie dargelegt - notwendigerweise restriktive
Auslegung des Vereinigungsbegriffes in § 129 StGB zur Folge
haben, dass sich eine extensive Auslegung auch für §
129 a StGB verbietet. Dafür spricht, dass derselbe Begriff in
einer Qualifikationsnorm grundsätzlich nicht anders ausgelegt
werden kann als im Grundtatbestand.
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Einen Weg aus dem Dilemma wird möglicherweise nur der
Gesetzgeber weisen können, der gegebenenfalls auch zu
entscheiden haben wird, ob die Umsetzung des Rahmenbeschlusses
systematisch verträglicher durch eine Änderung der
§§ 129 ff. StGB oder durch eine Ergänzung
des § 30 StGB vollzogen werden kann.
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III. Die gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs vom 3. Mai 2007, mit dem die Entnahme von
Körperzellen sowie deren molekulargenetische Untersuchung
angeordnet worden ist, gerichtete Beschwerde ist
gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1, § 304
Abs. 5 StPO unstatthaft. Ausnahmen vom Grundsatz der Unanfechtbarkeit
von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gelten nach § 305
Abs. 5 StPO nur für Verfügungen des
Ermittlungsrichters, wenn sie die Verhaftung, einstweilige
Unterbringung, Beschlagnahme oder Durchsuchung betreffen. Bei dieser
den Grundsatz der Unanfecht-
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barkeit durchbrechenden Bestimmung handelt es sich um eine die
Anfechtungsmöglichkeiten abschließend regelnde
Ausnahmevorschrift, die restriktiv auszulegen und einer analogen
Anwendung nicht zugänglich ist. Die Anordnung der Entnahme von
Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur
Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters einer Person kann auch bei
weitestem Verständnis des Wortsinns nicht mehr unter eine der
in § 305 Abs. 5 StPO aufgezählten Maßnahmen
subsumiert werden. Allein die Schwere des Eingriffs in Rechte des
Betroffenen stellt kein Kriterium dar, das eine Erweiterung des
Katalogs dieser Vorschrift über den möglichen
Wortlaut hinaus rechtfertigen könnte, weil der Gesetzgeber
nicht alle, sondern nur bestimmte eingriffsintensive
Maßnahmen der Anfechtung unterstellt hat (vgl. BGH NJW 2002,
765). Außerdem ist die Anordnung der Entnahme von
Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung keine
besonders intensive Eingriffsmaßnahme; sie kommt im Hinblick
auf die restriktiven gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit dem
Zellmaterial und zum zulässigen Untersuchungsbereich der DNA
(vgl. § 81 a Abs. 2, § 81 e Abs. 1, § 81 f
Abs. 2 StPO) nur der Abnahme eines Fingerabdrucks gleich (vgl. BVerfG
NStZ 2001, 328, 329). Die
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Beschwerde kann auch nicht ausnahmsweise im Hinblick auf die
Unzuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs
als statthaft angesehen werden (vgl. BGH NStZ 1999, 414).
Tolksdorf von Lienen Schäfer |