BGH,
Beschl. v. 20.2.2001 - 5 StR 544/00
5 StR 544/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 20. Februar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 6. Juni 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben,
soweit ein Berufsverbot verhängt worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei
Fällen, wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei
Fällen sowie wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Daneben hat es dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren
untersagt, die Berufe des Rechtsanwalts und des vereidigten
Buchprüfers auszuüben.
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des
Berufsverbots; im übrigen ist die Revision
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Erwägungen des Landgerichts zur Verhängung des
Berufsverbots begegnen durchgreifenden Bedenken.
Allerdings hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten im Fall
II. 6. ohne Rechtsfehler als grobe Verletzung der mit seinen Berufen
des Rechtsanwalts und des vereidigten Buchprüfers verbundenen
Pflichten angesehen. Die Entwicklung eines "Steuermodells" für
einen Mandanten, das diesem ermöglichte, unter Verwendung
überhöhter Rechnungen in der Buchhaltung
über einen längeren Zeitraum eine Verkürzung
von Körperschaft-, Gewerbe-, Umsatz- und Einkommensteuern
herbeizuführen, verstößt in schwerwiegender
Weise gegen die beruflichen Pflichten eines Rechtsanwalts - zudem
Fachanwalts für Steuerrecht - und eines vereidigten
Buchprüfers. Dieses Verhalten, das die Strafkammer zutreffend
als Anstiftung zur Steuerhinterziehung gewertet hat, ist
grundsätzlich geeignet, ein Berufsverbot für die
Berufe Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer
auszulösen
(vgl. BGHR StGB § 70 - Pflichtverletzung 6).
Indes hält die Gesamtwürdigung, aufgrund derer das
Landgericht zur für den Angeklagten nachteiligen Prognose
gelangt ist, daß bei weiterer Berufsausübung die
Gefahr erheblicher gleichartiger Taten bestehe, rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. So hat das Landgericht eine
"erhöhte Gefahr" weiterer Straftaten darin gesehen,
daß der Angeklagte sich in "keiner Weise einsichtig gezeigt"
habe. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, denn der Angeklagte
hat die berufsspezifische Anlaßtat im Fall II. 6. bestritten.
Aus einem berechtigten Verteidigungsverhalten darf kein für
den Angeklagten nachteiliger Schluß gezogen werden (vgl. BGHR
StGB § 70 Abs. 1 - Dauer 1 und StGB § 46 Abs. 2 -
Nachtatverhalten 2).
Die neue Strafkammer kann für die vorzunehmende
Gesamtwürdigung mit den bisherigen, aufrechterhaltenen
Feststellungen nicht in Widerspruch stehende weitere Feststellungen
treffen.
2. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der
Erörterung bedarf lediglich folgendes:
Entgegen der Ansicht der Revision durfte der Angeklagte im Fall II. 5.
der Urteilsgründe die Vorsteuer aus der Rechnung der Firma M
nicht bereits deshalb für die Rechnungsempfängerin,
die Firma H , nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüber
dem Finanzamt geltend machen, weil er als Subunternehmer für
die Firma M tätig geworden und diese deshalb zur Erstellung
einer Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG berechtigt
gewesen sei. Umsatzsteuerrechtlich ist nämlich auf die
tatsächliche Gestaltung eines Rechtsgeschäfts
abzustellen; maßgeblich sind die tatsächlichen
Leistungsbewegungen (vgl. BGHR AO § 41 Abs. 1 -
Durchführung, tatsächliche 1).
Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die
Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO).
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, daß der
Angeklagte für sich selbst, nicht aber als Subunternehmer der
Firma M die Leistungen erbracht hat.
Entgegen der Auffassung der Revision steht der im Umsatzsteuerrecht
geltende "Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer" einer
strafrechtlichen Verurteilung des Angeklagten nicht entgegen. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 19. September 2000 -
Rechtssache C-454/98 - (LS in ABl. EG 2000, Nr. C 316, 12 und BB 2000,
2617; vgl. auch Vogelberg PStR 2000, 271). Zwar hat der Gerichtshof in
diesem Urteil im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren ausgesprochen,
daß der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer
verlange, daß zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer
berichtigt werden könne, wenn die Gefährdung des
Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt worden
sei
(EuGH aaO Tz. 57, 58). Indes wird ausdrücklich klargestellt,
daß das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran
hindert, "die Ausstellung fingierter Rechnungen, in denen zu Unrecht
Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, als versuchte Steuerhinterziehung zu
behandeln und in einem solchen Fall die nach ihrem nationalen Recht
vorgesehenen Sanktionen wie Geldstrafe oder Geldbuße zu
verhängen" (EuGH aaO Tz. 62). Anders als in den der
Entscheidung des Gerichtshofs zugrunde liegenden Fallkonstellationen,
in denen der jeweilige Aussteller der Rechnung diese vor ihrer
Verwendung durch den Adressaten wiedererlangt und vernichtet bzw. den
in der verwendeten Rechnung gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag
entrichtet hatte, wurde im vorliegenden Fall die durch Erstellung der
Scheinrechnung geschaffene Gefährdung des Steueraufkommens
nicht wieder beseitigt. Entgegen der Auffassung der Revision ist bei
Ausstellung einer Scheinrechnung mit gesondert ausgewiesener
Umsatzsteuer eine Gefährdung des Steueraufkommens jedenfalls
gegeben, wenn diese Rechnung noch zum Vorsteuerabzug benutzt werden
kann und der Rechnungsaussteller die gesondert ausgewiesene
Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat.
Harms Basdorf Tepperwien
Gerhardt Brause |