BGH,
Beschl. v. 20.7.2006 - 3 StR 244/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 244/06
vom
20.7.2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführer am 20.07.2006 einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 10. Februar 2006 werden als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das von der Revisionsbegründung der Angeklagten B. ins Feld
geführte Urteil des 4. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (NJW
1995, 3194 f.) steht der Entscheidung nicht entgegen. Es erscheint
bereits fraglich, ob der im Leitsatz dieses Urteils
geäußerten Rechtsauffassung, in den Fällen,
in denen die Körperverletzung durch Unterlassen verwirklicht
werde, komme eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit
Todesfolge nur in Betracht, wenn erst durch das Unterbleiben der
gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen werde, in dieser
Allgemeinheit gefolgt werden kann (vgl. zur Kritik Wolters JR 1996, 471
f.; Ingelfinger GA 1997, 573 ff.). Dies bedarf hier keiner Vertiefung,
da auch der 4. Strafsenat in seiner Begründung
eingeräumt hat, dass die Rechtslage sich anders darstellen
könne, wenn durch die Untätigkeit die von der
Vorschädigung ausgehende Lebensgefahr erheblich
erhöht wird. So liegt es aber hier. Anders als in dem jenem
Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem die Lebensge-
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fahr nur erkennbar war und der Körperverletzungsvorwurf
"lediglich" im Unterlassen von schmerzlindernden Maßnahmen
gesehen wurde, hat hier die Angeklagte erkannt, dass sich der
Gesundheitszustand ihres am Kopf schwer getroffenen Kindes
dermaßen verschlechtert hatte, dass es zur Vermeidung einer
weiteren Verschlechterung mit möglicherweise
tödlichem Ausgang dringend geboten war, ärztliche
Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihr war somit bewusst, dass das Kind
infolge der Unterlassung versterben könne, wobei das
Landgericht ein vorsätzliches Tötungsdelikt nur mit
der wenig überzeugenden Begründung verneint hat, die
Todesfolge sei nicht billigend in Kauf genommen worden.
Bei dieser Sachlage ist die Annahme des Straftatbestandes des
§ 227 StGB nicht zu beanstanden, weil die Angeklagte durch
ihre Untätigkeit eine Körperverletzung in Form der
Herbeiführung einer wesentlichen weiteren Verschlechterung des
Gesundheitszustandes des Kindes durch Unterlassen begangen hat, der
typischerweise die Gefahr des Todes anhaftete.
Winkler Miebach Pfister RiBGH von Lienen ist infolge Urlaubs Becker
gehindert zu unterschreiben. Winkler |