BGH,
Beschl. v. 20.6.2007 - 2 StR 493/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 493/06
vom
20.6.2007
Nachschlagewerk: nein BGHSt: nein Veröffentlichung: ja
StPO §§ 344 Abs. 2, 345 Abs. 1; MRK Art. 6 Abs. 1
Satz 1
Auch eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eingetretene
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ist nur auf
Verfahrensrüge hin zu prüfen, wenn das Urteil erneut
zugestellt werden musste und der Revisionsführer dadurch die
Möglichkeit hatte, die ihm bekannte Verzögerung
innerhalb der neu in Gang gesetzten Frist des § 345 Abs. 1
StPO geltend zu machen.
BGH, Beschl. v. 20.06.2007 - 2 StR 493/06 - Landgericht Frankfurt am
Main
in der Strafsache
gegen
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wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 20.06.2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 27. April 2006 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf
Fällen - davon in einem Fall wegen Beihilfe - zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt und
die Einziehung von Rauschgift samt Verpackungsmaterial angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein
Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs.
2 StPO. Einer Erörterung bedarf nur die vom
Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchänderung und die
Frage einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
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1. Dem Antrag des Generalbundesanwalts bei drei Taten (Tatzeiten: 15.
Dezember 2004, 22. April 2005 und 9. Mai 2005), den Schuldspruch dahin
zu ändern, dass jeweils zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubter Besitz
von Betäubungsmitteln in nicht ge-
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ringer Menge in Tateinheit steht, weil der Angeklagte das Opium
teilweise zum Selbstkonsum erworben habe, war nicht nachzukommen.
Zwar wird in den Urteilsgründen vor Konkretisierung dieser
Taten die Geschäftsbeziehung des Angeklagten zu M. und L.
dargestellt und hierbei auch allgemein ausgeführt, dass der
Angeklagte das Opium zum eigenen Gewinn weiterverkaufte und teilweise
zum Selbstkonsum verbrauchte. Bei den einzelnen Taten wird dann aber
konkret festgestellt, dass der Angeklagte das Opium
ausschließlich zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb.
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Wenn der Angeklagte im Rahmen der Geschäftsbeziehung auch
(weiteres) Opium zum Selbstkonsum bezog oder sich nach dem Erwerb zum
gewinnbringenden Weiterverkauf doch zum teilweisen Selbstkonsum
entschloss, lässt dies den Schuldspruch nur wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
unberührt.
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Da der Generalbundesanwalt trotz der von ihm beantragten
Änderung des Schuldspruchs nicht die Aufhebung des
Strafausspruchs beantragt hat, war der Senat an einer Entscheidung nach
§ 349 Abs. 2 StPO nicht gehindert (st. Rspr. vgl. u. a. BGHR
StPO § 349 Abs. 2 StPO Verwerfung 4; Kuckein in KK 5. Aufl.
§ 349 Rdn. 29 m.w.N.).
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Dass der Angeklagte für die Tat vom 15. November 2003 nur
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde,
obwohl er die tatsächliche Verfügungsgewalt
über die 10 kg Opium hatte und damit tateinheitlich ein
täterschaftlich begangener unerlaubter Besitz von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegeben ist,
beschwert ihn nicht.
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2. Ob das Verfahren in einer gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK
verstoßenden Weise verzögert worden ist, braucht der
Senat nicht zu entscheiden, da die erforderliche
Verfahrensrüge nicht erhoben ist.
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Ein kompensationspflichtiger Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz
1 MRK kommt hier zwar grundsätzlich in Betracht, weil das
Verfahren nach Urteilserlass in einer der Justiz anzulastenden Weise
verzögert wurde. Das Urteil vom 27. April 2006 wurde dem
Verteidiger in einer mit dem Original nicht übereinstimmenden
"beglaubigten" Leseabschrift zugestellt. Dieser Fehler wurde erstmals
vom Senat bemerkt und die Zustellung des Original-Urteils veranlasst,
welche dann am 13. Februar 2007 erfolgte. Durch die Zustellung des
Original-Urteils begann die Revisionsbegründungsfrist des
§ 345 Abs. 1 StPO neu zu laufen.
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Will der Beschwerdeführer die Verletzung des
Beschleunigungsgebotes geltend machen, erfordert dies
grundsätzlich die Erhebung einer Verfahrensrüge (st.
Rspr. vgl. u. a. BGH, Beschl. vom 9.05.2007 - 1 StR 32/07 m.w.N.; vgl.
auch BVerfG Kammerbeschluss vom 27. September 2006 - 2 BvR 1377/06).
Ein Ausnahmefall, für den der Bundesgerichtshof angenommen
hat, das Revisionsgericht habe wegen eines Erörterungsmangels
auf die Sachrüge hin einzugreifen, liegt hier schon deshalb
nicht vor, weil die Verzögerung erst nach Urteilserlass
eingetreten ist.
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Allerdings kann für Verzögerungen nach Urteilserlass
ein Eingreifen des Revisionsgerichtes von Amts wegen geboten sein, wenn
der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht
rügen konnte (st. Rspr., vgl. u. a. Senatsbeschluss vom
16.05.2007 - 2 StR 78/07 m.w.N.; BGH, Beschl. vom 11. April 2007 - 3
StR 115/07 und vom 21. November 2006 - 3 StR
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329/06), weil die Verzögerung erst nach Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist (vgl. BGH NStZ 2001,
52).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht jedoch darin, dass
durch die Zustellung des Original-Urteils die Begründungsfrist
des § 345 Abs. 1 StPO wieder eröffnet wurde und der
anwaltlich vertretene Angeklagte die ihm bekannte Verletzung des
Beschleunigungsgebotes unschwer rügen und seine dadurch
möglicherweise entstandenen zusätzlichen Belastungen
geltend machen konnte (vgl. auch BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Verfahrensverzögerung 11).
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Deshalb hätte es hier zur Geltendmachung eines
Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot einer
Verfahrensrüge bedurft. Eine solche Rüge ist nicht
erhoben.
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Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Ri'inBGH Roggenbuck Appl
ist urlaubsabwesend und
deshalb an der Unterschrift
gehindert.
Rissing-van Saan |