BGH,
Beschl. v. 20.3.2000 - 1 StR 50/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 50/00
vom
20. März 2000
in der Strafsache gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 9. November 1999 im Ausspruch über die wegen
Körperverletzung mit Todesfolge verhängte
Einzelstrafe und die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher)
Körperverletzung und wegen Körperverletzung mit
Todesfolge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Opfer beider Taten war die Lebensgefährtin
des Angeklagten, Frau M. , die, wie ihm bekannt war, seit langem
alkoholabhängig war und sich in einem schlechten
Gesundheitszustand befand. Mit seiner Revision rügt der
Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1. Was die Verurteilung des Angeklagten wegen (vorsätzlicher)
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten
angeht, hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
2. Gleiches gilt für den Schuldspruch wegen
Körperverletzung mit Todesfolge. Das Vorbringen der Revision,
die Behandlung der Geschädigten im Krankenhaus sei fehlerhaft
gewesen, stellt diesen Schuldspruch nicht in Frage (BGH, Urt. vom 15.
Juli 1975 - 1 StR 120/75 - bei Dallinger MDR 1976, 16 sowie
Jähnke in LK 11. Aufl. § 222 Rdn. 9; vgl. BGHSt 31,
96 sowie BGH NStZ 1994, 394).
Keinen Bestand hat hingegen der Ausspruch über die wegen
dieses Verbrechens verhängte Einzelstrafe (von vier Jahren und
fünf Monaten Freiheitsstrafe) und die Gesamtstrafe. Die in
diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge bedarf
keiner Erörterung, weil hinsichtlich der Strafbemessung wegen
Körperverletzung mit Todesfolge schon die Sachrüge
durchgreift.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte am 23. April 1999, einem
Freitag, am Nachmittag oder Abend die Geschädigte schwer
mißhandelt. Unter anderem führte er dabei mit einem
Turnschuh, den er in der Hand hielt, gegen ihre linke
Körperseite einen Schlag, der so heftig war, daß es
zu einer Fraktur der 7. bis 10. Rippe und einer Ruptur des
Milzparenchyms kam. Während des Wochenendes klagte die
Geschädigte zunehmend über Schmerzen im Bauchbereich,
ohne daß sie selbst oder der Angeklagte die konkrete Art der
ihr zugefügten Verletzungen bemerkten. Die Ruptur des
Milzparenchyms führte zu einer Einblutung in das Gewebe,
wodurch dieses anschwoll und es schließlich am Montag, dem
26. April 1999, am frühen Morgen zu einem Einreißen
der Milzkapsel mit Blutung in die Bauchhöhle kam. Der
Angeklagte sorgte nun dafür, daß die
Geschädigte ins Kreiskrankenhaus gebracht wurde, was gegen 8
Uhr geschah. Dort klagte sie über heftige Schmerzen auf der
linken Körperseite im Bauchbereich. Die Ursache
hierfür wurde durch die aufnehmende
Ärztin nicht erkannt. Gegen 10.30 Uhr verschlechterte sich der
Zustand der Patientin derart, daß sie auf die Intensivstation
verlegt wurde. Dort verstarb sie um 10.55 Uhr an den Folgen der vom
Angeklagten verursachten zweizeitigen Milzruptur. "Selbst wenn die
Verletzung sofort nach ihrer Einlieferung im Krankenhaus bemerkt worden
wäre, wäre Frau M. nicht mehr zu retten gewesen."
Diese Feststellung, die sich angesichts der schwierigen Beweislage
nicht von selbst versteht, vielmehr eine besondere Sachkunde
voraussetzt, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil nicht
begründet. Wie die Revision zu Recht geltend macht,
wäre hier aber eine nähere Erörterung der
Frage erforderlich gewesen, ob bei zutreffender Diagnose und
unverzüglicher Operation für die Patientin eine
reelle Überlebenschance bestanden hätte. Es ist weder
vom Gericht dargelegt noch sonst ersichtlich, daß auch nach
ihrer Einlieferung ins Krankenhaus die Rettung der
Geschädigten von vornherein ausschied, weil sie auf Grund
einer fortgeschrittenen Leberzirrhose, die mit erheblichen
Blutgerinnungsstörungen einherging, sich in einem schlechten
Allgemeinzustand befand.
Die Prüfung dieser Frage hätte bei Bemessung der
Strafe Bedeutung gewinnen können, weil eine in nicht
unerheblichem Umfang gegebene Mitverursachung des tödlichen
Ausgangs durch Dritte das Gewicht der dem Täter zuzurechnenden
Tatfolgen vermindert und deshalb strafmildernd wirkt (BGH, Beschl. vom
23. August 1979 - 4 StR 417/79 - bei Holtz MDR 1979, 986; G.
Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 237). Soweit
eine solche Mitverursachung in Betracht kommt, gilt - wie allgemein bei
Strafmilderungsgründen - der Grundsatz "Im Zweifel
für den Angeklagten" (Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46
Rdn. 56, 126; vgl. BGH VRS 19, 126, 127; 36, 362).
Allerdings hält die Strafkammer dem Angeklagten zugute,
daß er sich nach der akuten Verschlechterung der
gesundheitlichen Situation der Geschädigten aktiv um deren
Aufnahme in ein Krankenhaus bemühte. Auf der Grundlage ihrer -
unzulänglich getroffenen - Feststellung, daß die
Patientin ohnehin nicht mehr zu retten gewesen wäre, geht sie
aber nicht auf die Frage ein, ob mit einiger Wahrscheinlichkeit der
Todeseintritt vermieden worden wäre, wenn die Ursache
für die von der Geschädigten beschriebenen Schmerzen
erkannt und in der gebotenen Weise behandelt worden wäre.
Ob und mit welchem Gewicht ein etwaiges Mitverschulden eines Dritten
sich auf die Strafe auswirkt, ist eine Frage, die
grundsätzlich vom Tatrichter zu beurteilen ist (vgl. BGH VRS
36, 362, 363). Der Senat kann sie nicht entscheiden, mag auch, worauf
der Generalbundesanwalt hinweist, der Tat des Angeklagten - der die
Geschädigte in Kenntnis ihrer besonderen Gefährdung
wiederholt auf das brutalste mißhandelte - erhebliches
Gewicht zukommen.
Im übrigen hängt es von den Umständen des
Einzelfalls ab, ob es sich um einen bestimmenden Gesichtspunkt i. S. v.
§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO handelt. Hierbei gilt: Je geringer
die Rettungschance war, desto weniger wird ihre Versäumung
strafmildernd ins Gewicht fallen.
Die Aufhebung der wegen Körperverletzung mit Todesfolge
verhängten Einsatzstrafe (und der Gesamtstrafe) zwingt nicht
zur Aufhebung der wegen der vorangegangenen Körperverletzung
verhängten Einzelstrafe, da der aufgezeigte Mangel diese
Verurteilung nicht berührt, vielmehr in beiden Fällen
eine vorsätzliche Verletzungshandlung rechtsfehlerfrei
festgestellt ist.
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