BGH,
Beschl. v. 20.3.2002 - 2 StR 48/02
2 StR 48/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
alt: 2 StR 21/01
vom
20. März 2002
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20.
März 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 25. September 2001 aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
Strafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Die 17. Strafkammer des Landgerichts hatte den Angeklagten wegen
"sexueller Nötigung in einem ganz besonders schweren Fall" zu
einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Durch
Senatsbeschluß vom 7. März 2001 (2 StR 21/01) wurde
das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist und im Strafausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die 4. Strafkammer des Landgerichts hat in dem jetzt angefochtenen
Urteil den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe
von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des
Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und
materiellen Rechtes. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge
weitgehend Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch hält erneut rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Die zugrundeliegenden Feststellungen
können jedoch aufrechterhalten werden. Insoweit war die
weitergehende Revision zu verwerfen.
Der Tatrichter hat bei der Strafzumessung berücksichtigt,
"daß der Angeklagte letztlich die von der 17. Kammer
getroffenen tatsächlichen Feststellungen eingeräumt
hat, wenngleich diese im wesentlichen nach Rechtskraft ohnehin
feststanden und es die zunächst schwankende Einlassung des
Angeklagten der Nebenklägerin nicht ersparte, erneut
über das Geschehen aussagen zu müssen."
Diese Erwägungen sind zu Lasten des Angeklagten
rechtsfehlerhaft.
Dem Angeklagten kann selbst bei einem rechtskräftigen
Schuldspruch nicht vorgeworfen werden, daß er nicht (in
vollem Umfang) geständig ist (vgl. u.a. BGHR StGB §
46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4). Es darf auch nicht gegen ihn
berücksichtigt werden, daß er nur zögerlich
das Tatgeschehen zugestanden hat.
Dem Angeklagten kann auch in der Regel (vgl. BGHR StGB § 46
Abs. 2 Verteidigungsverhalten 15) nicht angelastet werden, wenn das
Tatopfer noch einmal vernommen werden muß. Im vorliegenden
Fall gilt das schon deshalb, weil das Tatopfer zum Tatgeschehen selbst
gar nicht zu vernehmen war. Denn der Schuldspruch mit den
zugrundeliegenden Feststellungen war durch den Senatsbeschluß
vom 7. März 2001 in Rechtskraft erwachsen. Mag die Vernehmung
des Tatopfers zu den Folgen der Tat und gegebenenfalls zur
Alkoholisierung des Angeklagten bei der Tat noch geboten gewesen sein,
zum Tatgeschehen selbst war eine Vernehmung nicht erforderlich. Darauf
gerichtete Beweisanträge hätte die Kammer als
unzulässig zurückweisen können (vgl. BGHR
StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 1 und 15).
Den Urteilsgründen (UA S. 15) läßt sich
entnehmen, daß die Nebenklägerin zu weinen begann,
als sie "auf die Tat selbst angesprochen" wurde. Dies hat die
Strafkammer zu verantworten und nicht der Angeklagte. Dem Angeklagten
darf die fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht nicht im Rahmen
der Strafzumessung angelastet werden. Im Hinblick auf die erneut hohe
Freiheitsstrafe von neun Jahren können die rechtsfehlerhaften
Erwägungen nicht als lediglich unerhebliche Relativierung
eines Strafmilderungsgrundes angesehen werden. Es ist vielmehr davon
auszugehen, daß es sich im vorliegenden Fall in der Wirkung
um eine unzulässige strafschärfende
Berücksichtigung handelt.
Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt die dem Strafausspruch
zugrundeliegenden, rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen
Feststellungen nicht, so daß diese bestehen bleiben
können. Damit kann gegebenenfalls der Nebenklägerin
auch eine nochmalige Vernehmung erspart werden.
Die Abfassung der Urteilsgründe, in denen das Urteil der 17.
Strafkammer weitgehend wiedergegeben wird, gibt dem Senat
Anlaß auf folgendes hinzuweisen:
Der Wiederholung der den Schuldspruch tragenden, durch den
Beschluß des Senats vom 7. März 2001
rechtskräftig gewordenen Feststellungen im ersten in dieser
Sache verkündeten Urteil des Landgerichts vom 26. Juni 2000
bedurfte es nicht. Denn die von der teilweisen Aufhebung im
Revisionsrechtszug nicht betroffenen Teile des Ersturteils behalten
auch dann ihre eigenständige Bedeutung für das
weitere Verfahren, wenn sie in dem nach der Zurückverweisung
über weitere Urteilselemente entscheidenden neuen
tatrichterlichen Urteil keine Erwähnung finden, und bilden mit
diesem zusammen die einheitliche instanzabschließende
Entscheidung (vgl. BGH, Beschl. v. 19. September 2001 - 3 StR 339/01
m.w.N.). Ergänzende und nicht in Widerspruch stehende
Feststellungen darf der Tatrichter jedoch treffen. Die Wiedergabe der
den Strafausspruch tragenden Feststellungen des ersten tatrichterlichen
Urteils ist nicht unbedenklich, weil der Senat diese aufgehoben hatte.
Die für den Strafausspruch relevanten Feststellungen hat der
zweite Tatrichter selbständig neu zu treffen. Eine Bezugnahme
auf das aufgehobene Urteil wäre auch dann nicht
zulässig, wenn sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue
Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt
(vgl. u.a. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 3). Im
vorliegenden Fall konnte der Senat die Abfassung hinnehmen, da der
Tatrichter die Feststellungen letztlich ohne - unzulässige -
Bezugnahme eigenständig neu getroffen und die entsprechenden
Umstände im jetzt angefochtenen Urteil wiedergegeben und
ergänzt hat.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2
Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Landgericht
zurückverwiesen.
Jähnke Detter Rothfuß
Fischer Elf |