BGH,
Beschl. v. 20.5.2008 - 1 StR 233/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 233/08
vom
20. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2008
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 29. November 2007 im Ausspruch über die
Dauer des Vorwegvollzugs mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Der in dieser Sache seit 2. April 2007 inhaftierte Angeklagte wurde
wegen schweren Raubes sowie wegen versuchter schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
Körperverletzung zu sechs Jahren und neun Monaten
Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Außerdem wurde er in einer
Entziehungsanstalt untergebracht; zugleich ordnete die Strafkammer an,
dass drei Jahre Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind.
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Seine auf die nicht näher ausgeführte
Sachrüge gestützte Revision bleibt hinsichtlich des
Schuldspruchs, des Strafausspruchs, der Unterbringungsanordnung und der
Entscheidung, dass ein Teil der Strafe vorweg zu vollziehen ist,
erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO); der Teil der Strafe, der vorweg
zu vollziehen ist, muss jedoch neu bemessen werden.
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1. In diesem Zusammenhang führt die Strafkammer aus:
„Gemäß § 67 Abs. 2 StGB war der
teilweise Vorwegvollzug der Strafe vor der Unterbringung anzuordnen.
Bei der Bemessung der Dauer dieses Vorwegvollzuges der Strafe ging die
Kammer mit dem Sachverständigen … davon aus, dass
eine Therapie etwa eineinhalb bis zwei Jahre dauern werde. Ein
Vorwegvollzug von drei Jahren berücksichtigt somit hinreichend
die Möglichkeit einer etwaigen Aussetzung der Reststrafe zur
Bewährung gemäß § 57
StGB“.
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Dies hält im Hinblick auf die Neufassung von § 67
StGB (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I 1327) rechtlicher
Überprüfung nicht Stand.
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a) Stehen bei einer Strafe von mehr als drei Jahren nicht
Gründe des Einzelfalls dem Vorwegvollzug eines Teils der
Strafe überhaupt entgegen - dies ist hier nicht der Fall -, so
ist gemäß § 67 Abs. 2 Sätze 2 und
3 StGB in Verbindung mit § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB der vorweg zu
vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner
Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine
Halbstrafenentlassung möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum
steht dem Tatrichter insoweit nicht zu (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 142; 182
jew. m.w.N. auch aus den Gesetzesmaterialien). Dementsprechend ist eine
Bemessung der vorweg zu vollziehenden Strafe, die, wie ersichtlich
hier, an einer Entlassung zum Zweidrittel-Zeitpunkt orientiert ist,
nicht möglich (BGH aaO 182 m.w.N.).
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b) Im Übrigen genügt es aber auch nicht, dass der
Tatrichter hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des
Maßregelvollzuges nur eine Mindestdauer und eine
Höchstdauer - also einen Zeitraum - prognostiziert.
Erforderlich ist vielmehr eine präzise Prognose
darüber, wie lange genau die Unterbringung voraussichtlich
erforderlich sein wird. Nur auf der Grundlage einer solchen Prognose
kann - letztlich ohne weitere Abwägung, sondern mittels eines
Rechenvorgangs (vgl. BGH NStZ 2008, 213) - bestimmt werden, wie viel
Strafe (einschließ-
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lich der anzurechnenden Untersuchungshaft, vgl. BGH NStZ-RR aaO 182
m.w.N.) vorab zu vollziehen ist, bis exakt der Zeitpunkt erreicht sein
wird, zu dem eine Halbstrafenentlassung möglich sein wird.
Sollte sich im Übrigen im Laufe des
Maßregelvollzuges erweisen, dass die Prognose über
dessen mutmaßlich erforderliche Dauer nicht aufrecht zu
erhalten ist, so hätte dies gegebenenfalls die dann
zuständige Strafvollstreckungskammer im Rahmen von ihr zu
treffender Entscheidungen zu berücksichtigen.
2. Eine Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs durch den Senat
entsprechend § 354 StPO (vgl. BGH NStZ 2008, 213) war nicht
möglich. Eine solche Entscheidung setzte nicht nur voraus,
dass die Strafzumessung rechtsfehlerfrei ist, sondern auch, dass die
zur Therapie (voraussichtlich) erforderliche Dauer der Unterbringung
rechtsfehlerfrei festgestellt ist (BGH aaO). Hier ist zwar der
Strafausspruch rechtsfehlerfrei, es fehlt jedoch die erforderliche
eindeutige Prognose über die erforderliche Dauer der
Unterbringung (vgl. oben 1 b). Die Sache bedarf daher hinsichtlich der
Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzuges der neuen Verhandlung und
Entscheidung.
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Wahl Boetticher Kolz
Elf Sander |