BGH,
Beschl. v. 20.11.2008 - 1 StR 354/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 354/08
vom
20. November 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja - nur 1. -
Veröffentlichung: ja
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UStG § 6a
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1
1. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im
übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar,
wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken
mit dem tatsächlichen Abnehmer die Lieferung an einen
Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die
Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen.
2. Wird eine solche Lieferung durch den inländischen
Unternehmer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung
erklärt, macht der Unternehmer gegenüber den
Finanzbehörden unrichtige Angaben i.S.v. § 370 Abs. 1
Nr. 1 AO und verkürzt dadurch die auf die Umsätze
nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1, §
13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende und von ihm geschuldete Umsatzsteuer.
BGH, Beschl. vom 20. November 2008 - 1 StR 354/08 - LG München
II
in der Strafsache
gegen
1.
- 2 -
2.
wegen Steuerhinterziehung
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2008
beschlossen:
1. Den Angeklagten wird auf ihre Anträge gegen die
Versäumung der Frist zur Anbringung der in der
Revisionsbegründungsschrift vom 4. April 2008 unter B. 2. Teil
III (RB S. 73) und B. 3. Teil I (RB S. 94) erhobenen
Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzungen tragen die Angeklagten.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 28. November 2007 werden als
unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 14
Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun
Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen
der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen
Rechts rügen, sind aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts vom 3. September 2008, die auch
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durch die Erwiderungen der Beschwerdeführer (§ 349
Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden,
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der
Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieben die beiden
Angeklagten seit Ende des Jahres 1983 als Gesellschaft
bürgerlichen Rechts ein Unternehmen, das unter anderem auch
den Handel mit Kraftfahrzeugen zum Gegenstand hatte. In diesem
Geschäftsbereich erwarben die Angeklagten im Inland gegen
Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer hochwertige
Personenkraftwagen, die sie sodann - seit 1996 in stetig steigendem
Umfang - an ihre in Italien gewerblich tätigen Kunden
verkauften. Ihre Ausgangsrechnungen stellten sie in Absprache mit ihren
Abnehmern auf italienische Scheinkäufer aus, die ihrerseits
die Fahrzeuge zum Schein an Zwischenhändler verkauften. In
einem weiteren Scheingeschäft verkauften diese
Zwischenhändler die Personenkraftwagen dann an die
tatsächlichen Abnehmer der Angeklagten und wiesen in den
diesbezüglichen Ausgangsrechnungen die italienische
Umsatzsteuer offen aus. Den Angeklagten war bewusst, dass die
Scheingeschäfte, die ihre Abnehmer veranlassten,
vorgetäuscht wurden, um den tatsächlichen Erwerbern
der Fahrzeuge in Italien den Vorsteuerabzug zu ermöglichen,
während die Aussteller der Scheinrechnungen zu keiner Zeit die
bei ihnen anfallende Umsatzsteuer abführten.
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In ihren eigenen Umsatzsteuerjahreserklärungen für
2003 und 2004 sowie in den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen von
Januar 2005 bis Februar 2006 erklärten die Angeklagten die
Umsätze aus den Geschäften mit ihren italienischen
Scheinkäufern als steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferungen im Sinne von § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a
UStG. Darüber hinaus machten
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sie die ihnen bei Ankauf der Pkw in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als
Vorsteuer geltend, obwohl teilweise die Voraussetzungen für
den Vorsteuerabzug im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht
gegeben waren. Insgesamt hat das Landgericht eine Hinterziehungssumme
in Höhe von mehr als 3.640.000,-- EUR errechnet, die aus den
vollendeten Taten resultierte. Hierbei beläuft sich die im
Zusammenhang mit den Fahrzeuglieferungen nach Italien hinterzogene
Umsatzsteuer auf 1.770.386,-- EUR. Daneben versuchten die Angeklagten
nach den Berechnungen des Landgerichts, weitere Steuern in
Höhe von 240.855,-- EUR zu hinterziehen.
II.
Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
hat das Landgericht zu Recht bei den Lieferungen nach Italien das
Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne des
§ 6a UStG verneint, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG
steuerfrei gewesen wären. Die Lieferung von
Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen
Gemeinschaftsgebiet stellt keine steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der
inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem
Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler
vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu
ermöglichen. Werden diese Lieferungen durch die
inländischen Unternehmer gleichwohl als steuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht der
Unternehmer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige
Angaben i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und verkürzt
dadurch die auf die Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1,
§ 13 Abs. 1 Nr. 1, § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG anfallende
und von ihm geschuldete Umsatzsteuer.
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1) Die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von
Gegenständen fand zur Tatzeit ihre Grundlage in Art. 28c Teil
A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates
vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. EG Nr. L 145 S.
1; im Folgenden: Sechste Richtlinie). Damit wird der
Mehrwertsteuerübergangsregelung Rechnung getragen, nach der im
Rahmen der Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten die
Steuereinnahmen dem Mitgliedstaat zustehen sollen, in dem der
Endverbrauch erfolgt (Grundsatz der steuerlichen
Territorialität). Gleichzeitig wird bei einer im Ursprungsland
steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung die Doppelbesteuerung
und damit eine Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem
innewohnenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität
vermieden (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 -
Collé, Rdn. 21 f.).
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2) Die Mitgliedstaaten dürfen nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten
Richtlinie Maßnahmen erlassen, um die genaue Erhebung der
Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern.
Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist nach
§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG daher erforderlich, dass die
materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6a Abs.
1 und 2 UStG durch den inländischen Unternehmer nachgewiesen
sind. Dabei muss die Beförderung oder Versendung des
Gegenstandes der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
(§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG) durch entsprechende Belege eindeutig
und leicht nachzuprüfen sein (§ 17a Abs. 1 UStDV,
sog. Belegnachweis). Darüber hinaus hat der
inländische Unternehmer die Voraussetzungen der
Steuerbefreiung buchmäßig nachzuweisen (§
17c Abs. 1 UStDV; sog. Buchnachweis). Diese Nachweispflichten sind mit
dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie sind indes grundsätzlich
keine materielle Voraussetzungen für die Befreiung von der
Umsatzsteuer
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(BFH DStR 2008, 297, 299 im Anschluss an die Vorabentscheidung des
EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 -
Collé). Steht aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass
die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, ist die
Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die
erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17a,
17c UStDV erbracht hat (BFH aaO). Soweit in der bisherigen
Rechtsprechung im Anschluss an die damalige Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH/NV 1997, 629 ff.) auch in steuerstrafrechtlicher
Hinsicht von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde (BGH NJW
2005, 2241), gibt der Senat diese angesichts der neueren Rechtsprechung
des EuGH und des BFH auf.
3) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht
gleichwohl zu Recht das Vorliegen einer steuerfreien
innergemeinschaftlichen Lieferung verneint.
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a) Die erklärten und als innergemeinschaftliche Lieferung
bezeichneten Lieferungen an die vorgeblichen Zwischenhändler
haben nicht stattgefunden. Hierbei handelte es sich um bloße
Scheingeschäfte. Bei diesen fehlt es daher bereits an einer
Lieferung i.S.v. § 6a Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UStG.
Lieferungen sind dabei Leistungen eines Unternehmers, durch die er oder
in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen
Dritten befähigt, in eigenem Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht, § 3 Abs. 1 UStG). Eine solche
tatsächliche Verfügungsmacht wurde den
Scheinabnehmern indes weder verschafft noch sollte sie - wie die
Angeklagten wussten - zu irgendeiner Zeit verschafft werden.
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b) Stattdessen liegen Lieferungen an die tatsächlichen
Erwerber der Fahrzeuge vor. Hierbei handelt es sich um Lieferungen
i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG
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und somit um steuerbare Umsätze. Deren - allein in Betracht zu
ziehende - Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG
scheidet aus, da die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 UStG nicht gegeben sind.
aa) Für die Steuerbefreiung der Lieferung in einen anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist nach
§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG neben den weiteren
Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erforderlich, dass der
Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer im anderen
Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dabei
ist allerdings grundsätzlich nicht Voraussetzung, dass der
Gegenstand des Erwerbs tatsächlich besteuert wird
(Weymüller in Sölch/Ringleb UStG § 6a Rdn.
35). Den inländischen Unternehmer treffen insoweit auch keine
Nachweispflichten i.S.v. § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG
(Weymüller aaO Rdn. 51).
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bb) § 6a Abs. 1 UStG setzt aber die diesbezüglichen
Vorgaben der Sechsten Richtlinie in das nationale Recht um. Bei der
Auslegung der Vorschrift sind daher die Vorgaben des
einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu beachten.
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(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften, dem insoweit das
Auslegungsmonopol zukommt (Art. 234 EGV), ist eine
betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das
Gemeinschaftsrecht indes nicht erlaubt. Die Anwendung des
Gemeinschaftsrechts kann nicht so weit gehen, dass
missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt
werden. Denjenigen Umsätzen, die nicht im Rahmen normaler
Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt
werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht
vorgesehenen Vorteilen zu kommen, sind diese Vorteile zu versagen
(EuGH, Urt. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn.
69). Das demnach im Gemeinschaftsrecht verankerte
grundsätzliche Verbot missbräuchlicher Praktiken gilt
dabei
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auch auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer. Die Bekämpfung von
Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen
Missbräuchen ist ein Ziel, das von der Sechsten Richtlinie
anerkannt und gefördert wird (EuGH, Urt. vom 21. Februar 2006
- Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn. 70 f.). Eine
missbräuchliche Praxis ist dabei dann gegeben, wenn die
Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der
einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu
ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum
Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen
verfolgten Ziel zuwiderliefe und wenn anhand objektiver Anhaltspunkte
ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im
Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird (EuGH, Urt. vom 21.
Februar 2006 - Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn. 74 f.).
(2) Danach ist § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG
gemeinschaftsrechtlich dahingehend auszulegen, dass der Erwerb des
Gegenstands einer Lieferung beim Abnehmer dann nicht den Vorschriften
der Umsatzbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat im Sinne der
Vorschrift unterliegt, wenn die im Bestimmungsland vorgesehene
Erwerbsbesteuerung der konkreten Lieferung nach dem
übereinstimmenden Willen von Unternehmer und Abnehmer durch
Verschleierungsmaßnahmen und falsche Angaben gezielt umgangen
werden soll, um dem Unternehmer oder dem Abnehmer einen
ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen. Anderes gilt, wenn die
Verschleierungsmaßnahme anderen Zwecken dient.
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cc) Eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 3 EGV besteht in diesem Zusammenhang
nicht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt
nicht vor. Die maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Fragen
waren bereits Gegenstand einer Auslegung durch
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den EuGH, so dass eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften gegeben ist, durch die die
betreffende Rechtsfrage gelöst ist (vgl. EuGH, Urt. vom 6.
Oktober 1982 - Rechtssache Rs 283/81 - Cilfit = NJW 1983, 1257, 1258).
(1) Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der
Sechsten Richtlinie erlassen haben, dürfen nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften nicht so weit gehen, dass sie die Neutralität
der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das
einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen
Mehrwertsteuersystems ist (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 -
Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 26 m.w.N.). Danach ist zu
gewährleisten, dass lediglich der Erwerb des Endverbrauchers
mit Umsatzsteuer belastet ist, während die Unternehmer einer
Lieferkette einer solchen Belastung nicht ausgesetzt werden sollen.
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(2) Vor diesem Hintergrund hat es der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften bereits als nicht mit dem
Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen, dass die Gewährung
einer Mehrwertsteuerbefreiung allein von der Einhaltung bestimmter
formeller Anforderungen abhängig gemacht wird, ohne die
materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere
ohne in Betracht zu ziehen, ob diese erfüllt sind (EuGH, Urt.
vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn.
29).
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(3) Gleichzeitig hat der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften schon festgestellt, dass das Recht auf Befreiung einer
Lieferung von der Mehrwertsteuer entfällt, wenn feststeht,
dass der betreffende Umsatz zur Erlangung eines ungerechtfertigten
Steuervorteils getätigt wurde und dadurch eine
Gefährdung des Steueraufkommens besteht und diese nicht
vollständig vom Steuerpflichtigen beseitigt worden ist (EuGH,
Urt. vom 27. September 2007
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- Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 38 ff., Rdn. 42). Unter
diesen Voraussetzungen hindert das Gemeinschaftsrecht die
Mitgliedstaaten auch nicht daran, die Verschleierung oder das
Vortäuschen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach
nationalem Recht steuerstrafrechtlich zu ahnden (EuGH, Urt. vom 27.
September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collé, Rdn. 40
m.w.N.).
(4) Zudem ist in der Rechtsprechung des EuGH bereits anerkannt, dass
der Grundsatz der Neutralität des gemeinsamen
Mehrwertsteuersystems es nicht verhindert, dass ein Mitgliedstaat
Mehrwertsteuer von einem Steuerpflichtigen nachfordern kann, wenn
dieser zu Unrecht eine Rechnung unter Anwendung der
Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von
Gegenständen ausgestellt hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob
die Mehrwertsteuer auf den späteren Verkauf der betreffenden
Gegenstände an den Endverbraucher an den Fiskus entrichtet
wurde (EuGH, Beschl. vom 3. März 2004 - Rechtssache C-395/02 -
Transport Service NV, Rdn. 31; siehe auch EuGH, Urt. vom 27. September
2007 - Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 66).
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(5) Zuletzt gebieten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Eu-ropäischen Gemeinschaften auch die gemeinschaftsrechtlichen
Grundsätze der Rechtssicherheit und der
Verhältnismäßigkeit keine anderweitige
Auslegung. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der in besonderem
Maße gilt, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich
finanziell belastend auswirken kann, müssen die Betroffenen in
der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten steuerlichen
Verpflichtungen genau zu erkennen, bevor sie ein Geschäft
abschließen (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache
C-409/04 - Teleos, Rdn. 48). Demgegenüber besagt der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit, dass sich die
Mitgliedstaaten solcher Mittel bedienen müssen, die es zwar
erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu
erreichen,
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die jedoch andererseits die Ziele und Grundsätze des
einschlägigen Gemeinschaftsrechts möglichst wenig
beeinträchtigen (EuGH, Urt. vom 27. September 2007 -
Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 52). Beide Grundsätze kann
indes nur der gutgläubige Unternehmer für sich in
Anspruch nehmen, der alle Maßnahmen getroffen hat, die
vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um
sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht zu einer Lieferkette
gehören, die einen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten
Umsatz einschließt (EuGH, Urt. vom 11. Mai 2006 - Rechtssache
C-384/04 - Federation of Technological Industries, Rdn. 33) und der von
dem begangenen Betrug weder Kenntnis hatte noch haben konnte (EuGH,
Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-409/04 - Teleos, Rdn. 50).
Um solche gutgläubigen Unternehmer handelte es sich bei den
hier in Rede stehenden Konstellationen indes gerade nicht.
dd) Das danach auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
gemeinschaftsrechtlich gebotene Verständnis des § 6a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, das in Fällen der vorliegenden Art
zur Versagung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b
UStG führt, genügt auch den Anforderungen, die nach
Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit der die Blankettstrafnorm
ausfüllenden Vorschriften zu stellen sind. Tragweite und
Anwendungsbereich des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und somit
auch Tragweite und Anwendungsbereich des Straftatbestandes des
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sind für den Normadressaten
bereits aus dem Gesetz selbst zu erkennen und können durch
Auslegung ermittelt und konkretisiert werden (vgl. insoweit BVerfGE
105, 135, 153 m.w.N.).
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ee) Da in den vorliegenden Fällen nach dem einvernehmlichen
Willen der Angeklagten und ihrer Geschäftspartner durch
Vorspiegelung der Scheinkäufer die Erwerbsbesteuerung bei den
tatsächlichen Erwerbern in Italien gerade ver-
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mieden werden sollte, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu
ermöglichen, sind auch die Voraussetzungen erfüllt,
die zum Wegfall der Steuerbefreiung führen.
(1) Auf der Grundlage formaler Anwendung der Bedingungen der
einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu
ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts hätte die
Lieferung einen Steuervorteil, nämlich die Steuerbefreiung
nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, zur Folge.
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(2) Dessen Gewährung würde dem Ziel, das mit diesen
Bestimmungen verfolgt wird, zuwiderlaufen; das gemeinschaftsrechtliche
Umsatzsteuersystem würde zu Gunsten einzelner Wettbewerber in
ein Ungleichgewicht gebracht. Ziel der Steuerfreiheit der
innergemeinschaftlichen Lieferung und der Neutralität des
gemeinsamen Umsatzsteuersystems ist aber die Herstellung eines
„gesunden Wettbewerbs“ im innergemeinschaftlichen
Handelsverkehr (vgl. den dritten Erwägungsgrund der Sechsten
Richtlinie). Demgegenüber verschaffen sich die Beteiligten
eines Kettengeschäfts wie des vorliegenden unter Ausnutzung
der formalen Vorgaben der einschlägigen Bestimmungen
Wettbewerbsvorteile, die von dem gemeinsamen Umsatzsteuersystem nicht
bezweckt werden. Der Unternehmer kann in der Regel den Gegenstand
bereits zu einem höheren Preis verkaufen, als der Markt
erbringen würde. Jedenfalls der tatsächliche Abnehmer
verschafft sich aber den Gegenstand zu einem günstigeren
Preis, als er tatsächlich auf dem Markt zahlen
müsste, da er die Vorsteuer, die er für den formellen
Erwerb geltend macht, dem tatsächlich gezahlten Preis
gegenrechnen kann.
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(3) Auch die erforderlichen objektiven Anhaltspunkte, die ergeben, dass
mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil
bezweckt wird, liegen vor. Die festgestellte konkrete Abwicklung der
fraglichen Fahrzeugge-
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schäfte diente - wie die Angeklagten wussten - allein der
Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile bei den Abnehmern der
Angeklagten. Zu diesem Zweck sollte die vom Mehrwertsteuersystem
bezweckte Besteuerung im Bestimmungsland gezielt umgangen werden.
4) Indem die Angeklagten kollusiv mit den Abnehmern in Italien
zusammenwirkten, entfiel demnach die Steuerfreiheit nach § 4
Nr. 1 Buchst. b UStG für die fraglichen Lieferungen. Durch die
daher wahrheitswidrigen Erklärungen als steuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferung in den
Umsatzsteuerjahreserklärungen und -voranmeldungen wurde somit
die nach deutschem Recht von den Angeklagten auszuweisende und
abzuführende Umsatzsteuer hinterzogen. Den Angeklagten wird
demgemäß auch nicht die Beteiligung an einer
Umsatzsteuerhinterziehung in Italien vorgeworfen.
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Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander |