BGH,
Beschl. v. 20.9.2002 - 2 StR 336/02
2 StR 336/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
20. September 2002
in der Strafsache gegen
wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung
u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20.
September 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Limburg a. d. Lahn vom 17. Dezember 2001 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur
Körperverletzung und wegen Anstiftung zur
gefährlichen Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (Einzelstrafen:
Geldstrafe 120 Tagessätze und Freiheitsstrafe ein Jahr)
verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit
Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel erweist sich zum Schuldspruch als unbegründet
im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Hingegen hält der
Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte, der in verantwortlicher
Stellung im Unternehmen seines Vaters tätig ist, im Jahre 1996
einem Angestellten seines Vaters den Auftrag erteilt, einem
früheren Mitarbeiter, dem Zeugen W., "eine Lektion" zu
erteilen, und ihm dafür 4.000, DM übergeben. Auf
dessen Veranlassung wurde dem Zeugen ein Faustschlag in das Gesicht
versetzt, durch den er eine blutende Wunde erlitt. Da der Zeuge sich
davon wenig beeindruckt zeigte, hat der Angeklagte kurze Zeit
später erneut den Auftrag erteilt, den Zeugen - nunmehr
intensiver - zu verletzen. Durch einen von der Firma seines Vaters
gesponserten Profiboxer wurde dem Zeugen u.a. der rechte Ellenbogen
ausgekugelt, so daß er zehn Wochen einen Gipsverband tragen
mußte, außerdem erlitt er einen Unterkieferbruch.
Nachdem der Zeuge sich an den Vater des Angeklagten gewandt hatte,
ließ der Angeklagte, "um die Wogen zu glätten", dem
Zeugen 5.000, DM als Schmerzensgeld übergeben.
Außerdem kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu einem
Treffen mit dem Zeugen, bei dem er sich bei diesem entschuldigte und
auch die zweite Anstiftungshandlung eingestand. Der Zeuge hat in der
Hauptverhandlung angegeben, er habe dem Angeklagten verziehen und
betrachte die Sache als erledigt.
Das Landgericht hat die Zahlung von 5.000, DM als ein für
beide Körperverletzungen bestimmtes Schmerzensgeld angesehen
und sie nach § 46 Abs. 2 StGB strafmildernd
berücksichtigt. Eine Strafrahmenmilderung nach § 46 a
Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB hat es abgelehnt. Der Angeklagte habe zwar die
erste Tat gestanden, zur zweiten Tat habe er sich hingegen in der
Hauptverhandlung nicht bekannt, sondern angegeben, daß sich
sein Auftrag verselbständigt habe. Auch wenn der Angeklagte
sie gegenüber dem Geschädigten zugegeben habe,
erfordere der Täter-Opfer-Ausgleich, daß der
Täter auch in der Hauptverhandlung dazu stehe. Er
müsse auch gegenüber der Gesellschaft die
Verantwortung übernehmen. Zudem könne die Zahlung von
5.000, DM allenfalls als angemessener Schmerzensgeldbetrag betrachtet
werden, eine in § 46 a Nr. 2 StGB geforderte erhebliche
persönliche Leistung oder ein erheblicher
persönlicher Verzicht könne angesichts der
Einkommensverhältnisse des Angeklagten darin nicht gesehen
werden.
Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken. Der
Anwendung der Strafrahmenmilderung nach § 46 a StGB steht
nicht zwingend entgegen, daß der Täter in der
Hauptverhandlung kein volles Geständnis abgelegt hat.
§ 46 a Nr. 1 StGB, der hier in Betracht kommt, setzt voraus,
daß der Täter im Rahmen eines
Täter-Opfer-Ausgleichs seine Tat ganz oder zum
überwiegenden Teil wiedergutmacht oder die Wiedergutmachung
erstrebt, wobei die erreichte oder erstrebte Wiedergutmachung auf der
Grundlage umfassender Ausgleichsbemühungen geleistet werden
muß (BT-Drucks. 12/6853 S. 21). Dies bedeutet, daß
der Täter sich schon vor seiner Verurteilung
gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennen muß.
Dem wird regelmäßig ein Geständnis im
Strafverfahren entsprechen. Ein bestimmtes Prozeßverhalten
des Täters ist nach dem Wortlaut der Vorschrift jedenfalls
nicht ausdrücklich gefordert, eine solche Voraussetzung ist
auch der Gesetzgebungsgeschichte nicht zu entnehmen.
Erfahrungshintergrund für die durch das
Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994
eingefügte Bestimmung des § 46 a StGB bildete der im
Jugendstrafrecht praktizierte Täter-Opfer-Ausgleich.
Für die Regelung des § 45 Abs. 2 JGG, die ein Absehen
von der Verfolgung bei einem Täter-Opfer-Ausgleich vorsieht,
wird überwiegend ein Geständnis nicht für
erforderlich gehalten (DSS/Diemer, JGG 3. Aufl. § 45 Rdn. 17;
Eisenberg, JGG, 6. Aufl. § 45 Rdn. 21; Ostendorf, JGG 4. Aufl.
§ 45 Rdn. 14; a. A. Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl.
§ 45 Rdn. 24). Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des
§ 46 a StGB ist ein uneingeschränktes
Geständnis als weitere Voraussetzung des
Täter-Opfer-Ausgleichs nicht zwingend gefordert. Ein solches
Geständnis kann allerdings Anzeichen für einen
gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich sein. Oftmals wird dem Opfer
gerade ein Bekennen des Täters zu seiner Tat auch im
Strafverfahren besonders wichtig sein, eine angestrebte
Wiedergutmachung des Täters ohne ein Geständnis kaum
denkbar sein. Ist für das Opfer aber nach gelungenen
Ausgleichsbemühungen die strafrechtliche Ahndung und das
Verteidigungsverhalten des Täters nicht mehr von besonderem
Interesse, so steht ein nur eingeschränktes
Geständnis nach dem Sinn und Zweck der Regelung, die gerade
dem friedensstiftenden kommunikativen Prozeß zwischen
Täter und Opfer besondere Bedeutung beimißt, der
Anwendung des § 46 a StGB nicht entgegen. So kann es hier
sein. Der Zeuge hatte keinen Strafantrag gestellt und in der
Hauptverhandlung erklärt, daß für ihn die
Sache erledigt sei. Demgegenüber verlangen Sinn und Zweck des
§ 46 a StGB nicht, wie das Landgericht meint, daß
der Täter gegenüber der Gesellschaft die
Verantwortung für die Tat übernimmt und sich zu
dieser in öffentlicher Hauptverhandlung bekennt.
Soweit das Landgericht eine Strafrahmenmilderung auch deshalb abgelehnt
hat, weil die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB nicht
vorliegen, verkennt es, daß § 46 a Nr. 2 den
materiellen Schadensersatz betrifft (vgl. dazu BGH NJW 2001 S. 2557).
Daß der Zeuge auch materielle Schäden erlitten hat,
hat die Strafkammer nicht festgestellt.
Die Anwendung des § 46 a StGB bedarf danach erneuter
Prüfung. Der Senat kann trotz der strafmildernden
Berücksichtigung der Schmerzensgeldzahlung und der an sich
maßvollen Strafe nicht ausschließen, daß
die Strafkammer bei einer Strafrahmenmilderung nach
§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB zu einer niedrigeren Strafe
gekommen wäre.
Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer, nachdem
eine Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben
ist.
Rissing-van Saan Detter Otten Rothfuß RiBGH Fischer ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan
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