BGH,
Beschl. v. 20.9.2005 - 3 StR 295/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 295/05
vom
20.9.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20.09.2005
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Flensburg vom 11.04.2005 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen"
schweren Raubes zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richten sich
ihre auf
die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die
Rechtsmittel bleiben
erfolglos.
Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen die
drogenabhängigen
Angeklagten der Geschädigten, die ebenfalls Heroinkonsumentin
war, unter
Einsatz eines Messers ca. 4 bis 6 g Heroin weg. Die
Überprüfung des Urteils
zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben. Insbesondere hält die rechtliche
Bewertung des Tatgeschehens
als schwerer Raub der Nachprüfung stand.
Anlass zu näherer Erörterung gibt lediglich die
Beanstandung der Revision
des Angeklagten P. , eine Verurteilung wegen eines Eigentumsdelikts
sei nicht möglich, weil es sich bei dem weggenommenen
Betäubungsmittel
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nicht um eine fremde Sache handele. Diese Rüge ist nicht
begründet; die weggenommenen
Drogen waren für die Angeklagten fremd. Der Bundesgerichtshof
hat auch illegal besessene Drogen in seiner bisherigen Rechtsprechung
ohne
nähere Begründung als taugliche Objekte für
Eigentumsdelikte wie Diebstahl
nach § 242 StGB oder Raub nach § 249 StGB angesehen
(vgl. BGH NJW
1982, 708; 1982, 1337 f.). Eine Überprüfung unter
Berücksichtigung der hiergegen
erhobenen Einwände gibt keinen Anlass zu einer
Änderung dieser Auffassung.
Fremd ist eine Sache wenn sie verkehrsfähig ist, das
heißt überhaupt in
jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im
Alleineigentum
des Täters steht (vgl. Ruß in LK 11. Aufl.
§ 242 Rdn. 6 ff.). Nach dem festgestellten
Sachverhalt war das weggenommene Heroin weder derelinquiert
noch im Eigentum der Täter. Es handelte sich aber auch um eine
verkehrsfähige
Sache, die im Eigentum eines anderen stand:
1. Als verkehrsunfähig werden allgemein Sachen angesehen, die
nach
ihrer Beschaffenheit nicht im Eigentum eines anderen stehen
können, etwa die
Luft in der Atmosphäre, frei fließendes Wasser u.
ä. (vgl. Ruß aaO Rdn. 8);
dies trifft für Betäubungsmittel ersichtlich nicht zu.
2. Das Merkmal der Verkehrsfähigkeit illegaler Drogen wird
auch nicht
dadurch in Frage gestellt, dass das Eigentum an ihnen nach den
Verbotsvorschriften
des Betäubungsmittelgesetzes in Verbindung mit § 134
BGB nicht
rechtsgeschäftlich übertragen werden kann.
a) Eine Mindermeinung vertritt demgegenüber die Auffassung,
dass
zwar ein ursprüngliches - etwa durch Produktion - erlangtes
Eigentum trotz der
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Nichtigkeit etwaiger Übertragungsakte formal fortbestehe, aber
nicht mehr feststellbar
und vom Vorsatz eines Täters nicht umfasst sei (so Engel, NStZ
1991,
520 ff.), bzw. auf eine "leere Begriffshülse" reduziert sei
und deshalb kein
Grund für einen strafrechtlichen Schutz bestehe (so Schmitz in
MüKo § 242
Rdn. 14).
b) Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden
Meinung
nicht (vgl. Ruß aaO Rdn. 8; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
§ 242 Rdn. 19; Kindhäuser in Nomos Kommentar zum StGB
§ 242 Rdn. 21;
Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 242 Rdn. 9;
Maurach/Schroeder/Maiwald
§ 32 Rdn. 25; Mitsch BT II/1 § 1 Rdn. 34;
Wessels/Hillenkamp Rdn. 62; Marcelli
NStZ 1992, 220; Vitt, NStZ 1992, 221).
aa) Soweit Engel (aaO) illegal besessene Drogen für
"eigentumsunfähig"
hält, übersieht er, dass die Vorschriften des BtMG in
Verbindung mit § 134
BGB wohl die rechtsgeschäftliche Begründung neuen
Eigentums hindern, aber
ohne Auswirkung auf bestehende Eigentumsverhältnisse sind. So
verliert der
Produzent von Marihuana das Eigentum nicht allein dadurch, dass der
Anbau
und der Besitz von Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis verboten
sind. Im Übrigen
haben Marcelli und Vitt (aaO) im Einzelnen nachgewiesen, dass
Konstellationen
möglich sind, in denen Eigentum an illegalen Drogen auch auf
nicht
rechtsgeschäftliche Weise erlangt werden kann, die nicht von
§ 134 BGB erfasst
ist, was insbesondere für die Produktion und Bearbeitung gilt.
Zudem haben
sie zu Recht darauf hingewiesen, dass illegale Drogen ganz
überwiegend
aus dem Ausland kommen und somit ein etwaiger Eigentumserwerb nach den
möglicherweise nach Land und Drogenart unterschiedlichen
ausländischen
Rechtsordnungen beurteilt werden müsste.
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Im Übrigen vermengt Engel (aa0) Fragen der dogmatischen
Einordnung
in unzulässiger Weise mit Fragen der Beweisbarkeit von
objektiven und subjektiven
Tatbestandsmerkmalen. Für die Verurteilung wegen eines
Eigentumsdeliktes
genügt jedoch die Feststellung, dass fremdes Eigentum verletzt
ist; nicht
notwendig ist die Ermittlung der Person des Eigentümers.
Dementsprechend ist
es auch belanglos, welche Vorstellungen der Täter
über die Person des Eigentümers
hat; es genügt, dass er weiß, dass die Drogen nicht
in seinem Alleineigentum
stehen und nicht herrenlos sind.
bb) Demgegenüber räumt Schmitz (aaO) zwar ein, dass
auch an illegalen
Drogen Eigentum bestehen könne. Er stellt jedoch darauf ab,
dass der Eigentümer
- etwa nach einem Verkauf - nicht mehr betroffen ist. Selbst wenn die
Sache bei ihm gestohlen werden würde, wäre er in
seinen Rechten aus § 903
BGB nicht beeinträchtigt, da ihm diese im Hinblick auf die
Verbotsvorschriften
des BtMG nicht zustehen (Schmitz aaO). Dabei bleibt
unberücksichtigt, dass
die Strafvorschriften zum Schutz des Eigentums nach § 242,
§ 259 StGB für
den Begriff der fremden Sache allein auf die formale Eigentumsposition,
nicht
aber auf die tatsächliche oder rechtliche
Verfügbarkeit abstellen. Auch ein Eigentümer,
der infolge Beschlagnahme, Insolvenz, Verpfändung o.
ä. über sein
Eigentum nicht mehr verfügen kann, wird durch diese
Bestimmungen uneingeschränkt
geschützt (vgl. Ruß, aaO Rdn. 7). Im
Übrigen trifft es nicht zu, dass
die Rechte eines Eigentümers aus § 903 BGB durch die
Vorschriften des BtMG
völlig beseitigt werden. Zu diesen zählt das - durch
diese Vorschriften unberührte
- Recht auf Eigentumsaufgabe und Vernichtung (vgl. Palandt, BGB 62.
Aufl. § 903 Rdn. 5). Auch der Verbrauch selbst wird durch das
BtMG nicht verboten,
strafbar wäre insoweit nur der diesem vorausgehende Besitz.
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Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtslage
bei einer
Entziehung illegaler Drogen durch eine räuberische Erpressung.
Hätten die
Angeklagten bei dem Überfall die Filmdose nicht selbst
weggenommen, sondern
sich von der durch ein Messer bedrohten Geschädigten
herausgeben lassen,
wäre deren Vermögen nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs
ein Nachteil zugefügt worden, was die Annahme eines
Verbrechens der schweren
räuberischen Erpressung gerechtfertigt hätte (BGHR
StGB § 253 Abs. 1
Vermögenswert 3 m. w. N.).
c) Soweit Engel (aaO) darauf abstellt, ein Strafbedürfnis
wegen der Verletzung
fremden Eigentums entfalle schon deswegen, weil die Strafvorschriften
des Betäubungsmittelgesetzes eine ausreichende Ahndung
ermöglichten, ist
diese Argumentation bereits für sich dogmatisch
fragwürdig und übersieht zudem,
dass damit der Täter eines Drogendiebstahls oder gar eines
Drogenraubes
mit einem Käufer, der sich seinen Bedarf aus eigenen
Geldmitteln kauft,
auf eine Stufe gestellt wird, obgleich der Schuldgehalt nicht
vergleichbar ist.
Besonders augenfällig wird dies im hier zu entscheidenden
Fall, in dem - ohne
Berücksichtigung einer Strafmilderung nach
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB - der Strafdrohung
wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB mit einem
Strafrahmen
von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe nur eine
Strafdrohung
nach § 29 Abs. 1 BtMG von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis
zu fünf Jahren
gegenüberstehen würde.
Winkler Miebach von Lienen
Becker Hubert
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Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
__________________
StGB § 242 Abs. 1, § 259 Abs. 1
Illegal erworbene Drogen können tauglicher Gegenstand eines
Eigentumsdeliktes
sein.
BGH, Beschl. vom 20.09.2005 - 3 StR 295/05 - LG Flensburg |