Darstellung der BGH-Rechtsprechung zum Strafrecht ::     
 LINKWEG ::: inhalt / entscheidungen
 
BGH, Beschluss vom 21. April 2005 - 2 StR 124/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 21.4.2005 - 2 StR 124/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 124/05
vom
21.04.2005
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Diebstahls u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21.04.2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Köln vom 1. Dezember 2004 mit den Feststellungen,
ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in
Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine dagegen gerichtete
Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem
aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet
im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 3 -
Die Ausführungen des Landgerichts zur verminderten Schuldfähigkeit
als Grundlage für die Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus
begegnen durchgreifenden Bedenken.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in einem Fall den Zeugen
V. grundlos angegriffen und mit Faustschlägen traktiert, im anderen Fall dem
Zeugen B., der gerade fotografierte, überraschend die Kamera weggenommen
und - als dieser sie zurückverlangte - den Zeugen so geschlagen, daß dieser
einen Nasenbeinbruch erlitt. Das Landgericht ist - sachverständig beraten -
davon ausgegangen, daß der Angeklagte infolge einer hebephrenen Schizophrenie
nur eine "eingeschränkte Unrechtseinsicht im Sinne von § 21 StGB"
gehabt habe. Die Exploration des Angeklagten durch den Sachverständigen
habe eine Reihe psychopathologischer Auffälligkeiten von Gewicht - Zeitgitterstörungen,
Störungen des Abstraktionsvermögens, im formalen Denken und in
den verbalen wie nonverbalen Lern- und Gedächtnisleistungen - ergeben, die
auch in der Hauptverhandlung feststellbar gewesen seien. Die Antworten des
Angeklagten hätten nicht immer zu den gestellten Fragen gepaßt, er habe oft
heiter, läppisch und inadäquat reagiert. Da die Realitätswahrnehmung des Angeklagten
nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch nur gestört
nicht aber weitgehend aufgehoben sei, sei Schuldunfähigkeit auszuschließen.
Nach diesen Ausführungen bleibt schon unklar, was das Landgericht
unter einer eingeschränkten Unrechtseinsicht versteht. Eine eingeschränkte
oder verminderte Unrechtseinsicht gibt es nicht (Tröndle/Fischer, StGB
52. Aufl. § 21 Rdn. 3). Sollten die Ausführungen dahin zu verstehen sein, daß
das Landgericht von einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit des Angeklagten
ausgegangen ist, sind damit - was das Landgericht offenbar verkannt
- 4 -
hat - nicht ohne weiteres die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt. Bei der
Feststellung einer nur erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit bleibt offen, ob
diese im Einzelfall die Unrechtseinsicht tatsächlich ausgeschlossen hat oder
nicht. Beides ist bei der bloßen Verminderung der Fähigkeit möglich. Der Täter,
der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall
die Einsicht in das Unrecht gehabt hat, ist voll schuldfähig. Fehlte ihm die Einsicht
in das Unrecht seiner Tat, kann § 21 StGB nur angewendet werden, wenn
ihm dies vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift
§ 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr., vgl.
nur BGHSt 21, 27, 28 f.; 34, 22, 25 f.; 40, 341, 349; BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit
2 m.w.N.).
Die Sache bedarf schon aufgrund des unklaren Ansatzpunktes des Landgerichts
einer erneuten Prüfung. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen
Feststellungen nicht mit Sicherheit ausschließen, daß die Voraussetzungen
des § 20 StGB bei dem Angeklagten zu den Tatzeiten nicht vorlagen. Sollte
der neue Tatrichter feststellen, daß der Angeklagte Unrechtseinsicht hatte,
wird er auch die Frage einer krankheitsbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit
zu prüfen haben.
- 5 -
Die Schuldsprüche können danach keinen Bestand haben. Jedoch sind
die Feststellungen zum äußeren Tatbestand nicht von dem Rechtsfehler betroffen
und bleiben aufrechterhalten.
Rissing-van Saan RiBGH Detter ist wegen Bode
Eintritts in den Ruhestand
an der Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan
Otten Roggenbuck



:: freigabestatus allgemein    
             © 2010 - 2017 Peter Wiete • E-Mail:  info@wiete-strafrecht.de