BGH,
Beschl. v. 21.4.2009 - 3 StR 107/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 107/09
vom
21. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 21. April 2009 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 10. Juli 2008
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in
Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie des Besitzes
kinderpornographischer Schriften schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall III. 2. a) der
Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben;
jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei
Fällen sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn
Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision
beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarten der Angeklagte
sowie die Zeugen M. und O. , ein verdeckter Ermittler des LKA
Nordrhein-Westfalen, im Fall III. 2. a) der Urteilsgründe
("Türkeigeschäft") für unbekannt gebliebene
niederländische Hinterleute 200 kg Heroin aus der
Türkei nach Deutschland zu schmuggeln. Sie trafen sich am 21.
Juni 2006 im Büro des Angeklagten in Duisburg und besprachen
dort die Angelegenheit, wobei der Angeklagte an dem Gespräch
nicht aktiv teilnahm, ihm aber folgte und mit den getroffenen Abreden
einverstanden war. M. und O. vereinbarten, als Entlohnung einen Anteil
von 7% des Rauschgifts zu entnehmen. Sie planten, das Heroin
eigenständig zu verkaufen und den Erlös aufzuteilen,
wobei die Betäubungsmittel zunächst
gleichmäßig zwischen ihnen geteilt werden sollten
und der Angeklagte sodann von dem Anteil des M. einen geringeren Teil
erhalten sollte. Sie gingen davon aus, dass der Wirkstoffgehalt nicht
weniger als 10% betragen werde. Für den Transport sollte ein
von O. zu beschaffender LKW eingesetzt werden. Bei einem weiteren
Treffen am 18. Juli 2006, das erneut im Büro des Angeklagten
stattfand, erkundigte sich dieser nach dem Stand der Angelegenheit. Die
Bestätigung, dass die Sache laufe, nahm er erfreut zur
Kenntnis und verließ sodann den Raum. Als er wieder
zurückkam, teilte O.
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ihm mit, er werde ihm eine Bestätigung für die
Buchung der Fähre bringen oder faxen, damit M. sie abholen
könne. Damit war der Angeklagte einverstanden. Am 20. Juli
2006 faxte O. die entsprechende Bestätigung an den
Angeklagten; dieser sorgte dafür, dass M. sie abholte. An den
weiteren Vorbereitungen des Geschäfts beteiligten M. und O.
den Angeklagten nicht mehr. Der Angeklagte fragte auch nicht mehr nach.
Im August 2006 begab sich der Zeuge W. , bei dem es sich wie bei O. um
einen verdeckten Ermittler handelte, mit einem LKW nach Istanbul, um
die Betäubungsmittel entgegenzunehmen. Zu einer
Übergabe des Heroins kam es jedoch nicht.
1. Das Landgericht hat diesen Sachverhalt in Bezug auf die gesamte
Menge Heroin rechtlich als mittäterschaftlich begangenes
unerlaubtes Handeltreiben des Angeklagten mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a
Abs. 1 Nr. 2 BtMG) gewürdigt. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Angeklagte sei nicht lediglich Gehilfe
gewesen. Letztlich habe zwar ein unbekannter Empfänger die
Betäubungsmittel erhalten sollen. Der Angeklagte habe jedoch
aufgrund eines gemeinsamen Tatplans mehrere, nicht nur ganz
geringfügige Tatbeiträge geleistet.
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Dies hält sachlichrechtlicher Überprüfung
nicht stand. Die getroffenen Feststellungen belegen ein
täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nur
bezüglich des Anteils an dem zu schmuggelnden Heroin, der dem
Angeklagten selbst zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs
zukommen sollte. Im Übrigen ist die festgestellte Tat
für den Angeklagten lediglich als Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu
werten.
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a) Als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sind alle
Tätigkeiten anzusehen, die auf den Umsatz von Rauschgift
gerichtet sind; als tatbestandliche
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Handlungen sind damit im Grundsatz auch Tätigkeiten mit
primär unterstützendem Charakter erfasst (st. Rspr.;
vgl. BGHSt 50, 252, 256 ff.). Trotz dieser weiten Begriffsbestimmung
richtet sich die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe
indes nach den allgemeinen Regeln der §§ 25, 27 StGB
(vgl. BGHSt 51, 219, 221). Danach ist Mittäter, wer nicht nur
fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Beitrag derart in
eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass dieser als Teil der
Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als
Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein
Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den
gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind,
in wertender Betrachtung zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 2007, 531).
Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen
Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die
Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein;
Durchführung und Ausgang der Tat müssen somit
zumindest aus der subjektiven Sicht des Tatbeteiligten
maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. Dabei
deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv
darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; vgl. BGH
NStZ 2005, 228; vgl. auch Winkler NStZ 2008, 444 f.).
b) Nach diesen Maßstäben liegt ein
mittäterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge lediglich in Bezug
auf denjenigen Teil des Rauschgifts vor, den er nach der getroffenen
Vereinbarung von dem Anteil des M. erhalten sollte und sodann
eigenständig verkaufen wollte; denn nur insoweit sind ein
Tatinteresse und ein Wille zur Tatherrschaft festgestellt, die die
Bewertung rechtfertigen, der Angeklagte habe täterschaftlich
mit Betäubungsmitteln Handel getrieben. Aufgrund der in Rede
stehenden Menge und des Wirkstoffgehalts des Heroins ergibt sich
zwanglos, dass auch durch diese Teilmenge die Grenze zur nicht geringen
Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG deutlich
überschritten war. M. wollte sich
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3,5% von 200 kg, mithin 7 kg Heroin mit einem Wirkstoffanteil von 10%
(= 700 gr. HHCl) verschaffen. Selbst wenn der Angeklagte nach den
insoweit nicht völlig eindeutigen Feststellungen hiervon nur
einen "geringeren Teil" erhalten sollte, ist auszuschließen,
dass dieser so geringfügig sein sollte, dass der
Wirkstoffanteil unter der bei 1,5 gr. HHCl liegenden Grenze zur nicht
geringen Menge lag.
c) Hinsichtlich des übrigen Rauschgifts ergibt die
vorzunehmende Gesamtwürdigung dagegen, dass der Beitrag des
Angeklagten zu dessen Umsatz als Gehilfentätigkeit zu werten
ist. Wenn auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
die Entscheidung, ob die Tätigkeit eines an einem
Rauschgiftumsatz Beteiligten als Beihilfe oder
(Mit-)Täterschaft beim Handeltreiben zu bewerten ist, nicht
allein davon abhängig gemacht werden darf, ob er unmittelbar
am Erwerb oder Absatz der Betäubungsmittel beteiligt ist (vgl.
BGH NStZ 2008, 40, 41), so fällt doch zunächst ins
Gewicht, dass die Tätigkeiten des Angeklagten sowie von M. und
O. insgesamt nur dem Transport des Rauschgifts aus der Türkei
nach Deutschland dienen sollten und damit lediglich einen Teilbereich
des geplanten Geschäfts durch die niederländischen
Hintermänner betrafen. Den konkreten objektiven
Tatbeiträgen des Angeklagten im Rahmen dieser
Transporttätigkeit kam mit Blick auf ihre Bedeutung
für das Gesamtgeschäft eine lediglich untergeordnete
Bedeutung zu. Sie beschränkten sich auf die -
überwiegend passive - Teilnahme an vorbereitenden
Gesprächen, das Zurverfügungstellen des eigenen
Büros für die Unterhaltungen und die Entgegennahme
und Weiterleitung eines Faxes mit einer Buchungsbestätigung.
Auch der Grad des Interesses des Angeklagten an dem Geschäft
war eher gering. Dies wird zum einen dadurch belegt, dass der Gewinn,
der ihm nach den Vorstellungen der Beteiligten zukommen sollte, nicht
so hoch war wie derjenige von M. und O. . Zum anderen fragte er in der
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gezeit nur noch bei einem Treffen kurz nach dem geplanten
Geschäft, nahm die Antwort zur Kenntnis und kümmerte
sich sodann um dieses nicht mehr.
d) Mit den zwischen den Beteiligten getroffenen Absprachen war das
Handeltreiben jeweils bereits vollendet; denn dies setzt nicht voraus,
dass die zum Umsatz bestimmten Betäubungsmittel vorhanden
sind, objektiv zur Verfügung stehen oder gar sich schon im
Besitz des Täters befinden. Sieht der Täter wie hier
eine reelle Chance, sich die Drogen beschaffen zu können, so
ist die Tat vielmehr bereits mit der ernsthaft getroffenen Abrede
vollendet, die Betäubungsmittel sodann gewinnbringend weiter
zu veräußern; hieran ändert es nichts, wenn
die Erwartung des Täters später fehlschlägt
(vgl. Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 202, 261, 265 f. jeweils
m. w. N.).
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e) Das täterschaftliche Handeltreiben des Angeklagten mit der
ihm zu überlassenden Betäubungsmittelmenge und seine
Beihilfe zum Handeltreiben mit dem übrigen Rauschgift stehen
im Verhältnis der Tateinheit.
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2. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen
Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, die
ein täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten in Bezug
auf die gesamte Menge des Heroins belegen könnten; er
ändert deshalb den Schuldspruch selbst in entsprechender
Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht
dem nicht entgegen; denn der Angeklagte hätte sich gegen den
geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen verteidigen
können.
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3. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der in
diesem Fall verhängten, sich auf vier Jahre und sechs Monate
belaufenden Freiheitsstrafe; der Wegfall dieser Einzelstrafe, die
zugleich die Einsatzstrafe ist, zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe
nach sich. Da die festgestellten Strafzu-
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messungstatsachen von dem Wertungsfehler nicht betroffen sind,
können sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist nicht
gehindert, ergänzende Feststellungen - etwa zu der genauen
Menge des Rauschgifts, das dem Angeklagten selbst zum gewinnbringenden
Weiterverkauf zugedacht war - zu treffen, die indes zu den bisherigen
nicht in Widerspruch stehen dürfen.
Becker RiBGH von Lienen befindet Sost-Scheible
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Hubert Schäfer |