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BGH, Beschluss vom 21. August 2008 - 3 StR 255/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 21.8.2008 - 3 StR 255/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 255/08
vom
21.8.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 21.8.2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 10.3.2008 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern S. und M. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "vorsätzlichen Führens einer Waffe auf einer öffentlichen Veranstaltung sowie wegen Totschlags in Tateinheit mit dem vorsätzlichen Führen einer Waffe auf einer öffentlichen Veranstaltung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf eine Verfahrensrüge und sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der Angeklagte, der sich in Begleitung von zwei Freunden auf einem Volksfest befand, in eine körperli-
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che Auseinandersetzung mit drei Männern, darunter dem später getöteten Björn M. . Der aus nichtigem Anlass zwischen den durchweg alkoholisierten jungen Männern ausgebrochene Streit eskalierte, als die Gruppe um Björn M. dem Angeklagten und seinen Freunden nachlief und diese überraschend angriff. Nachdem ein Begleiter des Angeklagten geflohen und der andere durch einen Tritt bewegungsunfähig geworden war, stand der Angeklagte allein den drei Angreifern gegenüber, die mit vereinten Kräften auf ihn auch dann noch einschlugen, als er zu Boden gebracht worden war. Der Angeklagte empfand Todesangst und kotete ein. In dieser Situation zog er ein doppelseitig geschliffenes Messer mit einer Klinge von 18 Zentimetern Länge und bis zu zwei Zentimetern Breite hervor und stach damit in sitzender Haltung um sich. Dabei verletzte er die beiden Begleiter des Björn M. leicht. Sodann erhob sich der Angeklagte und stach dem Björn M. , der sich zu diesem Zeitpunkt vom Angeklagten abgewandt und seinen Angriff beendet hatte, das Messer mit erheblicher Wucht von hinten in den oberen Rückenbereich. Der mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz geführte Stich traf das Herz und führte dazu, dass Björn M. alsbald zusammenbrach und rücklings auf dem Boden lag. In dieser Situation versetzte ihm der Angeklagte noch weitere, für sich genommen nicht tödliche Stiche. Aufgrund der Herzwunde verstarb das Opfer.
Das Landgericht hat die Verletzungen der Begleiter des Björn M. als durch Notwehr gerechtfertigt angesehen, hinsichtlich der Tötung aber eine Notwehrsituation ebenso verneint wie die Voraussetzungen für eine Putativnotwehr. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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Der Strafausspruch hält hingegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht seine Überzeugung von der - jedenfalls nicht erheblich verminderten - Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat nur unzureichend begründet hat.
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Das Landgericht war der Ansicht, die Schuldfähigkeit sei "mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für konkurrierende Gründe allein unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer krankhaften seelischen Störung zu diskutieren", und hat dazu ausgeführt, der vor der Tat vom Angeklagten gemeinsam mit einem Freund genossene "Joint" und die aufgrund einer Blutprobe ermittelte Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 1,23 %o hätten die Steuerungsfähigkeit nicht erheblich beeinträchtigt. Diese auf die Intoxikation mit Rauschmitteln beschränkte Betrachtung lässt wesentliche Gesichtspunkte außer Acht. So hat sich der Angeklagte, der schon frühzeitig durch Aggressionen aufgefallen war, bereits dreimal in stationärer jugendpsychiatrischer Behandlung befunden und ist in der Vergangenheit mehrfach wegen Raubes, räuberischer Erpressung und Körperverletzungen zu erheblichen Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt worden. Unmittelbar vor der Tat hatte er - was die Kammer zur Begründung eines minder schweren Falles des Totschlags nach § 213 StGB herangezogen hat - Todesangst empfunden und daraufhin eingekotet. Diese Umstände hätten bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit erörtert werden müssen, weil sie - auch wenn eine Persönlichkeitsstörung bzw. eine affektive Einengung für sich genommen die Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt hätten - jedenfalls im Zusammenwirken mit der festgestellten Alkoholisierung eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB bewirkt haben konnten (vgl. BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3).
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Der Schuldspruch bleibt von dem Fehler unberührt. Der Senat schließt aus, dass der neue Tatrichter bei der Prüfung der Schuldfähigkeit, für die sich schon wegen der früheren stationären Behandlungen des Angeklagten die Hinzuziehung eines Sachverständigen empfehlen wird, zur Annahme der Voraussetzungen des § 20 StGB gelangen kann. Um eine einheitliche Straffestsetzung zu ermöglichen, hat der Senat auch die - von der rechtsfehlerhaften Beurteilung des Zustands des Angeklagten während des Tötungsdelikts nicht betroffene - Einzelstrafe wegen des Waffendelikts aufgehoben.
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Becker RiBGH Dr. Miebach befindet Pfister
sich in Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
von Lienen Sost-Scheible



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