BGH,
Beschl. v. 21.1.2000 - 3 StR 367/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 367/99
vom
21. Januar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zur Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführerin am 21. Januar 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Lübeck vom 2. September 1998 wird als unbegründet
verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren erwachsenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte (unter ihrem damaligen Namen R. )
wegen Beihilfe zur Vergewaltigung in Tateinheit mit Beihilfe zum
sexuellen Mißbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die allgemein auf die
Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte
Revision bleibt ohne Erfolg, da die Nachprüfung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Nach den Feststellungen führte der Mitangeklagte D. , dessen
Revision als verspätet verworfen worden ist, mit der damals
noch nicht 12 Jahre alten Tochter der Angeklagten gegen deren Willen
den Geschlechtsverkehr aus. "Da die Zeugin sich wehrte, wurde sie
während dessen von der Angeklagten R. festgehalten, damit der
Angeklagte D. den Geschlechtsverkehr vollziehen konnte" (UA S. 8).
1. Soweit das Landgericht den Haupttäter deshalb wegen
Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 StGB a.F.) in Tateinheit mit
schwerem sexuellen Mißbrauch verurteilt hat, ist dies
insoweit rechtsfehlerhaft, als § 176 a StGB zur Tatzeit noch
nicht galt, diese Vorschrift im konkreten Fall auch nicht das
gegenüber § 176 Abs. 3 StGB a.F. mildere Recht
darstellt (zu einer hier nicht vorliegenden Ausnahme vgl. BGH NStZ
2000, 49) und nicht innerhalb einer Tat sowohl altes auch auch neues
Recht angewendet werden darf.
Zum Nachteil der Angeklagten hat sich dieser Fehler nicht ausgewirkt.
Die Urteilsformel bedarf keiner Korrektur, da das Landgericht dort das
tateinheitlich verwirklichte Delikt nur als sexuellen
Mißbrauch eines Kindes bezeichnet hat. Soweit sich aus den
Gründen ergibt, daß das Landgericht entgegen der
Urteilsformel doch von schwerem sexuellen Mißbrauch
gemäß dem erst durch das 6. StrRG in das StGB
eingefügten § 176 a ausgegangen ist, kann ein Beruhen
des Urteils ausgeschlossen werden: Das Landgericht hat die Strafe dem
nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten
Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB a.F. entnommen. Auf
§ 176 a StGB hat es nur zur Begründung abgestellt,
warum sich die Tat nicht als minder schwerer Fall einer Vergewaltigung
darstellt. Dies hätte es ebenso mit dem tateinheitlich
verwirklichten sexuellen Mißbrauch eines Kindes, bei dem das
Regelbeispiel eines besonders schweren Falles (§ 176 Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 StGB a.F.) verwirklicht ist, begründen
können. Die durch § 176 a StGB von zehn Jahre auf 15
Jahre erhöhte Höchststrafe ist hierbei ohne Bedeutung
gewesen.
2. Auch im übrigen ist der Bestand des Urteils durch die
Anwendung von § 177 Abs. 1 StGB a.F. nicht gefährdet.
Zwar kann sich in der vorliegenden Konstellation das neue Recht, also
§ 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 33. StrÄndG
bzw. § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 6. StrRG, als
das mildere Recht erweisen, weil nunmehr eine
mittäterschaftliche Begehung einer Vergewaltigung dann nicht
in Betracht kommt, wenn der Täter nicht selbst den Beischlaf
oder eine ähnliche, das Opfer besonders erniedrigende Handlung
ausführt (BGH NStZ 1999, 452), während es nach altem
Recht genügte, daß sich das
tatbestandsmäßige Verhalten des Mittäters
auf eine Nötigungshandlung beschränkte, die einem
anderen den Beischlaf ermöglichte (BGHSt 27, 205, 206; BGH
NStZ 1985, 71, 72; BGH bei Miebach NStZ 1994, 222, 224; BGHR StGB
§ 177 I Mittäter 1), und die Angeklagte deshalb bei
Anwendung des alten Rechts naheliegend als (Mit)Täterin einer
Vergewaltigung zu verurteilen gewesen wäre, während
sie nach neuem Recht nur (Mit)Täterin einer sexuellen
Nötigung hätte sein können. Durch die
Annahme von Gehilfenschaft und die vom Landgericht vorgenommene
Strafrahmenverschiebung ist die Angeklagte aber jedenfalls weder im
Schuld- noch im Strafausspruch beschwert.
3. Ob das Verfahren in der Weise verzögert worden ist,
daß wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz
1 MRK eine konkret bestimmte Ermäßigung der Strafe
hätte erfolgen müssen (vgl. BVerfG NStZ 1997, 591;
BGHR StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH
NStZ 1999, 181, 182; BGH, Urt. vom 10. November 1999 - 3 StR 361/99 zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmtGRE>), braucht der
Senat nicht zu entscheiden. Eine wirksame Zustellung des am 2.
September 1998 verkündeten Urteils ist erst auf entsprechende
Anregung des Generalbundesanwalts am 28. September 1999 erfolgt.
Daraufhin hat der Verteidiger erneut eine Revisionsbegründung
abgegeben. Ein Fall, in dem eine Verfahrensverzögerung erst
nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten und dem
Beschwerdeführer deshalb eine entsprechende Rüge
nicht möglich ist, liegt demnach nicht vor. Deshalb
hätte es einer Verfahrensrüge bedurft (vgl. BGHR StGB
§ 46 II Verfahrensverzögerung 12; BGH NStZ 1999, 313;
BGH, Urt. vom 10. November 1999 - 3 StR 361/99 zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmtGRE>). Eine solche
Rüge ist nicht erhoben worden.
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen |