BGH,
Beschl. v. 21.7.2006 - 2 ARs 302/06 2 AR 89/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 302/06
2 AR 89/06
vom
21.7.2006
in der Bewährungssache
wegen Diebstahls
Az.: 50 StVK 138/06 Landgericht Braunschweig
Az.: 15 VRs 517/99 Staatsanwaltschaft Bonn
Az.: StVK 807/01 Landgericht Köln
Az.: 91 Ws 46/06 Generalstaatsanwaltschaft Köln
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts am 21.07.2006 beschlossen:
Zuständig für die nachträglichen
Entscheidungen über die Strafrestaussetzung zur
Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Braunschweig.
Gründe:
I.
Die Vollstreckung der Strafreste aus den Urteilen des Amtsgerichts Bonn
vom 11. November 1999 und des Amtsgerichts Linz/Rhein vom 2.10.2001
wurde von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln
mit Beschluss vom 8. Januar 2002 zur Bewährung ausgesetzt. Die
Bewährungszeit von zunächst drei Jahren wurde durch
Beschlüsse vom 3. Februar 2003 und vom 13. April 2004 um sechs
Monate bzw. um ein Jahr verlängert. Am 1. Februar 2005 bildete
das Amtsgericht Bonn durch Beschluss eine nachträgliche
Gesamtstrafe von sieben Monaten aus den Strafen aus den Urteilen des
Amtsgerichts Bonn vom 11. November 1999 und des Amtsgerichts Linz vom
2. Oktober 2001, welche es für zwei Jahre zur
Bewährung aussetzte. Die Auflagen aus dem
Bewährungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 8.
Januar 2002 wurden aufrechterhalten. Vom 21. März bis zum 1.
April 2005 verbüßte der Verurteilte eine
Ersatzfreiheitsstrafe in den Justizvollzugsanstalten Braunschweig und
Peine, also im Bezirk der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Braunschweig.
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Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte am 20.09.2005 bei der
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln den Widerruf
der Reststrafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des
Amtsgerichts Bonn vom 11. November 1999 beantragt, weil der Verurteilte
am 26. Mai 2005 vom Amtsgericht Braunschweig zu einer Freiheitsstrafe
von vier Monaten verurteilt worden war. Diesen Antrag nahm die
Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 4. Januar 2006
zurück, weil die der nachträglichen Verurteilung
zugrunde liegende Tat nach dem Gesamtstrafenbeschluss vom 1. Februar
2005 begangen worden war. Am 7.10.2005 ging beim Landgericht
Köln die Ablichtung einer Anklage der Staatsanwaltschaft
Braunschweig vom 20.09.2005 wegen eines am 15.06.2005 begangenen
Diebstahls ein. In diesem Verfahren ist der Verurteilte am 5. Dezember
2005 vom Amtsgericht Braunschweig rechtskräftig zu einer
Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt worden. Am 23. Dezember 2005
wurde der Verurteilte zur Verbüßung der
Freiheitsstrafe von vier Monaten aus dem Urteil vom 26. Mai 2005 in der
Justizvollzugsanstalt Braunschweig aufgenommen.
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Das Landgericht Köln hat am 9. Januar 2006 die Sache der
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig zwecks
Übernahme vorgelegt. Das Landgericht Braunschweig hat die
Übernahme abgelehnt, weil die
Fortwirkungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer durch
den Beginn des Strafvollzugs in einer anderen Sache nicht beendet
werde. Erst wenn das Gericht nach der Aufnahme des Verurteilten in die
neue Justizvollzugsanstalt erneut mit einer Strafvollstreckungssache
befasst werde, sei die Strafvollstreckungskammer zuständig, in
deren Bezirk die neue Justizvollzugsanstalt liege, wenn sich der
Verurteilte zu diesem Zeitpunkt noch in deren Bezirk in Strafhaft
befinde. Das Landgericht Köln hat daraufhin die Sache dem
Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts
vorgelegt.
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II.
Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Braunschweig. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts Köln endete mit dem Gesamtstrafenbeschluss
des Amtsgerichts Bonn vom 1. Februar 2005. Die Strafe aus dem Urteil
des Amtsgerichts Bonn vom 11. November 1999 bestand danach nicht mehr
und die von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Köln beschlossene Aussetzung der Vollstreckung des Restes
dieser Strafe hatte ihre Grundlage verloren. Für die weitere
Überwachung des Verurteilten war danach das Amtsgericht Bonn
zuständig (vgl. Senatsbeschluss vom 5. August 1981 - 2 ARs
208/81).
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Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bonn für die
Bewährungsüberwachung als erstinstanzliches Gericht
endete mit der Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt
Braunschweig zwecks Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe am 21.
März 2005 (vgl. BGHSt 30, 223). Zu diesem Zeitpunkt wurde die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig für
die im Rahmen der Bewährungsaufsicht zu treffenden
Entscheidungen zuständig. Die Zuständigkeit zwischen
dem Gericht des ersten Rechtszuges und der Strafvollstreckungskammer
ist in § 462 a StPO besonders geregelt. Danach hat die
Strafvollstreckungskammer bei Vollstreckung einer Freiheitsstrafe den
Vorrang. Ihr obliegen die nachträglichen Entscheidungen,
sobald gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird
(BGHSt 26, 118; 26, 187, 189 f.; 30, 189, 192; BGHR StPO § 462
a Abs. 1 Befasstsein 2). Nach dem Konzentrationsgrundsatz des
§ 462 a Abs. 4 Satz 3 StPO obliegen ihr nicht nur die
Vollstreckung der Strafe, die der Verurteilte in ihrem Bezirk
verbüßt, sondern auch die
Bewährungsüberwachung und die insoweit zu treffenden
Entscheidungen hinsichtlich sonstiger ausgesetzter Strafen oder
Strafreste. Dies gilt im Verhältnis zum erstinstanzlichen
Gericht auch hinsichtlich solcher Entscheidungen, mit
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denen dieses zum Zeitpunkt des Strafantritts bereits befasst war (vgl.
BGH a.a.O.). Der Übergang der Zuständigkeit auf die
Strafvollstreckungskammer hängt nicht davon ab, ob zum
Zeitpunkt der Inhaftierung eine Entscheidung ansteht (BGHSt 30, 223,
224), und sie endet auch nicht mit der Entlassung des Verurteilten aus
der Justizvollzugsanstalt. Hingegen erfolgt der Übergang der
örtlichen Zuständigkeit von einer
Strafvollstreckungskammer auf eine andere mit der Aufnahme des
Verurteilten in der anderen Justizvollzugsanstalt, soweit nicht die
zunächst zuständig gewesene Strafvollstreckungskammer
bereits konkret mit einer bestimmten Frage befasst war, über
die sie dann noch zu entscheiden hat. Die zunächst
zuständig gewesene Strafvollstreckungskammer bleibt nicht etwa
solange zuständig, bis eine andere Strafvollstreckungskammer
tatsächlich mit einer bestimmten Frage befasst wird (vgl.
Senatsbeschluss vom 15.10.2003 - 2 ARs 334/03; BGH NStZ 2001, 165;
1984, 380).
Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts Braunschweig ist auch nicht dadurch entfallen, dass der
Verurteilte am 23. Dezember 2005 wieder in Strafhaft gekommen ist. Denn
er wurde wieder in der Justizvollzugsanstalt Braunschweig aufgenommen,
so dass keine Verlagerung der örtlichen Zuständigkeit
der Strafvollstreckungskammer erfolgt ist. Selbst wenn der Verurteilte
in einer Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk
seine Strafe angetreten hätte, wäre die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig hier
für eine Entscheidung über den Widerruf oder die
Verlängerung der Bewährungszeit aus Anlass der
Verurteilung vom 5. Dezember 2005 noch zuständig, weil sie
bereits vor dem neuen Strafantritt mit dieser Sache befasst war. Eine
Befassung mit der Sache im Sinne des § 462 a Abs. 1 Satz 1
StPO trat hier am 7.10.2005 ein, als die Anklage vom 20.09.2005 zu den
Bewährungsakten des nicht mehr zuständigen
Landgerichts Köln gelangte. Für das Befasstsein der
Strafvollstreckungskammer genügt es nämlich, wenn die
eine Entscheidung notwendig ma-
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chenden Unterlagen bei einem Gericht eingehen, das für die
Entscheidung zuständig sein kann (BGHR StPO § 462 a
Abs. 1 Befasststein 8). Zu diesem Zeitpunkt ergibt sich von Amts wegen
das Erfordernis, wegen der neuen Straftat über einen Widerruf
der Bewährung oder eine Verlängerung der
Bewährungszeit zu entscheiden. Für diese Entscheidung
bliebe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig
deshalb auch bei späterer Aufnahme des Verurteilten in eine
Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk
zuständig.
Otten Rothfuß Fischer
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