BGH,
Beschl. v. 21.6.2005 - 4 StR 28/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 28/05
vom
21.06.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21.06.2005
gemäß § 349 Abs. 2
und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Landau in der Pfalz vom 3. September
2004 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung (Fall
II. 18), Förderung sexueller Handlungen
Minderjähriger (Fall II. 19), sexueller
Nötigung, sowie wegen weiterer Straftaten, insbesondere wegen
Verstößen
gegen das Betäubungsmittelgesetz, unter Freisprechung im
übrigen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und einem Monat verurteilt.
Desweiteren
hat es eine Verfallsanordnung getroffen und die Einziehung verschiedener
Gegenstände angeordnet. Ferner hat es dem Angeklagten die
Fahrerlaubnis
entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt,
daß ihm vor Ablauf
von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
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Die vom Angeklagten gegen das Urteil eingelegte, auf die allgemeine
Sachrüge gestützte Revision hat nur zum
Maßregelausspruch Erfolg; im übrigen
ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Auch der Schuldspruch wegen Förderung sexueller Handlungen
Minderjähriger
gemäß § 180 Abs. 1 StGB im Fall II. 19 der
Urteilsgründe hält rechtlicher
Überprüfung stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte
gemeinsam mit der 15jährigen Geschädigten in die
Wohnung des dem Mädchen
nur flüchtig bekannten, 42 Jahre alten Nordin S. . Dort
entkleideten
der Angeklagte und S. gemeinsam die Geschädigte. Nachdem
zunächst
der Angeklagte sexuelle Handlungen an dem Mädchen vorgenommen
hatte,
führte Nordin S. nach Aufforderung und möglicherweise
in Gegenwart des
Angeklagten, der sich nicht ausschließbar hierdurch selbst
sexuell erregen
wollte, den Geschlechtsverkehr mit der 15Jährigen durch (UA 19
und 45).
a) Die Wertung des Landgerichts, dieses Verhalten des Angeklagten
erfülle
den Tatbestand der Förderung sexueller Handlungen
Minderjähriger gemäß
§ 180 Abs. 1 (Nrn. 1 und 2) StGB, ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Entscheidend
ist, daß der Angeklagte durch die Zuführung der
15jährigen Geschädigten
zu dem ihr nur oberflächlich bekannten Nordin S. zum Zwecke
der Durchführung sexueller Handlungen dessen sexuellen
Handlungen an der
Minderjährigen Vorschub leistete. In dieser Förderung
fremder Sexualität ist
nach dem Wortlaut und dem Schutzzweck des Gesetzes - der
ungestörten sexuellen
Entwicklung von Jugendlichen (Lenckner/Perron in
Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 180 Rdn. 1 m.w.N.) - die
Strafwürdigkeit begründet.
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b) Einer Strafwürdigkeit steht nicht entgegen, daß
der Angeklagte über
die Förderung fremder sexueller Handlungen hinaus zugleich
eigene sexuelle
Zwecke verfolgte und seine eigenen Handlungen mit der Jugendlichen im
Zweipersonenverhältnis - abgesehen von den Fällen des
§ 176 StGB und
§ 182 StGB, die hier nicht vorliegen - straflos
wären. Entgegen der Ansicht der
Revision ergibt sich daraus kein Wertungswiderspruch, der zu einer
Eingrenzung
des Tatbestandes des § 180 Abs. 1 StGB auf Fallkonstellationen
zwingen
würde, in denen sich der Täter nicht zugleich selbst
straflos an den sexuellen
Handlungen mit dem Jugendlichen beteiligt.
§ 180 Abs. 1 StGB i.d.F. des 4. Strafrechtsreformgesetzes
bestraft als
Nachfolgevorschrift der "Kuppelei" (nur noch) die Förderung
fremder Sexualkontakte
mit Personen unter 16 Jahren. In Abgrenzung zu dem eingriffsintensiveren
§ 182 StGB hat der Gesetzgeber durch die Tathandlung des
"Vorschubleistens"
in § 180 Abs. 1 StGB die Beihilfe zu fremden Sexualkontakten
mit Jugendlichen
zu einem selbständigen Tatbestand erhoben, und zwar
unabhängig
von der strafrechtlichen Beurteilung des geförderten sexuellen
Geschehens für
die direkt daran Beteiligten (vgl. Renzikowski in MünchKomm
StGB § 180
Rdn. 7 und 20 m.w.N.). Anders als bei § 182 StGB kommt es bei
§ 180 StGB
nicht darauf an, daß eine Zwangslage des jugendlichen Opfers
(§ 182 Abs. 1
StGB) oder die altersbedingte Unreife von einem älteren
Sexualpartner (§ 182
Abs. 2 StGB) ausgenutzt wird. Nach der gesetzlichen Begründung
soll durch
den Tatbestand des § 180 StGB bereits verhindert werden,
daß Jugendliche
von Dritten mißbräuchlich in sexuelle Handlungen
hineingezogen und dadurch
der Gefahr einer Fehlentwicklung auf sexuellem Gebiet ausgesetzt werden
(Bericht des Sonderausschusses BTDrucks. VI/3521 S. 42; vgl. BRDrucks.
489/70 S. 22). Die Motive des Täters für die
Förderung des Sexualkontakts des
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Dritten sind danach gleichgültig (vgl. schon BGHSt 11, 94, 96
zu § 180 StGB
a.F.; Renzikowski aaO Rdn. 22 m.w.N.; anders Lenckner/Perron aaO Rdn.
3).
Für die von der Revision angestrebte Einschränkung
des Tatbestandes ist aus
Gründen des Jugendschutzes deshalb kein Raum. Sie
würde überdies zu dem
untragbaren Ergebnis führen, daß der sich auf das
"Vorschubleisten" beschränkende
Täter nach § 180 Abs. 1 StGB strafbar wäre,
hingegen derjenige
Täter, der sich selbst an den sexuellen Handlungen des Dritten
mit dem Jugendlichen
beteiligt oder das Vorschubleisten zum Zwecke der Befriedigung
eigener Sexualität unternommen hätte, straflos
wäre (vgl. Renzikowski aaO;
Wolters/Horn in SK StGB § 180 Rdn. 4).
2. Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat
hingegen
keinen Bestand.
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe im
Fall
II. 18 der Urteilsgründe sein Fahrzeug auch dazu benutzt, um
mit der Geschädigten
an eine abgelegene Stelle zu fahren und diese dort unter Ausnutzung
"der besonderen Umstände eines Pkw als eng umgrenztem,
umschlossenen
Raum" gewaltsam zum Oralverkehr zu zwingen. Er habe diese Straftat
deshalb
auch unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers
begangen und
sich hierdurch zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet
erwiesen
(UA 60).
Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht. Zutreffend ist
zwar
der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß dem
Täter die Fahrerlaubnis
nach § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen in der Tat zutage getretener
mangelnder Eignung auch dann zu entziehen ist, wenn kein typisches Ver-
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kehrsdelikt vorliegt, sondern wenn die im Zusammenhang mit dem
Führen eines
Kraftfahrzeugs begangene Straftat der allgemeinen Kriminalität
zuzurechnen
ist - sog. Zusammenhangstat - (vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1
Entziehung 8,
13). Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB
aufgeführten
rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand,
daß der Täter ein
Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits
eine Regelvermutung
für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum
Führen von Kraftfahrzeugen.
Deshalb verlangt die Rechtsprechung, daß die
Anlaßtat tragfähige
Rückschlüsse darauf zuläßt,
daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des
Straßenverkehrs
seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (vgl. BGH,
Beschluß vom 27.04.2005 - GSSt 2/04 - zur
Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
Der Tatrichter muß sich die Überzeugung verschaffen,
daß der Täter
bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über
die im Verkehr gebotene
Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Dies ist anhand
konkreter
Umstände festzustellen, die sich aus der Tat unter
Berücksichtigung der
Täterpersönlichkeit ergeben. Dabei sind auch
Umstände aus dem Vorleben
des Täters oder seine Tatvorbereitung in die Beurteilung
einzubeziehen, sofern
sich daraus tragfähige Schlüsse auf eine
mögliche Gefährdung der Verkehrssicherheit
im Zusammenhang mit der Anlaßtat ziehen lassen (BGH aaO).
Diesen Anforderungen genügt die Würdigung, mit der
das Landgericht
die Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB
begründet
hat, nicht. Allein der Umstand, daß der Angeklagte seinen Pkw
dazu verwendete,
die Geschädigte, die den Angeklagten einverständlich
im Fahrzeug begleitete,
zu einem abgelegenen Feldweg zu verbringen, um dort gegen ihren Willen
den Oralverkehr im Pkw zu erzwingen, läßt -
unbeschadet der vom Angeklagten
angewandten List - weder eine Verletzung seiner Pflichten als Kraft-
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fahrzeugführer noch, was bei Anordnung der Maßregel
bei allen Varianten des
§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlich ist, ohne weiteres
verkehrssicherheitsrelevante
charakterliche Mängel des Angeklagten erkennen.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher
Prüfung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht
auszuschließen, daß sich
aufgrund der neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben
können, die
eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB
rechtfertigen
und deshalb den Maßregelausspruch tragen können.
Insoweit könnte insbesondere
von Bedeutung sein, daß der Angeklagte vor Benutzung seines
Kraftfahrzeugs
möglicherweise Betäubungsmittel konsumiert hatte.
Der Senat war trotz des weitergehenden, auf Entfall der
Maßregel gerichteten
Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im
Beschlußwege
wie geschehen zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluß vom 10.
Februar 2004
- 4 StR 24/04).
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovi Sost-Scheible
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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StGB §§ 180 Abs. 1, 69 Abs. 1
1. Der Tatbestand des § 180 Abs. 1 StGB ist auch dann
erfüllt, wenn der
Täter nicht nur fremden sexuellen Handlungen Vorschub leistet,
sondern
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zugleich auch eigene sexuelle Handlungen an der minderjährigen
Person
vornehmen will.
2. Verbringt der Täter das Tatopfer unter Anwendung einer List
in seinem
Fahrzeug zu einem abgelegenen Ort, um dort eine Sexualstraftat zu
begehen,
so erweist er sich allein dadurch noch nicht als ungeeignet
für das
Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1
Satz 1 StGB (im Anschluß
an BGH, Beschluß vom 27.04.2005 - GSSt 2/04).
BGH, Beschluß vom 21.06.2005 - 4 StR 28/05 - Landgericht
Landau i. d.
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