BGH,
Beschl. v. 21.6.2007 - 3 StR 180/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 180/07
vom
21. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Mordes u. a.
zu 2.: gefährlicher Körperverletzung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der
Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 21. Juni 2007 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 8. November 2006
a) bezüglich des Angeklagten O.
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen
Totschlags und wegen gefährlicher Körperverletzung
verurteilt ist, sowie im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben;
b) bezüglich des Angeklagten M.
aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen - mit Ausnahme der
Feststellung zur fehlenden Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers -
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen Mordes und wegen
gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger
Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen den Angeklagten M.
hat es wegen gefährlicher Körperverletzung eine
Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Die Revisionen der
Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten die beiden Angeklagten
sowie der später getötete N. im selben Anwesen. Am
Tattag gerieten die Männer in alkoholisiertem Zustand
untereinander in Streit. Deshalb schlug zuerst der Angeklagte O. dem
Angeklagten M. mit einer Pistole mehrfach heftig auf den Kopf, so dass
dieser eine Schädelprellung und eine Orbitabodenfraktur
erlitt. Im Anschluss daran unterhielten sich die beiden Angeklagten
über N. . Der Angeklagte M. erzählte wahrheitswidrig,
es sei N. gewesen, der Stunden zuvor die Polizei in das Haus gerufen
hatte. Der Angeklagte O. erzählte, dass N. entgegen seinen
Beteuerungen noch nichts unternommen habe, um seine Schulden beim
Angeklagten M. zu begleichen. Auf diese Weise gerieten beide
Angeklagten über N. in Wut. Zuerst schlug einer von ihnen -
welcher Angeklagte es war, hat die Kammer nicht klären
können - auf N. ein, der dadurch eine Kopfplatzwunde erlitt.
Nach einiger Zeit schlugen beide Angeklagte in wechselseitigem
Einverständnis mit den Handlungen des jeweils anderen auf N.
ein. Als dieser deswegen zu Boden stürzte, trat der Angeklagte
O. mit seinen Springerstiefeln auf ihn ein und versetzte ihm
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zehn wuchtige Tritte gegen Kopf und Rippen. Auch der Angeklagte M. trat
N. mindestens einmal gegen den Brustkorb. Dieser verstarb an den
dadurch hervorgerufenen Verletzungen. Bei den Tritten gegen Kopf und
Körper des Opfers erkannte der Angeklagte O. , dass dieses
dadurch zu Tode kommen konnte, und nahm eine solche Entwicklung auch
billigend in Kauf. Beim Angeklagten M. hat das Landgericht hingegen
nicht feststellen können, dass der Tod des N. für ihn
vorhersehbar war, obwohl er um die "Gefährlichkeit" der Tritte
wusste.
1. Die Verurteilung des Angeklagten O. wegen (grausam sowie aus
niedrigen Beweggründen begangenen) Mordes hält
rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
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a) Grausam tötet, wer seinem Opfer in gefühlloser,
unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher
oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder
Dauer über das für die Tötung erforderliche
Maß hinausgehen. Die besonderen Leiden müssen sich
aus der Tatausführung ergeben. Das Landgericht hat indes bei
der Beurteilung der Tat als grausam auch Umstände
berücksichtigt, die noch nicht bzw. nicht mehr im Zusammenhang
mit Tötungshandlungen standen. Die von einem der Angeklagten
verursachte Kopfplatzwunde war noch nicht vom Tötungsvorsatz
umfasst. Die nach den Fußtritten am Opfer vorgenommenen
Handlungen der Angeklagten waren zwar äußerst
widerwärtig, führten aber nicht zu weiteren
Verletzungen. Dass der Angeklagte O. dabei weiterhin den Tod des N.
billigend in Kauf genommen hätte, ist nicht festgestellt und
liegt auch nicht nahe. Die eigentlichen Tötungshandlungen
dauerten nur bis zum Eingreifen eines Tatzeugen und waren deshalb nahe
liegend nur von kürzerer Dauer. Entgegen der
Würdigung des Land-
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gerichts hat sich das zur Beurteilung der Grausamkeit relevante
Tatgeschehen deshalb nicht über einen längeren
Zeitraum hingezogen.
b) Aus niedrigen Beweggründen tötet, wessen Motive
zur Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung
verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen. Das Landgericht hat
darauf abgestellt, der Angeklagte habe die Tat aus Verärgerung
über die Einschaltung der Polizei durch das Opfer begangen,
dies stelle einen "absolut nichtigen und nicht nachvollziehbaren
Anlass" für die Tat dar, mit der er "seine besondere
Geringschätzung des Lebensrechts des N. zum Ausdruck gebracht"
habe.
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Eine über die Benennung des Motivs hinausgehende
Konkretisierung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Umschreibung
des Mordmerkmals nimmt das Landgericht nicht vor. Es fehlt die
erforderliche Gesamtwürdigung, die alle für die
Handlungsantriebe des Angeklagten maßgeblichen Faktoren, die
Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des
Angeklagten und seine Persönlichkeit einschließt
(vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 9
ff. m. w. N.). Zudem fehlt es an Feststellungen zu den subjektiven
Erfordernissen des Mordmerkmals. Hierzu gehört, dass der
Täter die Umstände, welche die Niedrigkeit der
Beweggründe ausmachen, ins Bewusstsein aufgenommen hat und
dass er, soweit bei der Tat gefühlsmäßige
oder triebhafte Regungen eine Rolle spielen, in der Lage war, sie
gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu
steuern (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe
6 und 12 jeweils m. w. N.).
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Das Landgericht lässt somit unerörtert, dass der
Angeklagte und das Tatopfer bislang ohne Konflikte im selben Haus
gewohnt hatten, dass der Angeklagte aufgrund einer wahrheitswidrigen
Beschuldigung aufgebracht war und
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sich spontan zu einer Gewalttat hat hinreisen lassen, deren Ziel nicht
die Tötung des Opfers war, und dass der Angeklagte dabei
infolge vorangegangenen Alkoholkonsums und einer
Persönlichkeitsstörung in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
c) Der Senat schließt aus, dass der neue Tatrichter unter den
gegebenen Umständen Mordmerkmale rechtsfehlerfrei wird
feststellen können, und ändert deshalb den
Schuldspruch. Dies führt zur Aufhebung der lebenslangen
(Einzel)Freiheitsstrafe, der Gesamtstrafe und des
Maßregelausspruchs. Die Einzelstrafe von vier Jahren
für die gefährliche Körperverletzung zum
Nachteil des Angeklagten M. hat ebenfalls keinen Bestand. Zum einen ist
nicht auszuschließen, dass sich die Strafe für die
Tötung auf sie ausgewirkt hat, zum anderen könnten
der Versagung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49
Abs. 1 StGB Bedenken entgegenstehen (vgl. dazu nachstehend 3.). Der
Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ist
hingegen rechtsfehlerfrei und kann bestehen bleiben.
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2. Die Verurteilung des Angeklagten M. hält rechtlicher
Überprüfung ebenfalls nicht Stand.
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a) Der Rechtsfolgenausspruch muss aufgehoben werden, weil das
Landgericht bei der konkreten Strafzumessung eine wegen der
verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in Betracht
kommende Verschiebung des Strafrahmens nach §§ 21, 49
Abs. 1 StGB nicht erörtert hat. Eine Fallbesonderheit, bei der
ausnahmsweise hierauf hätte verzichtet werden können,
liegt nicht vor. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Angeklagte
vor der Tat Alkohol zu sich genommen hatte (zur Versagung der
Strafmilderung in Fällen verschuldeter Trunkenheit vgl. BGHSt
49, 239; Senat BGHR StGB § 21 Strafrahmen-
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verschiebung 31, 33), denn die Schuldfähigkeit des Angeklagten
war nicht allein wegen des zuvor genossenen Alkohols, sondern wegen
eines Zusammenwirkens mit einer
Persönlichkeitsstörung und der
möglicherweise kurz vor der Tat durch den Angeklagten O.
verursachten Gehirnerschütterung erheblich
eingeschränkt.
b) Dies führt hier auch zur Aufhebung des Schuldspruchs.
Dieser ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer eine Strafbarkeit des
Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§
227 StGB) abgelehnt hat, obwohl der Angeklagte nach ihrer
Überzeugung die Körperverletzung mittels einer das
Leben gefährdenden Behandlung verübte (§ 224
Abs. 1 Nr. 5 StGB) und deshalb die Umstände erkannte, aus
denen sich die allgemeine Lebensgefährlichkeit der konkreten
Verletzungshandlungen ergab. Zwar ist der Angeklagte durch diesen
Fehler nicht beschwert. Der Senat hebt indes den Schuldspruch auf, um
dem neuen Tatrichter eine zutreffende Beurteilung des festgestellten
Sachverhalts und eine insgesamt neue Grundlage für die
Straffestsetzung zu ermöglichen. Die Feststellungen zur
Person, zum objektiven Tatgeschehen und zum Vorsatz sind von dem Fehler
nicht erfasst und können deshalb bestehen bleiben. Aufgehoben
ist allein die Feststellung zur fehlenden Vorhersehbarkeit des Todes
des N. .
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3. Sollte der neue Tatrichter erneut zu der Feststellung gelangen, dass
die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten O. bei Tatbegehung
erheblich vermindert war, wird er der Bedeutung des Alkoholkonsums des
Angeklagten für das Tatgeschehen sowie für eine von
dem Angeklagten etwa auszugehende Gefahr für die Allgemeinheit
erneut besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Die Ablehnung
einer Strafrahmenverschiebung ist bislang nicht rechtsfehlerfrei
begründet.
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Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf
einer Trunkenheit des Angeklagten, so ist Voraussetzung für
die Versagung der Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs.
1 StGB in jedem Fall, dass dem Angeklagten der Alkoholkonsum
uneingeschränkt vorwerfbar ist (BGHR StGB § 21
Strafrahmenverschiebung 31, 33; so auch BGHSt 49, 239 - Trunkenheit vom
Angeklagten zu verantworten). Hieran bestehen nach den bisherigen
Feststellungen Zweifel. Das Landgericht hat sachverständig
beraten dargelegt, dass der Angeklagte weder alkoholkrank sei noch vom
Alkohol weitgehend beherrscht werde (UA S. 67). Dies steht in einem
Widerspruch zu den Ausführungen im Zusammenhang mit der
Maßregelanordnung: Danach hat der Angeklagte den "psychischen
Hang", in alltäglichen Stresssituationen Alkohol als
Katalysator zu benutzen, der schon in geringer Dosierung zusammen mit
der dissozialen Persönlichkeitsstörung die Gefahr
gewalttätiger Ausbrüche gegenüber Dritten in
sich birgt (UA S. 71).
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Tolksdorf Miebach Pfister
RiBGH Becker ist
urlaubsbedingt an der
Unterzeichnung gehindert.
Tolksdorf Hubert |