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BGH, Beschluss vom 21. März 2001 - 1 StR 77/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 21.3.2001 - 1 StR 77/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 77/01
vom
21. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 16. November 2000 im Ausspruch über die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug von zwei Jahren Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Revisionsverfahren hat zu einem Drittel die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und anderer Straftaten zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es angeordnet, den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen und zwei Jahre der Freiheitsstrafen vor der Unterbringung zu vollziehen.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Urteilsfeststellungen liegt bei dem Angeklagten eine Suchterkrankung im Sinne einer Polytoxikomanie vor. Er ist krankheitseinsichtig und therapiemotiviert, so daß eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach Einschätzung des Landgerichts sinnvoll ist.
Die Anordnung des Vorwegvollzuges von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten im Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Tragfähige Gründe dafür, von der gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge im Falle des Angeklagten abzuweichen, führt die Strafkammer nicht an; solche liegen auch nicht auf der Hand.
Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig von seinem Hang zu befreien, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugszieles arbeiten kann. Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf eingehender Begründung. Steht zu besorgen, daß der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichte machen könnte, so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl. Senat, Beschl. vom 30. Januar 2001 - 1 StR 481/00 - m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme nicht gerecht. Es fehlt eine auf die Person des Angeklagten bezogene Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Die Strafkammer begründet die nach ihrer Ansicht hier leichtere Erreichbarkeit des Zwecks der Maßregel nach § 64 StGB mit der allgemeinen Erwägung, die Unterbringung in der Entziehungsanstalt sei verbunden mit einer schrittweisen Lockerung des Vollzugs mit fortschreitender Behandlung, an deren Ende dann die Entlassung in die Freiheit stehen solle. Es wäre verfehlt, die Behandlung des Angeklagten sofort zu beginnen und nach ihrem Abschluß den Angeklagten in den Strafvollzug zurückzubringen (UA S. 27).
Diese allgemeine Erwägung steht im Widerspruch zu der gesetzlichen Wertung in § 67 Abs. 1 StGB, wonach im Regelfall zunächst die Maßregel zu vollziehen ist. Will der Tatrichter von der der gesetzlichen Wertung entsprechenden Reihenfolge aufgrund des § 67 Abs. 2 StGB abweichen, so muß er dies mit auf den Einzelfall bezogenen, tragfähigen Erwägungen begründen.
Aufgrund der bisher verbüßten Haft des Angeklagten sieht der Senat von einer Zurückverweisung der Sache ab und läßt statt dessen die Anordnung des Vorwegvollzuges entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).
Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg erzielt hat.
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