BGH,
Beschl. v. 21.3.2002 - 4 StR 48/02
4 StR 48/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
21. März 2002
in der Strafsache gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag und nach
Anhörung des Generalbundesanwalts und nach Anhörung
des Beschwerdeführers am 21. März 2002
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts
Magdeburg vom 28. Juni 2001, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 2 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im
übrigen -wegen versuchter schwerer räuberischer
Erpressung und wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung
einer rechtskräftigen Geldstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält der Schuldspruch
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die
Beweiswürdigung begegnet insoweit durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
Die Strafkammer hat festgestellt, der Angeklagte, der unter Vorhalt
einer geladenen Pistole vom Geschädigten S. die Zahlung von
Geld forderte, habe weder eine eigene noch eine fremde Geldforderung
durchsetzen wollen. Er sei auch nicht von K. W. beauftragt gewesen,
dessen gegen das Tatopfer bestehende Forderung in Höhe von
100.000 DM einzutreiben (UA 27). Die zuletzt genannte Feststellung
stützt das Landgericht ausschließlich auf die
Aussage des Zeugen W. (UA 21).
Diese Beweiswürdigung ist lückenhaft. Die Strafkammer
hat nicht erörtert, weshalb sie dem Zeugen W. trotz Bedenken
gegen seine Glaubwürdigkeit an anderer Stelle gerade zu diesem
Punkt glaubt (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 5, 8).
Nach den Urteilsgründen ging nämlich der Bedrohung
des S. durch den Angeklagten bereits ein ähnlicher Vorfall im
Haus des Mitangeklagten Si. voraus, bei welchem sowohl K. W. als auch
der Angeklagte zugegen waren. Damals bedrohte Si. den S. massiv und
verlangte von ihm Begleichung der - möglicherweise teilweise
an ihn, Si. abgetretenen - Forderung des W. . Zu einer Zahlung des S.
kam es nicht. Der Zeuge W. hat bestritten, daß es ein solches
Treffen im Hause des Si. gegeben hat (UA 17). Die Kammer hat ihm dies
nicht geglaubt, sondern ist den anders lautenden Angaben des
Angeklagten und des Geschädigten gefolgt.
Zu dem Motiv, weshalb der Zeuge zu diesem ersten Vorfall falsch
ausgesagt hat, verhält sich das Urteil nicht. Diese Frage
hätte jedoch erörtert werden müssen. Es
liegt nämlich nicht fern, daß der Zeuge W. das
Treffen im Hause des Si. deshalb wahrheitswidrig in Abrede gestellt
hat, um nicht selbst in den Verdacht einer Beteiligung an der Bedrohung
seines Schuldners zu geraten. Das selbe Motiv könnte ihn
jedoch veranlaßt haben, ebenfalls wahrheitswidrig eine
Beauftragung des Angeklagten mit der Einziehung seiner nach wie vor
nicht beglichenen Forderung gegen S. abzustreiten. Die
Erörterung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen zu
diesem Punkt hätte sich darüber hinaus auch deshalb
aufgedrängt, weil die Kammer dem Gehilfen des Angeklagten im
Fall II. 2, dem Mitangeklagten Sch. , zu dessen Gunsten zugebilligt
hat, subjektiv davon ausgegangen zu sein, das Vorgehen des Angeklagten
gegen das Tatopfer diene der Durchsetzung einer berechtigten Forderung
(UA 30). Auch die Aussage des von der Kammer als glaubwürdig
angesehenen Geschädigten S. , der Angeklagte habe ihn schon
einmal im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Forderung des Zeugen
W. in dessen Beisein bedroht (UA 20), hätte der Kammer
Anlaß geben müssen, die Glaubwürdigkeit des
Zeugen W. hinsichtlich seiner Aussage zur Tat II. 2 zu
erörtern.
Auf dieser lückenhaften Beweiswürdigung kann der
Schuldspruch wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
beruhen. War der Angeklagte vom Zeugen W. mit der Einziehung der
Forderung gegen S. beauftragt und wollte er diese mittels der
festgestellten Bedrohung durchsetzen, entfiele bei der Erpressung das
normative Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Bereicherung
(vgl. BGH NStZ-RR 1999, 6). In diesem Fall hätte das mit der
beanstandeten Handlung des Angeklagten verfolgte Endziel der
Rechtsordnung entsprochen. Dieses wird nicht dadurch rechtswidrig,
daß zu seiner Verwirklichung rechtswidrige Mittel angewendet
werden (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 7).
Die Nichterörterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen W.
ist deshalb ein Mangel, der zur Aufhebung des Urteils im Fall II.2
führen muß. Die Aufhebung hat den Wegfall der
Einsatzstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, deren
Begründung für sich genommen aus den in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten
Gründen ebenfalls sachlich-rechtlicher
Überprüfung nicht stand hielte, zur Folge. Dies zieht
die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
Die Abfassung des Urteils gibt Anlaß zu dem Hinweis,
daß die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu
dienen, all das zu dokumentieren, was in der Hauptverhandlung an
Beweisen erhoben wurde; sie sollen nicht das vom Gesetzgeber
abgeschaffte Protokoll über den Inhalt von Angeklagten- und
Zeugenäußerungen ersetzen, sondern das Ergebnis der
Hauptverhandlung wiedergeben und die Nachprüfung der
getroffenen Entscheidung ermöglichen. Die Wiedergabe von
Zeugenaussagen kann die Würdigung der Beweise nicht ersetzen.
Mit der Beweiswürdigung soll der Tatrichter - unter
Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten - lediglich
belegen, warum er bestimmte bedeutsame tatsächliche
Umstände so festgestellt hat. Hierzu wird er
Zeugenäußerungen, Urkunden o.ä.
heranziehen, soweit deren Inhalt für die
Überzeugungsbildung nach dem Ergebnis der Beratung wesentlich
ist (BGH NStZ-RR 1999, 272 m.w.N.).
Tepperwien Kuckein Solin-Stojanovic
Ernemann Sost-Scheible |