BGH,
Beschl. v. 21.5.2004 - 1 StR 170/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 170/04
vom
21.05.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21.05.2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 18. November 2003 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des
Landgerichts Mannheim vom 18. November 2003 wird kostenpflichtig
als unbegründet verworfen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt
der
Senat:
Die auf § 136a StPO gestützte Rüge ist
unbegründet. Auch wenn die
Auskunft des Vernehmungsbeamten über das vorläufige
Obduktionsergebnis
nach dem damaligen Stand der Erkenntnisse unvollständig war,
liegt keine verbotene
Vernehmungsmethode in der Form einer bewußten
Täuschung oder
Irreführung vor. Das Schwurgericht hat freibeweislich
geprüft und keine Anhaltspunkte
dafür gefunden, daß der Angeklagte bewußt
über die damalige
Beweislage getäuscht worden ist; denn nachdem
anfänglich verschiedene Todesursachen
in Betracht gezogen worden waren, reduzierte sich die telefoni-
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sche Mitteilung auf Gewalteinwirkung im weiteren Sinne sowie eine nicht
gänzlich
auszuschließende Herzrhythmusstörung. Liegen nur
fahrlässige Fehlleistungen
bzw. Fehlinformationen der Ermittlungsbeamten vor, fehlt es an einem
gezielten Einsatz unzulässiger Mittel (vgl. BGHSt 31, 395, 399
f.; BGH StV
1989, 515; KK-Boujong, 5. Aufl., § 136a Rdn. 23). Im
übrigen hat der Angeklagte
seine Angaben zum äußeren Tathergang auch in der
Hauptverhandlung wiederholt,
so daß jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die damals
unzutreffenden
Angaben nicht mehr fortwirken konnten, nachdem zwischenzeitlich seit
längerem
das schriftliche Gutachten vorlag, welches von einem Tod infolge
Erstikkens
nach einem Angriff gegen den Hals ausgeht.
Die sachlich-rechtliche Beanstandung, eine Zusatzuntersuchung am
Herz der Verstorbenen sei nicht durchgeführt worden, weshalb
„nicht in verläßlicher
Weise“ der Tod durch eine Herzrhythmusstörung
ausgeschlossen werden
könne, vermag die Beweiswürdigung der Strafkammer und
das dieser
zugrunde liegende Gutachten der rechtsmedizinischen
Sachverständigen nicht
zu erschüttern. Zudem bestand nach den Angaben des Hausarztes
des Opfers,
welcher das Vorliegen von Herzrhythmusstörungen
ausschloß, keine Veranlassung,
eine zusätzliche Untersuchung des Herzens
durchzuführen - gerade
auch in Anbetracht der Verletzungen des Opfers im Halsbereich.
Auch die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung bleiben ohne
Erfolg.
Die tatrichterliche Würdigung, es lägen keine
kränkenden Äußerungen
des Tatopfers im Sinne einer schweren Beleidigung nach § 213
StGB vor, ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (BGH NStZ 1982, 27;
BGHR StGB
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§ 213 1. Alt. Beleidigung 6; BGHR StGB § 213 1. Alt.
Beleidigung 8). In der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine
für sich gesehen
nicht als schwer einzustufende Beleidigung dann als schwer bewertet
werden kann, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder
ehrverletzenden
Situationen der „Tropfen“ war, der „das
Faß zum Überlaufen“ gebracht hat
(st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 365; BGHR StGB § 213 1. Alt.
Beleidigung 5).
Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten
Rechtsguts und die unter
den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der
Vernichtung
menschlichen Lebens gebieten es jedoch, die Anforderungen an die Schwere
der Beleidigungen und auch der auf die tatauslösende Situation
zulaufenden
Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig
anzusetzen (vgl.
BGHSt 34, 37; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 4 und 6).
Daher genügen
nur solche Provokationen den Anforderungen des § 213 1. Alt.
StGB, die auf
der Grundlage aller dafür maßgebenden
Umstände unter objektiver Betrachtung
und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend
zu beurteilen
sind (BGHR aaO Beleidigung 4, 5 und 6).
Die Ausführungen des Tatrichters lassen nicht besorgen,
daß er sich
dieser Anforderungen an das Gewicht der Provokationslage nicht
bewußt gewesen
ist. Die Getötete hatte seit Herbst 2001
Veränderungen im Verhalten
des Angeklagten bemerkt und aus weiteren Anhaltspunkten auf ein
Verhältnis
ihres Mannes mit einer anderen Frau geschlossen. Eine solche
außereheliche
Beziehung leugnete er auch noch vehement, als das Opfer nach einer
mehrwöchigen
Beobachtung des Angeklagten durch eine Detektei Fotos und Berichte
vorliegen hatte, weshalb es dann in der Folge zu mehrfachen heftigen
Auseinandersetzungen
unter den Eheleuten kam. Dabei beleidigte die Geschädigte
den Angeklagten, einen Rechtspfleger, und seine Geliebte, eine Reini-
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gungskraft im Gericht, in gleicher Weise wie auch unmittelbar vor der
Tat,
machte obszöne Anspielungen im Hinblick auf seine nachlassende
Potenz und
drohte mindestens einmal, den Direktor des Amtsgerichts als seinen
Vorgesetzten
über die außereheliche Beziehung zu informieren.
Danach ist es nicht zu beanstanden,
wenn die Strafkammer die Wiederholung solcher - für sich
gesehen
durchaus tiefgehender - Beleidigungen unmittelbar vor dem Tatgeschehen
unter Berücksichtigung des weiteren Verhaltens des Angeklagten
und unter
objektiver Betrachtung der Gesamtumstände, nicht als schwere
Beleidigungen
im Sinne von § 213 beurteilt hat (vgl. BGHR StGB §
213 1. Alt. Beleidigung 8).
Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung war zu verwerfen,
weil sie dem Gesetz entspricht (§ 465 Abs. 1 StPO).
Nack Wahl Boetticher
Hebenstreit Graf |