BGH,
Beschl. v. 21.11.2001 - 2 StR 400/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 400/01
vom
21. November 2001
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21.
November 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bonn vom 11. Mai 2001 im Schuldspruch dahin geändert,
daß der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit
schwerer räuberischer Erpressung, erpresserischem Menschenraub
und Geiselnahme schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit einem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie seine Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von drei Jahren der
Freiheitsstrafe angeordnet.
Die mit der Sachrüge begründete Revision des
Angeklagten führt zu der aus der Beschlußformel
ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Das weitergehende
Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs.
2 StPO.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:
Als die 18-jährige Nebenklägerin zu ihrem geparkten
Pkw zurückkehrte, hob der Angeklagte ein 20-30 cm
großes Metallstück in Form eines rostigen
Winkeleisens auf und folgte ihr. Als sie den Wagen bereits
aufgeschlossen und ihre Handtasche hineingelegt hatte, trat er von
hinten an sie heran und drückte ihr das Eisen mit der
Bemerkung in den Rücken, dies sei ein Überfall. Dem
Angeklagten ging es zum einen darum, an die Handtasche der
Nebenklägerin zu gelangen, in der er Geld vermutete.
Darüber hinaus wollte er sich des Kraftfahrzeugs
bemächtigen und dachte bereits zu diesem Zeitpunkt daran, die
Situation zu sexuellen Handlungen auszunutzen. Das Winkeleisen wollte
er dazu benutzen, notfalls den Widerstand der Nebenklägerin zu
brechen.
Die Nebenklägerin dachte, ihr werde ein Messer in den
Rücken gehalten. Der Angeklagte drängte sie auf den
Fahrersitz und dann weiter auf die Beifahrerseite. Er selbst setzte
sich auf den Fahrersitz, ließ sich die
Fahrzeugschlüssel geben und fuhr los. Während der
Fahrt fragte er die Nebenklägerin nach Geld und ob sie ein
Handy habe. Als sie anfing zu weinen, forderte er sie auf, ihn nicht zu
nerven, sonst bringe er sie um. Während der Fahrt hielt er das
Metallstück zunächst in der rechten Hand,
schließlich legte er es griffbereit im Fahrzeug ab.
Als der Angeklagte erstmals auf einem einsamen Parkplatz anhielt,
mußte sich die Nebenklägerin ausziehen und sollte
ihn oral befriedigen. Der Angeklagte drückte den Kopf der sich
sträubenden Nebenklägerin auf seinen Penis. Es kam
zum Oralverkehr bis zum Samenerguß.
Danach setzte der Angeklagte die Fahrt fort mit dem Bemerken, er sei
noch nicht fertig. Er hielt nunmehr auf einem abgelegenen Feldweg. Er
zwang die Nebenklägerin, sich auf das Dach des Fahrzeugs zu
setzen und manipulierte mit seinen Fingern und der Zunge an ihrer
Scheide. Anschließend mußte sich die
Nebenklägerin auf die Motorhaube ihres Fahrzeugs setzen. Dort
vollzog der Angeklagte ungeschützten Geschlechtsverkehr.
Außerdem mußte die Nebenklägerin dem
Angeklagten bei diesem Halt ihr Papiergeld (20 DM) aushändigen.
Danach ließ der Angeklagte die Nebenklägerin wieder
in ihr Fahrzeug einsteigen und fuhr mit ihr bis zum Parkplatz eines
Einkaufsmarkts. Dort ließ er sich von der
Nebenklägerin auch das Kleingeld aushändigen, damit
sie nicht telefonieren könne. Bevor sich der Angeklagte
entfernte drohte er, er werde ihrer Familie etwas antun, wenn sie zur
Polizei gehe.
2. Der Angeklagte hat bei diesem Tatgeschehen keinen
räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, sondern eine schwere
räuberische Erpressung begangen.
a) Die Voraussetzungen des § 316 a Abs. 1 StGB sind nicht
gegeben. Der Tatbestand setzt voraus, daß der Angriff auf den
Fahrer oder Beifahrer unter Ausnutzung der besonderen
Verhältnisse des Straßenverkehrs erfolgt. Eine
solche, die hohe Strafdrohung des § 316 a StGB rechtfertigende
Gefahrenlage besteht vor allem während des Fahrvorgangs; sie
kann auch während eines verkehrsbedingten und im Einzelfall
auch während eines sonstigen kurzfristigen Halts vorliegen.
Sie besteht aber nicht, wenn der Täter, wie hier der
Angeklagte, als er sich des Tatopfers bemächtigte, zu
Fuß an ein geparktes Kraftfahrzeug herantritt, um dessen noch
auf der Straße stehende Fahrerin zu berauben oder zu
erpressen; auch der Transport eines Tatopfers mit einem Kraftfahrzeug
an einen Ort, an dem ein Raub oder eine Erpressung ausgeführt
werden soll, erfüllt in einem solchen Fall den Tatbestand
nicht (BGH, Urt. v. 17. August 2001 - 2 StR 197/01 - m.w.N.). Im
vorliegenden Fall erfolgte der Angriff auf die Nebenklägerin
auf dem Parkplatz, auf dem sie das Fahrzeug abgestellt hatte, nicht
aber während eines Fahrvorgangs oder eines verkehrsbedingten
Anhaltens.
b) Der Angeklagte hat jedoch eine schwere räuberische
Erpressung (§ 255, § 253, § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB) begangen, indem er das Tatopfer während der
fortwirkenden Bedrohung beim zweiten und dritten Anhalten
veranlaßte, ihm zunächst das Papiergeld und sodann
das Kleingeld auszuhändigen (UA S. 12, 21). Hierbei hat er das
Winkeleisen als gefährliches Werkzeug zur Bedrohung des
Tatopfers verwendet. Das Landgericht stellt zutreffend fest,
daß mit dem Winkeleisen in der Hand des kräftigen
Angeklagten lebensgefährliche Verletzungen verursacht werden
können. Dementsprechend groß sei auch der
Einschüchterungseffekt gewesen, den sich der Angeklagte bei
der Tat gezielt zunutze gemacht habe (UA S. 20/21). Damit hat der
Angeklagte das gefährliche Werkzeug aber nicht nur bei sich
geführt, sondern zur Tatausführung verwendet, um sein
Tatopfer zu bedrohen und einzuschüchtern.
3. Das Landgericht hat im übrigen den Unrechtsgehalt des
Tatgeschehens - trotz der Beschränkung der Strafverfolgung
gemäß § 154 a Abs. 1 StPO bei der
Anklageerhebung - nicht erschöpft.
a) Die vom Angeklagten begangene Vergewaltigung erfüllt die
Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB und nicht nur - wie
das Landgericht annimmt - die des Absatzes 3 Nr. 1. Auch insoweit hat
der Angeklagte das Winkeleisen als gefährliches Werkzeug nicht
nur bei sich geführt, sondern zur Tat verwendet.
b) Der Angeklagte hat des weiteren einen erpresserischen Menschenraub
und eine Geiselnahme (§ 239 a, § 239 b StGB) begangen.
Er hat die Nebenklägerin entführt und deren Sorge um
ihr Wohl zu einer Erpressung ausgenutzt. Dem Angeklagten ging es von
Anfang an auch darum, das Geld der Nebenklägerin an sich zu
bringen, um Wodka kaufen zu können. Während der
Entführung hat er die Nebenklägerin zudem mit dem Tod
bedroht und zu den festgestellten sexuellen Handlungen
genötigt. Auch insoweit hat der Angeklagte nach den
Feststellungen des Landgerichts vorsätzlich gehandelt.
Zwischen erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme besteht hier
keine Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität), weil die Geiselnahme
nicht allein dem Zweck diente, durch Bedrohung des Tatopfers eine
unrechtmäßige Bereicherung zu erlangen, sondern auch
dazu, die sexuellen Handlungen zu erreichen (vgl. BGHSt 25, 386; BGH,
Urt. vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01).
4. Alle vier Tatbestände wurden tateinheitlich verwirklicht
(§ 52 StGB).
5. § 265 StPO steht der Änderung und
Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der
geständige Angeklagte insoweit nicht erfolgreicher
hätte verteidigen können.
Der Rechtsfolgenausspruch kann auch nach der Änderung des
Schuldspruchs bestehen bleiben, weil der Unrechts- und Schuldgehalt der
Tat hierdurch nicht geringer geworden ist.
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