BGH,
Beschl. v. 21.11.2001 - 3 StR 423/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 423/01
vom
21. November 2001
in der Strafsache gegen
wegen Diebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2.
auf dessen Antrag - am 21. November 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 24. Juli 2001 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf des Diebstahls in drei
Fällen freigesprochen und ihre Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt angeordnet. Ihre Revision führt auf Grund
der allgemeinen Sachrüge zur Aufhebung des
Maßregelausspruchs.
1. Nach den Feststellungen entwendete die heroinabhängige
Angeklagte, die vor allem wegen zur Finanzierung ihrer Drogensucht
begangener Diebstähle mehrfach Jugend- und Freiheitsstrafen
verbüßt hatte, in drei Fällen aus
Kaufhäusern und einem Drogeriemarkt Waren, um sie zu
veräußern und mit dem Verkaufserlös
Rauschgift zu kaufen. Dabei stand sie in zwei Fällen unter
erheblichem Heroineinfluß; in einem Fall litt sie unter
starken Heroinentzugserscheinungen. Schon auf Grund dieser
Umstände war die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten,
wie die Strafkammer angenommen hat, erheblich beeinträchtigt
(§ 21 StGB). Außerdem leidet die Angeklagte an einer
paranoid-halluzinatorischen Psychose, die sich insbesondere im
Hören bedrohlicher Stimmen äußert, sowie
unter einer schweren Persönlichkeitsstörung. Zu ihren
Gunsten hat das Landgericht angenommen, daß sie zu den
jeweiligen Tatzeitpunkten unter dem Einfluß der psychotischen
Erkrankung handelte und deswegen eine Steuerungsunfähigkeit
gemäß § 20 StGB nicht ausgeschlossen werden
kann.
2. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
(§ 64 StGB) hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
a) Zum Maßregelausspruch hat das sachverständig
beratene Landgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Zu Gunsten der Angeklagten sei davon auszugehen, sie werde die von ihr
zu erwartenden weiteren Straftaten der
Beschaffungskriminalität lediglich auf Grund ihrer
Heroinabhängigkeit und nicht als Folge der Psychose begehen.
Bei der Drogensucht handele es sich zwar möglicherweise um
einen Selbstheilungsversuch von den psychotischen Ängsten.
Denkbar sei - neben einer erblichen Belastung - aber auch,
daß die Psychose durch den zeitlich vorhergegangenen
Drogenmißbrauch in Kombination mit der brüchigen
Persönlichkeit induziert sei. Deshalb sei die Angeklagte in
einer Entziehungsanstalt und nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus
unterzubringen.
b) Die Ausführungen des Landgerichts leiden unter einem
Erörterungsmangel, so daß der Senat nicht
überprüfen kann, ob die Unterbringung der Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt gerechtfertigt ist oder ob an deren Stelle
eine solche in einem psychiatrischen Krankenhaus geboten ist.
Bei der Begehung einer Straftat im Zustand eines aktuellen
Drogenrausches oder wegen starker Entzugserscheinungen beruht die
Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte
Schuldfähigkeit u.a. dann auf einer nicht nur
vorübergehenden, sondern einer länger andauernden und
damit einen Zustand bildenden Störung im Sinne des §
63 StGB, wenn der Täter an einer krankhaften Drogensucht
leidet oder auf Grund einer schweren
Persönlichkeitsstörung drogensüchtig ist,
die - ohne pathologisch zu sein - in ihrem Schweregrad einer
krankhaften seelischen Störung gleichkommt (st.Rspr., vgl.
BGHSt 44, 338, 339 f.; BGHR StGB § 63 Zustand 18).
Den Urteilsausführungen kann nicht entnommen werden, ob die
Persönlichkeitsstörung der Angeklagten so
schwerwiegend ist, daß sie in ihrem Gewicht krankhaften
seelischen Störungen entspricht (vgl. BGHSt 34, 22, 28; BGH
NStZ 1999, 612, 613), und dieser psychische Defekt das Fortbestehen der
Sucht bedingt (vgl. BGHSt 44, 338, 341 ff.). Dafür
könnte sprechen, daß die Angeklagte nach den
Feststellungen wegen ihrer schweren
Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage ist, ein
eigenverantwortliches Leben zu führen. Sollten der
Angeklagten, wie nach den zu ihrer Person getroffenen Feststellungen
jedenfalls nicht fernliegt, aufgrund ihrer schweren
Persönlichkeitsstörung, die Einsicht in die
Notwendigkeit einer therapeutischen Behandlung oder der Wille fehlen,
sich einer solchen Behandlung zu unterziehen, könnte der
Bewertung des Landgerichts, die von ihr prognostizierte Gefahr weiterer
erheblicher Straftaten habe ihren Grund ausschließlich in der
Drogensucht, nicht zugestimmt werden.
3. Unter diesen Umständen hat die angeordnete Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt keinen Bestand, so daß über
die Unterbringung neu entschieden werden muß. Obwohl nur die
Angeklagte Revision eingelegt hat, steht das Verbot der
Schlechterstellung der Anordnung einer Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus durch das neue Tatgericht nicht entgegen
(§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO, vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 331 Rdn.
7 und § 358 Rdn. 11). Die Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus ist von der Revision nicht ausgenommen
worden.
Von der Aufhebung des Maßregelausspruchs werden auch die
zugehörigen Feststellungen erfaßt. Die
Feststellungen zu den Taten sind Grundlage des freisprechenden Teils
des Urteils und bleiben deshalb bestehen.
Tolksdorf Rissing-van Saan Pfister von Lienen Becker |