BGH,
Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 449/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 449/07
vom
21.11.2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21.11.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 7. Mai 2007 im Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Tatwaffe mit
Munition eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte
die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist
unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet
(§ 349 Abs. 2 StPO).
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Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben. Die
Strafzumessung des Landgerichts ist sowohl bei der
Strafrahmenbestimmung als auch bei der konkreten Strafzumessung
fehlerhaft.
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1. Der 64 Jahre alte Angeklagte ist schwer krank. Das Landgericht hat
hierzu festgestellt, der Angeklagte sei 2005 an Blasenkrebs erkrankt
und es hätten sich bereits Metastasen gebildet. Aufgrund der
Chemotherapie leide er an einer Anämie. Zudem bestehe
inzwischen der Verdacht eines Leberkarzinoms. Zur Abklärung
sei eine stationäre Aufnahme erforderlich.
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Bei der Strafzumessung hat das Landgericht den Strafrahmen des
§ 212 StGB wegen Versuchs und wegen alkoholbedingt erheblich
verminderter Steuerungsunfähigkeit doppelt gemildert
(§§ 23 Abs. 2, 21, 49 Abs. 1 StGB), so dass sich ein
Strafrahmen von sechs Monaten bis zu acht Jahren und fünf
Monaten Freiheitsstrafe ergab. Innerhalb dieses Strafrahmens hat die
Strafkammer die besondere Haftempfindlichkeit des schwer erkrankten
Angeklagten zu seinen Gunsten berücksichtigt und unter
Berücksichtigung seiner besonderen Gesundheits- und
Lebenssituation eine Freiheitsstrafe von vier Jahren für
angemessen erachtet.
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2. Unter den gegebenen Umständen hätte sich das
Landgericht zu der Erörterung gedrängt sehen
müssen, ob ein minder schwerer Fall des versuchten Totschlags
im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB gegeben ist. Dabei
wäre zunächst zu prüfen gewesen, ob schon
allgemeine Strafmilderungsgründe die Annahme eines minder
schweren Falls gebieten. Hier ist insbesondere die schwere Erkrankung
des Angeklagten von Bedeutung, die dazu führt, dass die
Lebenserwartung regelmäßig deutlich herabgesetzt
ist, so dass die Verbüßung der Freiheitsstrafe den
Angeklagten härter trifft als einen gesunden
Straftäter. Bei Annahme eines minder schweren Falls des
versuchten Totschlags hätte der Strafrahmen des § 213
StGB wegen der beiden vertypten Strafmilderungsgründe noch
zweimal gemildert werden können, so dass sich ein Strafrahmen
von einem Monat Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und sieben
Monaten Freiheitsstrafe ergeben hätte.
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Hätten nach der Bewertung des Tatrichters die allgemeinen
Strafmilderungsgründe allein zur Begründung eines
minder schweren Falls nicht ausgereicht, hätten - schrittweise
- die beiden vertypten Strafmilderungsgründe
(§§ 23 Abs. 2, 21 StGB) herangezogen werden
müssen. Da schon das Vorliegen eines gesetzlich vertypten
Milderungsgrundes allein zur Annahme eines minder schweren Falls
führen kann, wäre in einem ersten Schritt zu
prüfen gewesen, ob mit einem vertypten Strafmilderungsgrund
und den allgemeinen Milderungsgründen (insbesondere die
reduzierte Lebenserwartung) ein minder schwerer Fall gegeben ist. In
diesem Fall hätte sich durch die dann mögliche
Strafrahmenmilderung wegen des zweiten vertypten Milderungsgrundes
für den Angeklagten ein günstigerer Strafrahmen von
drei Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe
ergeben. Nur dann, wenn die tatrichterliche Beurteilung zu dem Ergebnis
geführt hätte, dass beide vertypten
Strafmilderungsgründe zur Begründung eines sonst
minder schweren Falls im Sinne von § 213 StGB erforderlich
sind, wäre der vom Landgericht zugrunde gelegte doppelt
gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB für den
Angeklagten günstiger.
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3. Der Rechtsfehler bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des
angenommenen Strafrahmens liegt darin, dass das Landgericht einen
wesentlichen Umstand außer Acht gelassen hat. Das Landgericht
hätte prüfen müssen, welche besonderen
Wirkungen von der Strafe insgesamt für das künftige
Leben des Angeklagten zu erwarten sind. Leidet ein Angeklagter - wie
hier - unter einer schweren Erkrankung, die
regelmäßig zu einer deutlich herabgesetzten
Lebenserwartung führt, kann ihn die Freiheitsstrafe besonders
hart treffen und ein Ausgleich der Schuld auch durch eine geringere als
die sonst schuldangemessene Strafe erreicht werden (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 1 Schuldausgleich 3, 7, 13; BGH, Beschl. vom 19.
Juni 2007 - 3 StR 214/07). Diesen Gesichtspunkt hätte das
Landgericht bei Beachtung auch der anderen Strafzwecke hier
ausdrücklich erörtern müssen. Es
genügt insoweit nicht, allgemein die besondere
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Haftempfindlichkeit des schwer erkrankten Angeklagten zu seinen Gunsten
zu berücksichtigen.
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die festgesetzte
Strafe auf den dargelegten Rechtsfehlern beruht.
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Rissing-van Saan Bode Rothfuß
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