BGH,
Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 548/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 548/07
vom
21.11.2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21.11.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz
vom 13. Juli 2007 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die
Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen aufrecht
erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen, wegen versuchter
gefährlicher Körperverletzung in zwei
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen
vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit
Bedrohung und wegen Bedrohung in dreizehn weiteren Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
angeordnet.
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Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der
Sachrüge weitgehend Erfolg (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO).
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Das Landgericht hat die Überzeugung gewonnen, dass beim
Angeklagten bei allen Taten die Einsichtsfähigkeit durch
Ausblenden der Eigenbeteiligung und die Steuerungsfähigkeit
aufgrund eines akuten Schubes einer hebephrenen Psychose aus dem
schizophrenen Formenkreis gemäß § 21 StGB
erheblich eingeschränkt gewesen sei (UA S. 34). Es liege eine
krankhafte seelische Störung vor. Nach Einschätzung
des Sachverständigen sei durch das Krankheitsbild des
Angeklagten die Einsichtsfähigkeit und das von ihm begangene
Unrecht durch Leugnung des Eigenanteils beeinträchtigt und
durch mangelnde Impulskontrolle insbesondere seine
Steuerungsfähigkeit erheblich verringert, so dass eine
erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit
gemäß § 21 StGB anzunehmen sei. Im Rahmen
der Begründung der Anordnung der Maß-regel
gemäß § 63 StGB teilt das Landgericht mit,
dass der Angeklagte aufgrund falscher Wahrnehmung des Verhaltens
Dritter deren Verhalten als Bedrohung oder Ungerechtigkeit gegen seine
Person empfinde und als Reaktion darauf weitere gleichartige oder
schwerere Straftaten begehen werde.
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Diese Ausführungen tragen den Schuldspruch und die Anordnung
der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
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1. Das Urteil lässt nähere Feststellungen dazu, wie
sich die Krankheit des Angeklagten auf seine Schuldfähigkeit
bei Begehung der Taten tatsächlich ausgewirkt hat (vgl. BGHSt
49, 347, 356), vermissen. Der Tatrichter ist aber gehalten, sich - in
revisionsrechtlich nachvollziehbarer Weise - mit dieser Frage
auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Beschl. vom 24. Juli 2007 - 3 StR
261/07).
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2. Die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit lassen zudem
besorgen, dass das Landgericht die Annahme einer erheblichen
Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten auf eine
Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit
gestützt hat.
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Eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit ist
strafrechtlich jedoch erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der
Einsicht zur Folge hat (vgl. u. a. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007
- 2 StR 462/07 - m.w.N.). Der Täter, der im konkreten Fall
trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit Einsicht in
das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine
Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war -
voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht
zulässig. Fehlt dem Angeklagten im konkreten Fall die
Unrechtseinsicht, liegt Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB)
vor und er kann nicht schuldig gesprochen werden.
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Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung des Urteils,
weil angesichts der Feststellungen zum Krankheitsbild des Angeklagten
einerseits die Annahme, die Voraussetzungen des § 21 StGB
lägen positiv vor und damit die Anwendung der
Maßregel nach § 63 StGB von den Feststellungen nicht
getragen werden, andererseits aber auch eine fehlende
Schuldfähigkeit nicht von vornherein sicher ausgeschlossen
werden kann.
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Die Feststellungen zu den äußeren Tatgeschehen sind
von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen
bleiben. Ergänzende, nicht im Widerspruch stehende
Feststellungen sind zulässig. Der neue Tatrichter wird
Gelegenheit haben im Falle 18 ergänzende Feststellungen zu
treffen zur Frage eines etwaigen freiwilligen Rücktritts des
Angeklagten vom Versuch der gefährlichen
Körperverletzung.
9
Rissing-van Saan Bode Rothfuß
Fischer Appl |