BGH,
Beschl. v. 21.10.2008 - 3 StR 400/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 400/08
vom
21. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: schweren Raubes u. a.
zu 2.: Beihilfe zum schweren Raub u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführer am 21. Oktober 2008 gemäß
§ 154 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird
a) das Verfahren gemäß § 154 a Abs. 2 StPO
auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in
Tateinheit mit Nötigung beschränkt,
b) das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. Januar 2008 in den
Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die
dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen schweren Raubes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und
Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, die
Angeklagte D. wegen Beihilfe zum schweren Raub in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und Nötigung
zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren
Vollstreckung es zur Bewäh-
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rung ausgesetzt hat, verurteilt. Ihre Rechtsmittel stützen die
Angeklagten auf die Rügen der Verletzung formellen und
materiellen Rechts. Die Verfahrensrügen sind
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die
Beanstandungen sachlichen Rechts haben den aus dem Beschluss
ersichtlichen Erfolg.
Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen tateinheitlich begangenen
schweren Raubes wird von den Feststellungen nicht getragen, da diese
sich zur Zueignungsabsicht des Angeklagten nicht verhalten. Der
Generalbundesanwalt hat in seinen Antragsschriften vom 16. September
2008 hierzu ausgeführt:
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"Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals wäre vorliegend
zwingend zu erörtern gewesen, da der Angeklagte dem
Geschädigten nach den Feststellungen beim Verlassen des
Tatorts erklärte, er 'würde seine Sachen
wiederbekommen, wenn er niemandem etwas von dem Vorgefallenen
erzähle'. Hätte diese Erklärung der
Vorstellung des Angeklagten während der Wegnahme des Geldes
und der sonstigen Gegenstände entsprochen, hätte eine
Zueignungsabsicht nicht vorgelegen. Diese ist nämlich
ausgeschlossen, wenn der Täter mit der Wegnahme der Sache
diese nur als Mittel zur Erpressung des Tatopfers nutzen will, das
fortbestehende Eigentum des Geschädigten mithin anerkennt
(vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 242 Rdnr. 35 m.w.N.). Auch die
an anderer Stelle des Urteils von der Kammer angestellte
Erwägung, 'der Raub' sei nur spontan, bei Gelegenheit der im
Vordergrund stehenden Körperverletzung und Nötigung
begangen worden, lässt offen, ob es sich um eine spontane
Wegnahme mit dem Ziel der Zueignung oder mit dem Ziel der Gewinnung
eines Druckmittels gegen den Geschädigten handelte. Entgegen
der Auffassung der Revision ist nach den Fest-stellungen das Vorliegen
einer Zueignungsabsicht zur Zeit der Wegnahme zwar nicht
ausgeschlossen, sondern lückenhaft offen geblieben. Eine
Aufhebung und Zurückverweisung der Sache mit dem Ergebnis
einer Nachholung solcher Feststellungen durch eine neue
Tatsacheninstanz kommt somit in Betracht. Es ist jedoch zu bedenken,
dass die zu erwartende Strafe wegen dieser Gesetzesverletzung neben der
für die wegen gefährlicher Körperverletzung
und Nötigung nicht beträchtlich ins Gewicht
fällt (§ 154a Abs. 1, 2 StPO). Zutreffend hat die
Straf-
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kammer darauf hingewiesen, dass das Schwergewicht des Schuldvorwurfs,
nicht zuletzt im Hinblick auf die schweren Gesundheitsschäden
beim Tatopfer, bei den Delikten gemäß
§§ 224, 240 StPO liegt. Zudem wird mit einer
Teileinstellung des Verfahrens dem Beschleunigungsgrundsatz sowohl im
Hinblick auf die Dauer des Verfahrens insgesamt wie auch im Hinblick
darauf, dass die umfangreiche und schwierige Hauptverhandlung vor dem
Tatgericht 46 Verhandlungstage in Anspruch genommen hat,
Genüge getan."
Dem tritt der Senat bei. Dieser Rechtsfehler wirkt sich
notwendigerweise auch auf den Schuldspruch wegen Beihilfe zum schweren
Raub der Angeklagten D. aus. Neben der dargestellten Lücke
hinsichtlich der für die Raubtat erforderlichen
Zueignungsabsicht hat die Überprüfung des Urteils auf
die Sachrüge der Angeklagten keinen Rechtsfehler erkennen
lassen. Die Verurteilung beider Angeklagter wegen gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung mit den
zugrunde liegenden Feststellungen bleibt bestehen.
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Zu den Strafaussprüchen und der vorgenommenen Kompensation zur
Wiedergutmachung der rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung hat der Generalbundesanwalt zutreffend
ausgeführt:
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"Der Strafausspruch wird allerdings aufzuheben sein. Zwar unterscheidet
der Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu zehn Jahren) sich hier nicht in relevanter Weise
von dem des bei dem Angeklagten S. zur Anwendung gebrachten §
250 Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren), da
die Strafkammer zutreffend ausgeführt hat, dass die Strafe
sich angesichts der brutalen Vorgehensweise und der schweren
Gesundheitsschäden des Tatopfers im oberen Bereich des
Strafrahmens zu halten hat. Allerdings hat die Kammer die
'beträchtliche' Höhe des 'geraubten' Geldes (etwa
15.000 DM) als strafschärfend berücksichtigt, so dass
nicht auszuschließen ist, dass die Kammer bei Wegfall dieses
Zumessungsgrundes eine etwas mildere Strafe verhängt
hätte."
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"Zwar hat die Strafkammer bei der Angeklagten D. den Strafrahmen des
§ 224 Abs. 1 StGB zur Anwendung gebracht, der durch die
Teileinstellung nicht berührt wird, und hinsichtlich des
konkreten Schuldvorwurfs zutreffend berücksichtigt, dass
angesichts der brutalen Vorgehensweise und der schweren
Gesundheitsschäden des Tatopfers die beabsichtigte
Nötigung und die gefährliche
Körperverletzung im Vordergrund stehen. Allerdings hat die
Kammer auch die 'beträchtliche' Höhe des 'geraubten'
Geldes (etwa 15.000 DM) als strafschärfend
berücksichtigt, so dass nicht auszuschließen ist,
dass die Kammer bei Wegfall dieses Zumessungsgrundes eine etwas mildere
Strafe verhängt hätte.
Die neue Strafkammer wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung die
Grundsätze der neuen Rechtsprechung zur
Vollstreckungslösung bei rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerungen (BGH NJW 2008, 860 ff.) zu
berücksichtigen."
Becker Miebach Pfister
Hubert Schäfer |