BGH,
Beschl. v. 22.4.2004 - 4 StR 48/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 48/04
vom
22.04.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22.04.2004
gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bielefeld vom 17. September 2003 im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe
von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des
Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des
Strafausspruchs. Im
übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Begründung, mit welcher das Schwurgericht einen minder
schweren
Fall des Totschlags im Sinne der 1. Alternative des § 213 StGB
abgelehnt
hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Nach den Feststellungen war es zwischen dem Angeklagten und seiner
17 Jahre jüngeren Lebensgefährtin C. schon seit Jahren
zu heftigen verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen
gekommen.
Auch am Tattag kam es zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte
seine
Lebensgefährtin durch die Zufügung von 20
Messerstichen tötete, nachdem
diese ihn zum sofortigen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung aufgefordert
und in diesem Zusammenhang geäußert hatte: "Wenn ich
dich hier sehe,
schmerzen meine Augen. Du störst mich hier. Du bist kein Mann
mehr, du bist
zu alt. Ich habe einen anderen Mann gefunden, der ist besser wie du im
Bett
und hübscher wie du, der kommt jetzt!" (UA 11).
Im Rahmen der Strafzumessung geht das Landgericht zwar davon aus,
daß die unmittelbar vor der Tat gefallene
Äußerung der Lebensgefährtin des
Angeklagten eine schwere Beleidigung, insbesondere in bezug auf die
sexuelle
Leistungsfähigkeit des Angeklagten, darstelle. Diese
Beleidigung habe den
Angeklagten aber nicht "unmittelbar zur Tat hingerissen, da
dafür vorrangig
andere Motive - nämlich die narzisstische Kränkung
angesichts der Ankündigung,
daß ein neuer Partner schon bereit stehe zusammen mit Wut und
Enttäuschung
angesichts der entgegen der ursprünglichen Zusage nunmehr
geäußerten
Aufforderung, sofort aus der Wohnung auszuziehen -" ursächlich
gewesen
seien (UA 27).
Das Landgericht geht zwar zu Recht davon aus, daß eine
Motivlage, bei
welcher andere tatauslösende Umstände den Zorn
infolge einer schweren Beleidigung
in eine lediglich untergeordnete Rolle verdrängt haben, nicht
von der
1. Alternative des § 213 StGB erfaßt wird (vgl. BGHR
StGB § 213 2. Alt. Opferverhalten
3; BGH StV 1983, 60, 61). Eine solche Motivlage wird indes durch
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die Urteilsgründe nicht belegt. Nach den Feststellungen sind
es vielmehr die
Äußerungen seiner Partnerin in ihrer Gesamtheit
gewesen, die "bei dem Angeklagten,
der sich dadurch zutiefst gedemütigt und entwertet
fühlte, augenblicklich
eine erhebliche Kränkungswut aus(lösten)". Das
Schwurgericht hat ferner
festgestellt, daß der Angeklagte "in dieser Wut" den
Entschluß faßte, seine
Lebensgefährtin "nun augenblicklich zu töten" (UA
11). Die unterschiedliche
Gewichtung der tatauslösenden Motive, die das Landgericht der
Strafzumessung
zugrundegelegt hat, ist mit diesen Feststellungen nicht vereinbar. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen der
Sachverständigen.
Diese haben die affektive Ausgangssituation für die Tat zwar
zum einen in der
Aufforderung zum sofortigen Auszug gesehen, zum anderen jedoch
gleichrangig
darin, daß die weiteren Äußerungen der
Lebensgefährtin für den Angeklagten
insbesondere unter Berücksichtigung seiner Prägung
und seiner Persönlichkeitsstruktur
nicht kompensierbar gewesen seien und für ihn eine extreme
Demütigung und Entwertung dargestellt hätten (UA 23).
Weshalb die
kränkenden Äußerungen der
Lebensgefährtin einerseits mitursächlich für
eine
im Sinne des § 21 StGB erhebliche affektive Erregung des
Angeklagten gewesen
sind, andererseits aber bei der Tatauslösung lediglich eine
untergeordnete
Rolle gespielt haben sollen, ist nicht nachvollziehbar.
2. Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen sonst
minder
schweren Fall im Sinne der 2. Alternative des § 213 StGB
abgelehnt hat, begegnen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es hat insoweit unter anderem
straferschwerend berücksichtigt, der Angeklagte habe "sich
auch dadurch, daß
sich sein Opfer heftig zu wehren versuchte, nicht von der Tatbegehung
abhalten
lassen, sondern sein Vorhaben, C. zu töten, zielstrebig
durchgeführt" (UA 28). Diese Formulierung
läßt besorgen, daß das Schwurge-
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richt zu Lasten des Angeklagten verwertet hat, daß er die
Straftat überhaupt
begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen; dies
würde
gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen (st. Rspr., vgl.
nur BGH NStZ-RR 2002,
106; Senatsbeschluß vom 23. September 2003 - 4 StR 308/03).
Tepperwien Maatz Kuckein
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