BGH,
Beschl. v. 22.2.2006 - 5 StR 31/06
5 StR 31/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22.2.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22.02.2006 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 19. Oktober 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO
aufgehoben, soweit eine Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die weitergehende Revision
wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet
verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu neun Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision bleibt zum Schuld- und
Strafausspruch ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO), führt
indes mit der Sachrüge zur Aufhebung der ablehnenden
Entscheidung nach § 64 StGB (§ 358 Abs. 2 Satz 2
StPO); auch nach Anfrage bei seinem Verteidiger hat der Angeklagte
diesen Punkt nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. 1 Der
Schuldspruch unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken. Die einleitend
wiedergegebene Stellungnahme des Sachverständigen zur Frage
noch erhaltener Schuldfähigkeit (UA S. 30) bezieht sich
ersichtlich allein auf die Einsichtsfähigkeit; bezogen auf die
Steuerungsfähigkeit wäre sie zu beanstanden, da bei
hoher Alkoholisierung die Möglichkeit eines Vollrausches 2
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selbstverständlich nicht etwa regelmäßig
auszuschließen ist. Die anschlie-ßenden
einzelfallbezogenen Erwägungen zum Ausschluss eines
Vollrausches, die im Ergebnis von Gericht, Staatsanwaltschaft und
Verteidigung im Einklang mit dem Sachverständigen geteilt
wurden, sind indes nicht zu beanstanden und für sich allein
tragfähig. Auch Strafrahmenwahl und Strafzumessung begegnen
keinen durchgreifenden Bedenken. Nach der eingehenden
Auseinandersetzung des Schwurgerichts mit der eine erhebliche
Verminderung der Steuerungsfähigkeit begründenden
massiven Alkoholisierung des Angeklagten ist letztlich nicht zu
besorgen, dass das Gericht verkannt haben könnte, dass die
strafschärfend gewertete Nichtigkeit des Tatanlasses durch die
Verminderung der Schuldfähigkeit bedingt ist und dem
Angeklagten daher nicht uneingeschränkt angelastet werden
durfte (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 46
Rdn. 33). Dass einer etwaigen zusätzlichen Anordnung einer
Maßregel nach § 64 StGB strafmildernde Wirkung
zukommen könnte, ist auszuschließen. 3 4 Allerdings
kann die Ablehnung einer Maßregel nach § 64 StGB
für sich keinen Bestand haben. Angesichts des Tatbildes der
tödlichen Gewalttat des alkoholkranken, mit 3,47 ‰
massiv alkoholisierten Angeklagten gegen einen Trinkgenossen aufgrund
nichtigsten Anlasses - Streit, ob das Opfer dem Angeklagten
für diesen eingekaufte Zigaretten zu dessen etwa fünf
Meter entfernter Parkbank zu bringen habe oder ob der Angeklagte sie
sich abholen müsse - überbewerten Gericht und
Sachverständiger bei der Verneinung einer Wiederholungsgefahr
das Fehlen einschlägiger Vorbelastungen des Angeklagten; sie
lassen unbeachtet, dass die von § 64 Abs. 1 StGB geforderte
Gefahr allein durch die Anlasstat begründet werden kann und
durch eine hangbedingte schwere Gewalttat regelmäßig
hinreichend belegt wird (BGHR StGB § 64 Abs. 1
Gefährlichkeit 7). Der Senat vermag nicht der Wertung des
Tatgerichts zu folgen, die Tat sei „auf eine spezielle
Täter-Opfer-Konstellation in einer für den
Angeklagten besonderen Ausnahmesituation
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zurückzuführen“. Dem widerstreitet die an
den Lebensumständen des Angeklagten gemessene Alltagssituation
der im Trinkermilieu begangenen Tat. Einer Aufhebung von Feststellungen
bedarf es angesichts des bloßen Wertungsfehlers nicht. Da
nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ein
Ausmaß der Alkoholerkrankung des Angeklagten, bei dem die
Voraussetzungen des § 63 StGB in Erwägung zu ziehen
wären, ausscheidet, ein Hang im Sinne des § 64 StGB
indes feststeht, wird das neue Tatgericht die ausstehende
Maßregelentscheidung auf der Grundlage der bisher getroffenen
Feststellungen, namentlich auch zum Vorleben des Angeklagten, die
lediglich durch weitere, ihnen nicht widersprechende Feststellungen
ergänzbar sind, zu treffen und dafür - erneut mit
sachverständiger Hilfe - im Wesentlichen nur noch die Frage
hinreichender Erfolgsaussicht einer Entziehungskur im Sinne von BVerfGE
91, 1 zu klären haben. 5
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