BGH,
Beschl. v. 22.2.2006 - 5 StR 585/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 66b Abs. 2 StPO §§ 275a, 462a Abs. 1
Satz 3 GVG § 74f
1. „Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu §
66b StGB sind nur solche Tatsachen, die nach der letzten
Möglichkeit, Siche- rungsverwahrung anzuordnen, erkennbar
wurden (Vorrang des Erkenntnisverfahrens).
2. Auch für die nachträgliche Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2
StGB ist Vor- aussetzung die Feststellung eines
„Hanges“ im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3
StGB.
3. Die Strafvollstreckungskammer kann entsprechend § 462a Abs.
1 Satz 3 StPO die Entscheidung über Weisungen im Rahmen von
Führungsaufsicht der nach § 74f GVG
zuständigen Strafkammer für die Dauer des Verfahrens
nach § 275a StPO übertragen.
BGH, Beschluss vom 22.02.2006 - 5 StR 585/05 LG Cottbus -
5 StR 585/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22.2.2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22.02.2006 beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts
Cottbus vom 11. August 2005 wird nach § 349 Abs. 4 StPO mit
den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Unterbringung des Verurteilten in der
Sicherungsverwahrung nachträglich gemäß
§ 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Grundlage war eine Verurteilung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren durch das Bezirksgericht
Cottbus vom 29. Juli 1993 u. a. wegen Vergewaltigung (Einsatzstrafe
sieben Jahre Freiheitsstrafe). Die Revision des Verurteilten hat mit
der Sachrüge Erfolg. I. Das Landgericht hat folgende
Feststellungen getroffen: Im Alter von 14 und 15 Jahren missbrauchte
der Verurteilte zwischen August 1980 und August 1981 in zehn
Fällen seine zwei Jahre jüngere Schwester. Im
September 1983 vergewaltigte er ein 17 Jahre altes Mädchen,
das er zuvor in einer Diskothek kennen gelernt hatte. Deshalb und wegen
mehrerer mittäterschaftlich begangener
Einbruchsdiebstähle verurteilte ihn das Kreisgericht
Cottbus-Stadt am 7. März 1984 zu einer Freiheitsstrafe von
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einem Jahr und drei Monaten. Diese verbüßte er bis
zur vorzeitigen Entlassung am 21. Februar 1985 unter Aussetzung des
Strafrestes zur Bewährung. Im April 1985 versuchte der nunmehr
18jährige Verurteilte, eine 45 Jahre alte
Schrankenwärterin zu vergewaltigen. Wegen dieser Straftat
wurde er am 23. Juli 1985 durch das Kreisgericht Cottbus-Stadt zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; diese und die widerrufene
Restfreiheitsstrafe aus der Vorverurteilung verbüßte
er bis zum September 1987 vollständig. Wegen zweier
Diebstahlstaten wurde er am 3. Juni 1988 durch das Kreisgericht
Greifswald zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung durch Amnestie am 23. Dezember 1989
beendet wurde. Im April 1992 vergewaltigte der Verurteilte ein ihm
zuvor unbekanntes zwölf Jahre altes Mädchen. Wegen
dieser und einer weiteren Tat (Gefangenenmeuterei) wurde er am 29. Juli
1993 durch das Bezirksgericht Cottbus zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von acht Jahren verurteilt; für die Sexualstraftat wurde die
Einsatzstrafe von sieben Jahren Freiheitsstrafe verhängt
(Anlassverurteilung). Während des Strafvollzuges, der ab Ende
1993 in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel erfolgte, missbrauchte der
nunmehr 28jährige Verurteilte am 25. Mai 1995 einen 42 Jahre
alten, ihm körperlich deutlich unterlegenen Mitgefangenen.
Wegen dieser Tat wurde er am 2. Oktober 1996 durch das Landgericht
Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die
Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wurde in
diesem Verfahren nicht verhängt, obgleich die formellen
Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nach
damaligem Recht vorlagen. Im November 1997 bedrängte der
Verurteilte einen 26 Jahre alten Mitgefangenen sexuell. Wegen dieser
Handlungen erließ das Amtsgericht Hamburg einen Strafbefehl
wegen Beleidigung. Im Juli 1999 ohrfeigte der
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Verurteilte einen Mitgefangenen, zu dem er sexuelle Kontakte
unterhielt. Deswegen wurde er für zwei Monate auf eine
geschlossene Station verlegt. Von 1995 an beantragte der Verurteilte
mehrfach erfolglos seine Aufnahme in sozial-therapeutische Anstalten
bzw. sozial-therapeutische Stationen. Zu einer Aufnahme kam es nicht,
weil der Verurteilte entweder als dafür nicht geeignet
beurteilt wurde oder zu den behandelnden Psychologen kein Vertrauen
fassen konnte. Zuletzt sollte er Ende 2003 in die sozial-therapeutische
Abteilung der JVA verlegt werden. Zu einer Aufnahme kam es nicht, weil
der Verurteilte seine zuvor gegebene Zustimmung zu einer
Hormonbehandlung zurückzog. In den Jahren 2001 und 2004
diagnostizierten zwei Gutachter bei dem Verurteilten eine dissoziale
Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.2); sie stellten
fest, dass der Verurteilte weiterhin gefährlich sei. Vor der
Anlassverurteilung war ein anderer psychiatrischer
Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem
Verurteilten keine Anzeichen für das Vorliegen einer
pathologisch relevanten Persönlichkeitsstörung
vorlägen. Seit Sommer 2002 unterhält der Verurteilte
eine Beziehung zu einer Frau, die er während ihrer Ausbildung
zur Juristin in der JVA kennen gelernt hatte. Beide wollen heiraten und
eine Familie gründen. Der Verurteilte
verbüßte die Freiheitsstrafen aus den letzten beiden
Urteilen vollständig bis zum 12. Dezember 2004, zuletzt den
Rest der Gesamtfreiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung. Seit dem 13.
Dezember 2004 befindet er sich nach § 275a Abs. 5 StPO in
einstweiliger Unterbringung. Auf nicht näher
begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 22.
Oktober 2004 hat das Landgericht gegen den Verurteilten die
Hauptverhandlung durchgeführt und in dem angefochtenen Urteil
gemäß § 66b Abs. 2 StGB
nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
angeordnet. In dem Verfahren wurden zwei neue psychiatrische Gut-
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achten eingeholt, die beide zum Ergebnis kommen, dass der Verurteilte
an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leide und
aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur das Risiko einer
Wiederholung gleich gelagerter erheblicher Straftaten sehr hoch sei.
Als „neue“ Tatsachen im Sinne der Rechtsprechung zu
§ 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB hat das Landgericht Folgendes
gewertet: die vom Landgericht Hamburg mit vier Jahren Freiheitsstrafe
geahndete Sexualstraftat gegen einen Mitgefangenen; die erst
während des Strafvollzuges gestellte Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung; die mit Geldstrafe durch
Strafbefehl sanktionierte sexuelle Beleidigung gegenüber einem
anderen Mitgefangenen; die erwähnte Tätlichkeit gegen
einen weiteren Mitgefangenen; einen Brief teils sexuellen, teils die
Anstaltsbediensteten beleidigenden Inhalts an einen Mitarbeiter der
Gefangenenhilfe, mit dem der Verurteilte über einige Zeit
homosexuelle Kontakte pflegte. II. Das angefochtene Urteil
hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht
stand. 1. Es fehlt (im vorliegenden Übergangsfall) nicht an
der Verfahrensvoraussetzung eines begründeten Antrags der
Staatsanwaltschaft. Ein zulässiger Antrag der
Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt allerdings dessen
Begründung unter Darlegung der neu erkennbar gewordenen
Tatsachen voraus (BGH, Urteil vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05, zur
Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, StV 2006, 67, 69; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 3. November 2005 - 3 StR 345/05). Indes ist den
Staatsanwaltschaften aufgrund der insoweit nicht vorhersehbaren
Rechtsentwicklung, die auf Mängeln der Gesetzesfassung beruht,
bis zur Veröffentlichung der vorgenannten Ent-
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scheidung des 2. Strafsenats eine Übergangsfrist zur Stellung
formgerechter Anträge zuzubilligen (BGH StV 2006, 67, 69). In
diesem Zusammenhang sieht der Senat Anlass für den Hinweis,
dass derartige Anträge der Staatsanwaltschaft
möglichst so frühzeitig zu stellen sind, dass eine
Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch während der
regulären Vollzugszeit ergehen kann. Ob an die Nichteinhaltung
der Soll-Vorschrift in § 275a Abs. 1 Satz 3 StPO, wonach der
Antrag spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen
Vollzugsende zu stellen ist, jedenfalls in Fällen, in denen
eine Fristwahrung nicht durch erst kurzfristig bekannt gewordene
maßgebliche neue Erkenntnisse gehindert war, negative
prozessuale Konsequenzen zu knüpfen sind, braucht der Senat
hier nicht zu entscheiden; vorliegend handelt es sich ersichtlich um
einen Übergangsfall, weil der Antrag nur wenige Monate nach
Inkrafttreten der Neuregelung gestellt wurde. 2. Die
nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht -
ersichtlich den Vorgaben des OLG Brandenburg folgend (vgl. NStZ 2005,
272) - die Straftat aus dem Jahr 1995 unzutreffend als bedeutende
„neue Tatsache“ angesehen hat; auch die
bloße Änderung der psychiatrischen Diagnose durfte
als solche nicht ohne weiteres herangezogen werden. a) Einer
nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB steht allerdings
nicht bereits grundsätzlich entgegen, dass die
Verhängung von Sicherungsverwahrung bei Aburteilung der
Anlasstat nach Art. 1a EGStGB in der Fassung des Einigungsvertrags vom
31. August 1990 (i. V. mit dem Einigungsvertragsgesetz vom 23.
September 1990, BGBl II 885, 889, 955) nicht möglich war (BGH,
Beschluss vom 12.01.2006 - 4 StR 485/05 m.w.N.). Die damals
gültigen Beschränkungen für die
Verhängung von Sicherungsverwahrung bei Anlasstaten im
Beitrittsgebiet durch Art. 1a Abs. 1 EGStGB a. F. gelten nicht mehr;
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es besteht auch keine einschränkende
Übergangsregelung für Altfälle mehr (vgl.
auch BGH, Urteil vom 1. Juli 2005 - 2 StR 9/05, zur
Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, NStZ 2005, 684, 685).
Mit dieser Änderung sollten im Lichte der Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts vom 5. und 10. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133
und 190) für verzichtbar gehaltene zeitliche
Beschränkungen beseitigt werden (Gesetzesbegründung
BT-Drucks. 15/2887 S. 20). Ob diese Frage bei § 66b Abs. 1
StGB infolge der Verweisung auf „die übrigen
Voraussetzungen des § 66“ etwa anders zu bewerten
wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. auch BGH,
Urteil vom 11. Mai 2005 - 1 StR 37/05, zur Veröffentlichung in
BGHSt vorgesehen, NStZ 2005, 561; BGH StV 2006, 67, 70; BGH, Beschluss
vom 12. Januar 2006 - 4 StR 485/05). Der Gesetzgeber hat mit §
66b Abs. 2 StGB bewusst die Möglichkeit geschaffen,
nachträglich Sicherungsverwahrung auch in solchen
Fällen zu verhängen, in denen dies bei Aburteilung
der Anlasstat nicht möglich gewesen wäre (vgl.
Gesetzesbegründung aaO S. 13). Durchgreifende verfassungs-
oder konventionsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift hat der
Senat - nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen
- nicht (vgl. BGH StV 2006, 67, 70 m.w.N.; Tröndle/Fischer,
StGB 53. Aufl. § 66b Rdn. 5 f.): Die Vorschrift des §
66b StGB ermöglicht die nachträgliche Anordnung der
schwersten Unrechtsfolge, die zum Strafrecht im weiteren Sinne
gehört (vgl. BVerfGE 109, 190, 211 ff.): der zeitlich
unbefristeten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Eine derart
schwerwiegende nachträgliche Anordnung von Freiheitsentziehung
geht mit einer massiven Einschränkung von Vertrauensschutz
einher, da sich der Verurteilte, anders als in allen
Regelfällen, nicht auf ein gesichertes Ende des
Freiheitsentzugs auf der Grundlage seiner rechtskräftigen
Verurteilung verlassen kann. Dieser gewichtige Eingriff in
Freiheitsgrundrecht und Vertrauensschutz ist auch nach
Abwägung mit den Anliegen einer effektiven Gefahrenabwehr
zugunsten der Bürger, die vor drohenden Verletzungen
gewichtiger Rechtsgüter durch gefährliche Wieder-
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holungstäter geschützt werden sollen, nur dann
verfassungsrechtlich hinnehmbar, wenn die Anwendung so restriktiv
gehandhabt wird, wie dies der Gesetzgeber ausdrücklich wollte,
die Anordnung sich also auf seltene Einzelfälle extrem
gefährlicher Täterpersönlichkeiten
beschränkt (Gesetzesbegründung aaO S. 10, 12 f.; vgl.
auch BVerfGE 109, 190, 236; BGH NStZ 2005, 561, 562; StV 2006, 67, 71;
BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05, zur
Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, StV 2006, 66). An diesem
gesetzgeberischen Anliegen, das aus verfassungsrechtlichen Vorgaben
folgt, hat sich die Auslegung und Anwendung von § 66b StGB
vorrangig zu orientieren. aa) Als „neue Tatsachen“
im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB
kommen deshalb nur solche in Betracht, die aus Sicht des Gerichts schon
für sich gesehen von besonderem prognoserelevanten Gewicht
sind (BGH StV 2006, 67, 71) und in symptomatischem Zusammenhang mit der
Anlassverurteilung stehen (vgl. BGH StV 2006, 66, 67). Besondere
Vorsicht ist bei der Bewertung von Vollzugsverhalten geboten, weil die
besonderen Bedingungen langjähriger Unterbringung in
geschlossenem Freiheitsentzug für
Rückschlüsse auf die allgemeine
Gefährlichkeit nur bedingt geeignet erscheinen (vgl. BGH StV
2006, 67, 71; BGH, Beschluss vom 12.01.2006 - 4 StR 485/05). bb)
Beachtlich sind nach dem Wortlaut von § 66b Abs. 1 und Abs. 2
StGB nur solche Tatsachen, die vor Ende des Vollzugs
„erkennbar“ geworden sind. Umstände, die
schon für den früheren Tatrichter erkennbar waren,
die er aber nicht erkannt hat, scheiden als neue Tatsachen aus (BGH
NStZ 2005, 561, 562 m. Anm. Ullenbruch; BGH NStZ 2005, 684, 686). In
diesem Sinne „erkennbar“ sind auch solche
Umstände, die ein Tatrichter nach Maßstab des
§ 244 Abs. 2 StPO für die Frage der Anordnung einer
freiheitsentziehenden Maßregel hätte
aufklären müssen (BGH StV 2006, 66).
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Die bloße neue (abweichende) Bewertung von bereits bei der
Anlassverurteilung bekannten oder erkennbaren Tatsachen - insbesondere
eine abweichende psychiatrische Diagnose auf bekannter
Tatsachengrundlage - stellt keine „neue“ Tatsache
dar (vgl. BGH NStZ 2005, 684, 686; BGH StV 2006, 66, 67; BGH, Urteile
vom 19.01.2006 - 4 StR 222/05 sowie 393/05; Tröndle/Fischer
aaO § 66b Rdn. 14). Rechtsfehler, die durch mangelnde
Aufklärung oder infolge Nichtberücksichtigung bereits
bekannter oder erkennbarer Tatsachen entstanden sind, dürfen
nicht durch die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung korrigiert werden (BGH NStZ 2005, 561, 562;
684, 686; StV 2006, 66, 67). cc) Entscheidender Zeitpunkt für
die Frage der Neuheit derartiger Tatsachen ist nicht stets die letzte
Tatsachenentscheidung bei der Anlassverurteilung (vgl. BGH NStZ 2005,
684, 686; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - 4 StR 485/05), sondern
bei weiteren Verurteilungen die letzte Tatsachenverhandlung, in der
eine Entscheidung über die primäre Anordnung von
Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können (vgl. OLG
Frankfurt NStZ-RR 2005, 106 m. Anm. Eisenberg StV 2005, 345; a. A. OLG
Brandenburg NStZ 2005, 272, 275; Veh NStZ 2005, 307, 309 ff.).
„Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b
Abs. 2 StGB können damit nur solche Tatsachen sein, die nach
der letzten Möglichkeit, Sicherungsverwahrung anzuordnen,
erkennbar wurden. Dies ergibt sich aus Folgendem: Der Grundsatz, dass
das Verfahren nach § 66b StGB nicht der Korrektur
rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen dient, die von der
Staatsanwaltschaft nicht beanstandet wurden (BGH NStZ 2005, 561, 562;
StV 2006, 67, 71), gilt nicht nur für die Anlassverurteilung,
sondern auch für die Aburteilung späterer Straftaten,
namentlich während des Strafvollzugs begangener. Lagen hier
die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung
vor und ist sie, aus welchem Grund auch immer, unterblieben, muss auch
insoweit gelten, dass dieses Versäumnis nicht durch die
Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung behoben werden
kann. Ist
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nämlich in einem konkreten Strafverfahren von der Anordnung
von Sicherungsverwahrung abgesehen worden, obwohl dies
grundsätzlich möglich gewesen wäre, ist
durch die Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtsfolgen
ein individueller Vertrauenstatbestand gesetzt worden. Ein derart im
Einzelfall begründetes berechtigtes Vertrauen auf die
Bestandskraft eines rechtskräftigen Urteils mit seinen
freiheitsbeschränkenden Folgen, damit auch auf die
Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung darf nicht dadurch
enttäuscht werden, dass eine solche Entscheidung trotz
hiernach unveränderter Tatsachengrundlage
nachträglich korrigiert wird. Die Möglichkeiten
primärer Verhängung von Sicherungsverwahrung
gemäß §§ 66, 66a StGB
müssen gegenüber der Möglichkeit
nachträglicher Anordnung strikt vorrangig bleiben (vgl.
Tröndle/Fischer aaO Rdn. 19 m.w.N.), die gleichsam als
Wiederaufnahme zum Nachteil des Verurteilten ausgestaltete
nachträgliche Sicherungsverwahrung (vgl. Ullenbruch in
MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 41; Zschieschack/Rau JR
2006, 8, 12) darf stets nur subsidiär eingreifen. Eine zur
primären Verhängung von Sicherungsverwahrung
geeignete Tat kann deshalb grundsätzlich nicht als
„neue Tatsache“ gelten. Dies muss auch dem
Abschluss eines Verfahrens nach § 275a StPO i.V.m. §
66b StGB anlässlich einer Straftat im Vollzug entgegenstehen,
solange nicht geklärt ist, ob die Tat durch Anklage und
Hauptverhandlung zur Anordnung von Sicherungsverwahrung führt
(„Vorrang des Erkenntnisverfahrens“). Solche
Verfahrensweise entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers; danach
ist für die Relevanz neuer Tatsachen im Sinne des §
66b StGB entscheidend, ob sie für die Anordnung von
Sicherungsverwahrung „erst zu diesem späten
Zeitpunkt berücksichtigt werden konnten“
(Gesetzesbegründung aaO S. 12). Der wesentliche Gesichtspunkt
der Subsidiarität des besonderen Verfahrens nach §
66b StGB, § 275a StPO und der daraus herzuleitende strikte
Vorrang des Erkenntnisverfahrens rechtfertigt den - auf den ersten
Blick als Wertungswiderspruch imponierenden (vgl.
Tröndle/Fischer aaO
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§ 66b Rdn. 19) - Umstand, dass die nachträgliche
Anordnung nach § 66b StGB aufgrund ihrerseits
sicherungsverwahrungsbegründender neuer Straftaten
ausscheidet, hingegen wegen weniger gewichtiger Straftaten in Betracht
kommt. Da die schwerer wiegenden neuen Straftaten des Verurteilten bei
hinreichender Gefährlichkeitsprognose im Sinne von §
66b StGB auch in einem neuen Erkenntnisverfahren fraglos zur Anordnung
von Sicherungsverwahrung führen müssten (vgl. auch
Streng StV 2006, 92, 97), liegt in Wahrheit materiell gar kein
Wertungswiderspruch vor. Formell wird das besondere Verfahren nach
§ 66b StGB, § 275a StPO sachgerecht auf
Ausnahmefälle beschränkt, in denen die zum Schutz der
Allgemeinheit unerlässliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
im ordentlichen Verfahren nicht durchsetzbar ist. dd) Voraussetzung
für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung muss zudem die Feststellung eines Hanges zu
erheblichen Straftaten sein. Dies gilt nicht nur für
§ 66b Abs. 1 StGB (BGH NStZ 2005, 561, 563), sondern muss auch
für § 66b Abs. 2 StGB gelten (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 20; Zschieschack/Rau
JR 2006, 8, 13; zu den anders lautenden Äußerungen
im Gesetzgebungsverfahren: Gesetzesbegründung aaO S. 13). Es
wäre unplausibel, wenn sich die Anordnungsvoraussetzungen von
§ 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB in diesem Punkt unterschieden
(Tröndle/Fischer aaO). Zudem sollte ein derart schwerwiegender
unbefristeter Freiheitseingriff wie die Sicherungsverwahrung lediglich
bei solchen Straftätern in Betracht kommen, die eine intensive
Neigung zu ganz erheblichen rechtswidrigen Taten aufweisen. Nur eine
Auslegung, wonach stets bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung ein
„Hang zu erheblichen Straftaten“ im Sinne von
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlich ist, vermeidet auch
Widersprüche zur Regelung in § 67d Abs. 3 StGB, die
auch in Fällen nachträglicher Anordnung von
Sicherungsverwahrung gilt (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 14).
Danach wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Ablauf
von zehn
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Jahren für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr
besteht, dass der Untergebrachte „infolge seines
Hanges“ erhebliche Straftaten begehen wird (vgl. auch
§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO). Die Gesetzesformulierung legt nahe,
dass bei dem Untergebrachten jedenfalls einmal ein Hang in diesem Sinne
festgestellt worden ist (vgl. § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und
§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO: „seines Hanges“;
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB: „eines Hanges“).
Zudem können die materiellen Voraussetzungen der Erledigung
inhaltlich nicht in einem entscheidenden Punkt von den Voraussetzungen
der Maßregelanordnung abweichen (vgl. Streng StV 2006, 92,
96). Dass insbesondere bei von § 66b Abs. 2 StGB auch
erfassten Ersttätern eine schmalere Beurteilungsgrundlage
gegeben sein kann als bei Mehrfachtätern im Sinne von
§ 66b Abs. 1 StGB (vgl. hierzu etwa Ullenbruch in
MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 123), steht dem nicht
entgegen (zutreffend Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn.
20). Zu erwägen wäre, ob in derartigen
Fällen, in denen für die erforderliche Feststellung
einer intensiven Neigung des Verurteilten zur Begehung besonders
gewichtiger Straftaten vorrangig auf eine von ihm begangene besonders
schwere Tat abzustellen sein wird, auf das von der Rechtsprechung
für den Hang geforderte Kriterium eines
„eingeschliffenen Verhaltensmusters“ zu verzichten
ist (vgl. hierzu auch Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn.
18 ff.). b) Nach diesen Kriterien kann die Begründung des
Landgerichts für die nachträgliche Anordnung der
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben: aa)
Eine Berücksichtigung der Sexualstraftat im Justizvollzug 1995
als „neue Tatsache“ scheidet aus. Denn in dem
Verfahren vor dem Landgericht Hamburg im Jahr 1996 lagen - anders als
im Verfahren vor dem Bezirksgericht Cottbus - die formellen
Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB vor.
Weshalb in diesem Verfahren nicht Sicherungsverwahrung gegen den
Verurteilten angeordnet wurde, ist aus dem angefochtenen
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Urteil nicht ersichtlich, aber letztlich auch unerheblich. Es geht
jedenfalls nicht an, ein etwaiges Versäumnis im
vorangegangenen Strafverfahren durch nachträgliche Anordnung
der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu beheben. bb) Nicht als
„neue Tatsache“ kann auch eine bloße
Änderung der psychiatrischen Diagnose gelten. Nach den
Urteilsgründen liegt nahe, dass der Diagnose der
Persönlichkeitsstörung des Verurteilten nur eine
Änderung der Bewertung bereits erkannter und erkennbarer
Tatsachen zugrunde lag; dies reicht für die Anwendung von
§ 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB nicht aus (vgl. BGH StV 2006,
66, 67; BGH, Beschluss vom 12.01.2006 - 4 StR 485/05 - und Urteile vom
19.01.2006 - 4 StR 222/05 sowie 393/05). Dass die jetzt verwertete
psychiatrische Beurteilung etwa doch maßgeblich auf
für den früheren Tatrichter nicht erkennbaren neuen
Umständen beruhte (vgl. BGH StV 2006, 66, 67), wird in dem
angegriffenen Urteil nicht belegt. 3. Der Senat sieht davon ab, in der
Sache selbst zu erkennen. Als „neue Tatsachen“
verbleiben neben dem sonstigen Vollzugsverhalten (hierbei insbesondere
der Weigerung, sich der vorgeschlagenen Hormonbehandlung als
Voraussetzung weiterer Therapiemöglichkeiten zu unterziehen,
UA S. 29 f.) zwei Übergriffe auf Mitgefangene, von denen einer
zu strafrechtlicher Verurteilung mittels Strafbefehl geführt
hat, und ein derbanzüglicher Brief. Nach den
Gesetzesmaterialien können derartige Umstände
berücksichtigungsfähig sein (vgl.
Gesetzesbegründung aaO S. 12). Grundsätzlich kann
auch die (hier mittelbare) Verweigerung einer Therapie zu den in
§ 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB genannten neuen Tatsachen
gehören, die erst nach der Verurteilung und vor Ende des
Vollzuges erkennbar werden und auf eine erhebliche
Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit
nach seiner Entlassung hinweisen, wenn auch ein solcher Umstand
für sich allein kaum einmal ausreichen wird,
nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
anzuordnen (vgl. BGH NStZ 2005, 561, 562; Gesetzesbegrün-
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dung aaO S. 13; BVerfGE 109, 190, 241). Eine Berücksichtigung
der genannten Umstände, die vor dem Hintergrund der
Sexualstraftaten des Verurteilten für die bei § 66b
StGB vorzunehmende Prognose - stärker als es
regelmäßig für im Vollzug nicht
unübliche gewaltsame Auseinandersetzungen gilt - gewisses
Gewicht erlangen können, erscheint dem Senat nicht sicher
ausgeschlossen; zudem ist das Landgericht bislang nicht der Frage
nachgegangen, ob die Änderung der psychiatrischen Beurteilung
etwa doch auf früher nicht erkennbaren neuen
Umständen beruht (vgl. BGH StV 2006, 66, 67). III.
Für die einstweilige Unterbringung des Verurteilten gilt
Folgendes: 1. In Anbetracht der deutlichen Beschränkung der
Beurteilungsgrundlage durch die Senatsentscheidung wird der neue
Tatrichter alsbald erneut über die vorläufigen
Unterbringungsverhältnisse zu entscheiden haben (vgl.
§ 275a Abs. 5 Satz 4 StPO i.V.m. § 126a Abs. 3 Satz 1
StPO). Allerdings ist tunlichst zu verhindern, dass für
gefährlich gehaltene Straftäter nach
langjähriger Haft ohne jede Vorbereitung, d. h.
womöglich ohne Unterkunft und ohne rechtzeitige
Benachrichtigung des etwa vorhandenen sozialen Umfeldes, sehenden Auges
in einer Art und Weise aus dem Vollzug entlassen werden, die das
Rückfallrisiko ganz beträchtlich steigern kann. Dies
bedingt, dass in jedem Fall, in dem ein Verfahren nach § 275a
StPO bei bestehendem Unterbringungsbefehl über das Strafende
hinaus andauert, im Strafvollzug vorbereitende organisatorische
Maßnahmen zu treffen sind, die für den Fall einer
Anordnung der Entlassung sofort greifen. Auch mit Rücksicht
auf dieses gravierende Organisationsproblem werden Staatsanwaltschaft
und Gericht sich besonders intensiv darum zu bemühen haben,
dass Verfahren nach § 66b StGB, § 275a StPO tunlichst
vor Erreichen des Strafendes zum Abschluss gebracht werden.
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Darüber hinaus ist dem genannten Anliegen ferner - unter
Einbindung der hierfür zuständigen
Strafvollstreckungskammer - durch verstärkte
Ausschöpfung der im Rahmen von Führungsaufsicht
(§§ 68 ff. StGB) möglichen Leitung des
Verurteilten zu begegnen (vgl. auch BVerfGE 109, 190, 248 [abweichende
Meinung]). Der Senat verkennt dabei nicht die tatsächlichen
und rechtlichen Schwierigkeiten der derzeitigen
Führungsaufsichtsregelung. Schon aus
Verhältnismäßigkeitsgründen
erscheint ein Ausbau der Führungsaufsicht (vgl. dazu Peglau JR
2006, 14, 17) zu einer effektiven Rückfallvorsorge durch
engmaschige Anleitung des Verurteilten als milderes Mittel
gegenüber einer etwa vermehrten nachträglichen
Verhängung zeitlich unbefristeter Sicherungsverwahrung
angezeigt. Ob der Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit weitere Auswirkungen
auf das Verfahren der Anordnung nachträglicher
Sicherungsverwahrung hat, etwa statt dessen die Anordnung einer weniger
schwerwiegenden Maßregel bei gleicher Erfolgsaussicht
ermöglicht (vgl. § 67a Abs. 2 StGB; hierzu auch
Gesetzesbegründung aaO S. 14), braucht der Senat hier nicht zu
entscheiden. 2. Aus Sicht des Senats sollte das nach § 74f GVG
zuständige Gericht im Rahmen seines Verfahrens - insbesondere
bei Aufhebung eines Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5
StPO, so namentlich im Zusammenhang mit der Ablehnung des
staatsanwaltlichen Antrags durch Urteil - auch Entscheidungen
über Weisungen im Rahmen der nach Entlassung aus dem
Strafvollzug in aller Regel kraft Gesetzes (§ 68f StGB)
eintretenden Führungsaufsicht treffen können. a) Das
nach § 74f GVG zuständige Gericht ist in diesem
speziellen Fall sachnäher als die Strafvollstreckungskammer.
In dem Verfahren über die Anordnung nachträglicher
Sicherungsverwahrung nach § 275a StPO i.V.m. § 66b
StGB wird die Frage einer fortwirkenden Gefährlichkeit des
Verurteilten im Falle der Haftentlassung mit sachverständiger
Hilfe (§ 275a Abs. 4 StPO) besonders eingehend untersucht.
Dieses in öffentlicher Hauptverhandlung
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unter Mitwirkung eines Verteidigers durchgeführte
prognostische Verfahren ist demjenigen der Strafvollstreckungskammer
nach § 453 i.V.m. § 463 Abs. 2 StPO in vielerlei
Hinsicht überlegen. Insbesondere können in diesem
Verfahren - etwa unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten - auch
Möglichkeiten einer zunächst engmaschigen
Führung des Verurteilten nach Haftentlassung erörtert
werden. b) Zuständig für sämtliche
Entscheidungen im Rahmen der gemäß § 68f
StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht ist - und
bleibt bis zu deren Beendigung - die Strafvollstreckungskammer (vgl.
§ 463 Abs. 6 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2
StPO). Allerdings hat diese die Möglichkeit einer Abgabe
einzelner Entscheidungen an das Gericht des ersten Rechtszugs
(§ 462a Abs. 1 Satz 3 StPO). Nach bisherigem
Rechtsverständnis ist die Abgabemöglichkeit
allerdings auf die in § 458 Abs. 1 StPO bezeichneten Fragen
beschränkt, die in unmittelbar sachlichem Zusammenhang mit dem
erstinstanzlichen Urteil stehen (vgl. BGHSt 26, 352). c) Der Senat
entnimmt den Regelungen in § 462a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2
Satz 2 StPO das Anliegen des Gesetzgebers, in Fällen
nachträglicher Entscheidungen eine
Übertragungsmöglichkeit auf das sachnächste
Gericht zu schaffen. Das Verfahren der nachträglichen
Verhängung von Sicherungsverwahrung ist sachlich eng mit der
Anlassverurteilung verknüpft, andererseits, wie
ausgeführt, zugleich mit der nach
Vollverbüßung eintretenden
Führungsaufsicht. Im Gesetzgebungsverfahren hat der
Gesetzgeber - soweit ersichtlich - die nahe liegende
Möglichkeit einer hiermit zusammenhängenden
Kompetenzübertragung nicht gesehen. Diese planwidrige
Regelungslücke ist durch entsprechende Anwendung von
§ 462a Abs. 1 Satz 3 StPO auf die im Rahmen der
Führungsaufsicht nach den §§ 68a bis 68d
StGB zu treffenden Entscheidungen auszufüllen.
„Gericht des ersten Rechtszugs“ ist entsprechend
§ 462a Abs. 6 Alt. 2 StPO das nach § 74f GVG
zuständige Gericht, weil das Verfahren zur
nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung in der Sache am ehesten mit einem Wiederauf-
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nahmeverfahren (zuungunsten des Verurteilten) zu vergleichen ist
(Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 41). d)
Durch entsprechende Weisungen an den Verurteilten (§ 68b
StGB), gegebenenfalls auch durch Anweisungen an den
zuständigen Bewährungshelfer oder die
Führungsaufsichtsstelle (§ 68a Abs. 5 StGB) sollte
das mit einer sofortigen Entlassung nach langjähriger Haft
verbundene erhöhte Rückfallrisiko soweit wie
möglich minimiert werden. Wurden von der
Strafvollstreckungskammer bereits Entscheidungen nach
§§ 68a ff. StGB getroffen, kann das für die
Aufhebung des Unterbringungsbefehls zuständige Gericht nach
Übertragung der Entscheidungsbefugnis gemäß
§ 68d StGB prüfen, ob insoweit Änderungen
angezeigt sind. e) Sinnvollerweise wird die Staatsanwaltschaft zugleich
mit der Antragstellung gemäß § 275a Abs. 1
StPO bei der Strafvollstreckungskammer entsprechend § 462a
Abs. 1 Satz 3 StPO eine Übertragung der im Rahmen der
Führungsaufsicht möglichen Entscheidungen nach
§§ 68a, 68b, 68d StGB für die Dauer des
Verfahrens nach § 275a StPO an das nach § 74f GVG
zuständige Gericht anregen. Weil das übertragende
Gericht die Abgabe nach § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO stets
rückgängig machen kann, wenn es
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dies für zweckmäßig hält (vgl.
Fischer in KK, 5. Aufl. § 462a Rdn. 29), erscheint auch eine
entsprechende anfängliche Begrenzung möglich.
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