BGH,
Beschl. v. 22.6.2007 - 2 StR 203/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 203/07
vom
22.6.2007
Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja
StGB §§ 218, 224 Abs. 1 Nr. 5
Wird der Schwangerschaftsabbruch durch eine gefährliche
Körperverletzung in der Alternative der
lebensgefährdenden Behandlung herbeigeführt, so
stehen beide Delikte in Tateinheit zueinander.
BGH, Beschl. v. 22.06.2007 - 2 StR 203/07 - Landgericht Darmstadt
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 22.06.2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 20. November 2006 wird mit der Maßgabe als
unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen
Vergewaltigung in zwei Fällen sowie wegen
gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit
versuchtem Schwangerschaftsabbruch verurteilt ist. Im Übrigen
hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei
Fällen sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit
versuchtem Schwangerschaftsabbruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf
Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte
Revisi-on ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO, sie führt jedoch zu der aus dem Beschlusstenor
ersichtlichen Schuldspruchänderung zu Ungunsten des
Angeklagten.
1
Das Landgericht hat zu der unter II. 3 der Urteilsgründe
abgeurteilten Tat folgendes festgestellt:
2
Die Zeugin hatte sich von dem Angeklagten getrennt und den Kontakt
weitgehend abgebrochen. Am 1. März 2005 suchte er die von ihm
im sechsten Monat schwangere Zeugin auf. Im Verlauf des
zunächst harmonischen Abends forderte der Angeklagte die
Zeugin zum Geschlechtsverkehr auf. Als die Zeugin ab-
- 3 -
lehnte und sich seinen Bemühungen, sie gewaltsam dazu zu
bringen, widersetzte, versetzte er ihr zunächst unvermittelt
einen - möglicherweise nicht gezielten - Faustschlag, der sie
am Bauch traf. Als die Zeugin sich daraufhin noch heftiger wehrte, trat
er ihr wuchtig zweimal gegen den Bauch. Jedenfalls bei diesen Tritten
nahm er billigend in Kauf, dass sie das Absterben des von ihm ohnehin
nicht gewollten ungeborenen Kindes im Mutterleib zur Folge haben
könnten. Bei der Zeugin kam es zu einer Teilablösung
der Plazenta und einer dadurch verursachten Mangelversorgung des
Kindes. Der Bitte der Zeugin am nächsten Tag, sie ins
Krankenhaus zu fahren, kam der Angeklagte nicht nach. Als die Zeugin
nach fünf Tagen auf Veranlassung eines Bekannten in ein
Krankenhaus eingeliefert wurde, wurde das Kind durch einen
Notkaiserschnitt tot entbunden. Die Zeugin hätte ohne diesen
Eingriff nicht überlebt. Nach den Feststellungen der
Sachverständigen waren die gegen den Bauch der Zeugin
gerichteten Gewalteinwirkungen ursächlich für das
Absterben des bei normaler Weiterentwicklung lebensfähigen
Kindes gewesen.
Die Strafkammer ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass
bereits der möglicherweise nicht zielgerichtete Faustschlag
gegen den Bauch der Zeugin den - dann nur fahrlässig
begangenen - Schwangerschaftsabbruch zur Folge hatte. Es hat das
weitere Tatgeschehen - Tritte gegen den Bauch - deshalb lediglich als
versuchten Schwangerschaftsabbruch in Tateinheit mit
Körperverletzung gewertet. Zu Recht hat das Landgericht einen
besonders schweren Fall des Schwangerschaftsabbruchs nach §
218 Abs. 2 Nr. 2 StGB angenommen, weil der Angeklagte die Zeugin
leichtfertig in die Gefahr des Todes oder der schweren
Gesundheitsbeschädigung gebracht hat. Das Landgericht hat aber
verkannt, dass dem Angeklagten auch eine abstrakt
lebensgefährdende Behandlung im Sinne von § 224 Abs.
1 Nr. 5 StGB zur Last zu legen ist, die hier sogar - was für
den Qualifikationstatbestand nicht erforder-
3
- 4 -
lich ist - zu einer konkreten Lebensgefahr geführt hatte.
Zwischen dem versuchten Schwangerschaftsabbruch und der
gefährlichen Körperverletzung ist Tateinheit gegeben.
Eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung ergibt sich auch dann
nicht, wenn man bei Anwendung des doppelten in dubio-Satzes einen
vollendeten Schwangerschaftsabbruch annähme. Auch in diesem
Fall würde eine zugleich verwirklichte gefährliche
Körperverletzung entgegen den Bedenken des
Generalbundesanwalts nicht zurücktreten. Soweit in BGHSt 28,
11, 16 davon ausgegangen wurde, dass § 218 StGB sowohl die
einfache wie die gefährliche Körperverletzung
verdrängt, ist diese Entscheidung vor der Änderung
der Vorschrift des § 223 a StGB durch das 6. StrRG vom 26.
Januar 1998 ergangen. Die neu gefasste Vorschrift des § 224
Abs. 1 StGB hat die Regelstrafdrohung mit einer Mindeststrafe von sechs
Monaten und einer Höchststrafe von zehn Jahren deutlich
erhöht. Während die Mindeststrafe der des §
218 Abs. 2 StGB entspricht, ist die angedrohte Höchststrafe
von zehn Jahren nunmehr doppelt so hoch wie die des § 218 Abs.
2 StGB. Der erheblichen Anhebung des Strafrahmens für die
gefährliche Körperverletzung, in der eine
veränderte gesetzgeberische Wertung des Unrechtsgehalts dieses
Delikts zum Ausdruck kommt, würde deshalb im
Verhältnis zu § 218 StGB die Annahme von
Gesetzeskonkurrenz mit Verdrängung des Deliktes mit einer
höheren Strafdrohung nicht gerecht. § 265 StPO steht
nicht entgegen, da dem Angeklagten bereits in der Anklage eine
gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs.
1 Nr. 5 StGB zur Last gelegt worden ist. Der Bejahung eines besonderen
öffentlichen Interesses bedurfte es danach nicht mehr.
Der Senat kann die Revision ungeachtet des
Beschränkungsantrags nach § 154 a Abs. 2 StPO des
Generalbundesanwalts durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO
verwerfen, da der Generalbundesanwalt eine Auswirkung auf den
Strafausspruch verneint und die Verwerfung der Revision im
Übrigen
4
- 5 -
beantragt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11. August 1999 - 2 StR 44/99;
Kuckein in KK 5. Aufl. § 349 Rdn. 29 m.w.N).
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Ri'inBGH Roggenbuck Appl
ist urlaubsbedingt
ortsabwesend und
deshalb an der Unter-
schrift gehindert.
Rissing-van Saan |