BGH,
Beschl. v. 22.5.2003 - 3 StR 125/03
3 StR 125/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
22. Mai 2003
in der Strafsache gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 22. Mai 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 19. Dezember 2002 im Rechtsfolgenausspruch dahin
geändert, daß die Anordnung des Vorwegvollzugs eines
Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen
Mißbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt,
daß vor der Unterbringung zwei Jahre der Freiheitsstrafe
vorab zu vollstrecken sind. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts
gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der
Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Strafkammer hat, wie die Revision und der Generalbundesanwalt zu
Recht beanstanden, die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs der
Strafe nicht tragfähig begründet. Nach der
Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll
möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen
(oder kranken) Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten
einen dauerhaften Erfolg verspricht (BGHR StGB § 67 Abs. 2
Vorwegvollzug, teilweiser 4, 12). Zwar sieht § 67 Abs. 2 StGB
vor, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der
Maßregel vollzogen werden kann, wenn der Zweck der
Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Die allgemein
gehaltene Erwägung der Strafkammer, es sei angezeigt, die
"Alkoholtherapie" am Ende der Vollstreckung durchzuführen, da
eine Einweisung in die Justizvollzugsanstalt nach der
Entwöhnungsbehandlung demotivierend sei, reicht zur
Begründung indes nicht aus. Der Angeklagte ist therapiewillig.
Warum trotzdem der Vorwegvollzug eines Teils der Strafe im Interesse
einer Rehabilitation des Angeklagten erforderlich ist (vgl. BGHR StGB
§ 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7),
läßt sich den Urteilsgründen nicht
entnehmen. Auch hat sich die Strafkammer nicht erkennbar mit dem
Umstand auseinandergesetzt, daß der Angeklagte im Zeitraum
zwischen der Tat und seiner Verurteilung bereits fünf Monate
Untersuchungshaft verbüßt hatte. Zudem enthalten die
Urteilsgründe keine konkreten Anhaltspunkte, weshalb der sich
an die Maßregel anschließende Strafvollzug den
Therapieerfolg gefährden und wie sich dies auf den Angeklagten
konkret auswirken könnte. Schließlich fehlt jede
Begründung für die angeordnete Dauer des
Vorwegvollzugs, die namentlich dann unverzichtbar ist, wenn sie - wie
hier - zusammen mit der zu erwartenden anrechenbaren (§ 67
Abs. 4 StGB) Dauer der Unterbringung zwei Drittel der
verhängten Strafe und damit den Zeitpunkt übersteigt,
von dem an regelmäßig eine Aussetzung der
Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe in Betracht
kommt (§ 57 Abs. 1 StGB), da dann die Gefahr besteht,
daß der spätere Vollzug der Unterbringung sich wie
ein zusätzliches Strafübel auswirkt.
Die Anordnung des Vorwegvollzugs kann deshalb keinen Bestand haben.
Angesichts der getroffenen Feststellungen ist ausgeschlossen,
daß eine neue Verhandlung noch Erkenntnisse ergeben
könnte, wonach ausnahmsweise beim Angeklagten durch einen
(teilweisen) Vorwegvollzug der Strafe der Zweck der Maßregel
leichter erreicht würde. Entsprechend § 354 Abs. 1
StPO entscheidet der Senat daher selbst, daß die Anordnung
des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe entfällt.
2. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs.
2 StPO).
3. Der Senat sieht davon ab, den Angeklagten aus
Billigkeitsgründen teilweise von der Belastung mit Kosten und
notwendigen Auslagen freizustellen, weil er insgesamt keine
Verkürzung der ihm auferlegten Rechtsfolgen erreicht hat (vgl.
§ 473 Abs. 4 StPO).
Tolksdorf Miebach Winkler Becker Hubert- . .
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