BGH,
Beschl. v. 22.11.2005 - 4 StR 459/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 459/05
vom
22.11.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Nötigung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22.11.2005
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dessau vom 14.06.2005
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme zu einer
Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen dieses
Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
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Der Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Das
Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge den aus der
Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
Die Verurteilung wegen Geiselnahme (§ 239 b StGB) hat keinen
Bestand.
Der Angeklagte hat sich seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau zwar
bemächtigt, als er sie mittels Drohung mit einer von der
Geschädigten für echt gehaltenen Bombenattrappe in
seine Gewalt brachte, und sie so vom Verlassen ihrer Wohnung abhielt.
Er hat diese von ihm geschaffene Lage auch über mehrere
Stunden hinweg aufrechterhalten und auf diese Weise sein Ziel, seine
Ehefrau an der Wahrnehmung eines für den Tattag anberaumten
Scheidungstermins vor dem Familiengericht zu hindern, erreicht.
Er hat die Bemächtigungslage jedoch nicht, wie dies die im
Zweipersonenverhältnis gebotene einschränkende
Auslegung des § 239 b StGB voraussetzt, zu einer weiteren
Nötigung durch qualifizierte Drohung ausgenutzt (vgl. BGHSt
40, 350, 359; BGH NJW 1997, 1082; BGH NStZ-RR 2005, 173; BGH, Beschluss
vom 27. September 1996 - 1 StR 576/96). Dem Angeklagten ging es darum,
seine Ehefrau über einen bestimmten Zeitraum hinweg am
Verlassen der Wohnung zu hindern. Dieses Ziel hatte er erreicht, indem
er sich des Opfers bemächtigte und die
Bemächtigungslage unter Einsatz der qualifizierten Drohung
aufrecht erhielt. Seinem darüber hinaus erstrebten
Handlungsziel, auf diese Weise die Teilnahme seiner Ehefrau an dem
Scheidungstermin zu vereiteln, kam demgegenüber keine
eigenständige Bedeutung im Sinne eines über das
Sichbemächtigen hinaus gehenden Nötigungserfolges zu.
Vielmehr war dieses Ziel lediglich das Motiv des Angeklagten, seine
Ehefrau über einen längeren
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Zeitraum in seine Gewalt zu bringen. Mithin standen das
Sichbemächtigen und das abgenötigte Handeln bzw.
Unterlassen - die Hinderung am Verlassen der Wohnung - in einem
unmittelbaren Zusammenhang. In einem solchen Fall ist § 239 b
StGB nicht anwendbar (vgl. BGHSt 40, 350, 359).
Jedoch erfüllt das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand
der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie -
tateinheitlich - den Tatbestand der Freiheitsbraubung (§ 239
Abs. 1 StGB). Demgemäß war der Schuldspruch zu
ändern. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen,
weil sich der geständige Angeklagte nicht anders
hätte verteidigen können. Die Änderung des
Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible |