BGH,
Beschl. v. 22.11.2006 - 2 StR 382/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 382/06
vom
22.11.2006
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22.11.2006
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn
vom 13. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in
Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der
Sachrüge Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte gegen
den Willen der Geschädigten mit dieser den Geschlechtsverkehr
ausgeführt. Er stellte sich hinter sie, fasste ihr unter der
Bekleidung an die Brust und zog ihr Jeans und Schlüpfer
herunter. Die Geschädigte war dadurch völlig
überrascht, versuchte, die Hose festzuhalten, „hatte
aber irgendwie nicht die Kraft dafür“.
Während der Angeklagte sie umfasste und den Geschlechtsverkehr
ungeschützt von hinten ausführte, versuchte sie
mehrfach, ihn durch Rückwärtsbewegungen ihrer
angewinkelten Arme von sich wegzuschieben, was der Angeklagte auch
registrierte. Das Landgericht konnte jedoch nicht feststellen, ob der
Angeklagte diesen Widerstand durch Kraft überwinden musste;
möglicherweise stellte die Geschädigte ihre
Abwehrbewegungen auch erstarrt ein.
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Das Landgericht konnte sich angesichts des Umstands, dass die durch das
Tatgeschehen massiv psychisch beeinträchtigte
Geschädigte „zum Kerngeschehen nur
äußerst rudimentär Angaben machen
konnte“, nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte
eines der nach § 177 Abs. 1 StGB erforderlichen
Nötigungsmittel eingesetzt hat, um den ihm entgegen gebrachten
oder erwarteten Widerstand des Opfers zu überwinden oder von
vornherein zu verhindern. Es hat den Angeklagten deshalb wegen
vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit
tätlicher Beleidigung verurteilt.
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2. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher
Körperverletzung hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Ein nicht einverständlicher
Geschlechtsverkehr kann zwar eine üble, unangemessene
Behandlung des Opfers darstellen (vgl. BGH NJW 1963, 1683). Eine mehr
als unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen
Wohlbefindens im Sinne der Misshandlungsalternative des § 223
Abs. 1 StGB (vgl. dazu Lilie in LK 11. Aufl. § 223 Rdn. 8 ff;
Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 223 Rdn. 4;
Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 223 Rdn. 3a f
jeweils m.w.N.) wird hier durch die Urteilsfeststellungen jedoch nicht
ausreichend belegt. Bei der Geschädigten fanden sich nach der
Tat weder körperliche Auffälligkeiten noch
Verletzungen abgesehen von einer leichten Rötung im Vorhof der
Scheide. Allerdings ergeben die Urteilsgründe, dass eine
Gesundheitsschädigung des durch die Tat nachhaltig
traumatisierten Opfers eingetreten ist, welches unter erheblichen
Angstzuständen litt, in bestimmten Situationen am ganzen
Körper zu zittern begann und unter Albträumen litt,
in denen sie um sich schlug und nass geschwitzt aufwachte. Nicht
festgestellt ist jedoch, dass der Angeklagte diese
Beeinträchtigungen (bedingt) vorsätzlich
herbeigeführt hat. Eine nähere Begründung
bei der rechtlichen Würdigung enthält das Urteil
zudem nicht.
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3. Auch die Verurteilung wegen tätlicher Beleidigung begegnet
rechtlichen Bedenken. Der Tatbestand des § 185 StGB ist nur
dann erfüllt, wenn der Täter durch sein Verhalten
(die sexuelle Handlung) zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise einen
seine Ehre mindernden Mangel auf. Eine solche Kundgabe ist in der
sexuellen Handlung allein regelmäßig nicht zu sehen
und erfüllt deshalb auch nicht den Tatbestand des §
185 StGB. Ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung
erfüllt nur dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn nach den
gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters
zugleich eine - von ihm gewollte - herabsetzende Bewertung des Opfers
zu sehen ist (BGHSt 36, 145, 150; Hilgendorf in LK 11. Aufl. §
185 Rdn. 28 ff).
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Das Landgericht hat in seiner rechtlichen Würdigung nicht
dargetan, aus welchen Umständen des Geschehens der Schluss zu
ziehen ist, der Angeklagte habe durch die Tat zum Ausdruck gebracht,
die Geschädigte sei mit einem Makel behaftet, der ihren
Geltungswert mindere. Nach den Feststellungen zum Tatgeschehen und zu
den Vorstellungen des Angeklagten versteht es sich auch nicht von
selbst, dass der Angeklagte sein Opfer im Sinne von § 185 StGB
herabsetzend bewertete.
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4. Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung des
Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 1. September 2006 S.
4, dass die getroffenen Feststellungen eine Gewaltanwendung im Sinne
des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausreichend belegt hätten.
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