BGH,
Beschl. v. 22.11.2006 - 2 StR 430/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 430/06
vom
22.11.2006
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 22. November 2006
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen
vom 7. Juni 2006 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Im Hinblick auf bedenkliche Formulierungen des Tatrichters zur
Schuldfähigkeit des Beschuldigten merkt der Senat an:
Die Anordnung nach § 63 StGB setzt die positive Feststellung
eines länger andauernden geistig-seelischen Defekts voraus,
der zumindest eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit
im Sinne des § 21 StGB begründet (st. Rspr.; BGHSt
34, 22, 26 f.).
Eine lediglich verminderte Einsichtsfähigkeit ist
strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der
Einsicht zur Folge hat (vgl. nur BGHR StGB § 21
Einsichtsfähigkeit 6). Der Täter, der trotz generell
verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht
in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine
Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist - voll
schuldfähig (vgl. u. a. BGH, Beschl. vom 21. Februar 2006 - 5
StR 8/06 m.w.N.). Fehlt dagegen bei der Tat die Unrechtseinsicht
infolge generell ver-
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minderter Einsichtsfähigkeit, so ist für §
21 StGB nur Raum, wenn dies dem Täter vorzuwerfen ist; ohne
Schuld handelt der Täter unter diesen Umständen nur
dann, wenn ihm das Fehlen der Unrechtseinsicht nicht vorzuwerfen ist
(vgl. u. a. BGH, Beschl. vom 25. September 2003 - 4 StR 316/03 m.w.N.;
Senatsbeschluss vom 21. April 2005 - 2 StR 124/05).
Solange die Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht das
Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten
geführt hat, ist auch die Sicherung der Allgemeinheit durch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlasst
(vgl. u. a. BGH, Beschl. vom 12. Juli 2006 - 5 StR 215/06 m.w.N.;
Senatsbeschluss vom 30. Juli 2003 - 2 StR 215/03).
Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten
Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63
StGB deshalb nicht gestützt werden (vgl. u. a. BGH, Beschl.
vom 10. Februar 2005 - 3 StR 3/05 m.w.N.).
Wird - wie hier im zweiten Fall - eine starke Alkoholisierung zur
Tatzeit zusätzlich zur Begründung der
Schuldunfähigkeit herangezogen, ist zu bedenken, dass die
Unterbringung nach § 63 StGB in diesen Fällen nur
ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn der Täter in
krankhafter Weise alkohol-überempfindlich ist, an einer
krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen
Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein,
in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im
Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGHSt 44,
338, 339).
Hier lässt sich den Urteilsgründen, in denen
zunächst festgestellt wird (UA S. 13), dass der Beschuldigte
in allen Fällen aufgrund einer krankhaften seelischen
Störung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie,
unfähig war, das Unrecht der Taten einzusehen, in ihrer
Gesamtheit noch hinreichend entnehmen, dass dem Beschuldigten auch bei
Begehung der ersten Tat aufgrund sei-
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ner krankhaften seelischen Störung die Unrechtseinsicht
tatsächlich gefehlt hat, dass die bei der zweiten Tat zur
Bejahung der Schuldunfähigkeit zusätzlich
herangezogene Blutalkoholkonzentration auf eine chronische Alkoholsucht
des Beschuldigten zurückgeht und dass für die
jeweilige Tatbegehung letztlich der festgestellte Zustand des
Beschuldigten ursächlich war.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
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