BGH,
Beschl. v. 23.8.2006 - 5 StR 105/06
5 StR 105/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
23.8.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz u.
a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23.08.2006
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 30. November 2005 wird nach § 349 Abs. 4 StPO im
gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Zuwiderhandlung
gegen Sanktionsmaßnahmen des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen“ in 317 Fällen, davon in 288
Fällen in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das
Kreditwesengesetz, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
acht Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus dem
Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Der Angeklagte war nach den Urteilsfeststellungen 1999 aus dem Irak
geflohen und holte im September 2001 seine Ehefrau mitsamt den
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vier Kindern nach Deutschland. Der Angeklagte nahm im Zeitraum Dezember
2000 bis zum 21. Mai 2003 Banküberweisungen von Exilirakern
entgegen, um die Beträge über jordanische
Geschäftspartner, später auch über das in
Australien ansässige Unternehmen seines Bruders an im Irak
ansässige hilfsbedürftige Familienangehörige
und Bekannte der Geldgeber weiterzutransferieren, obwohl er dazu nicht
die außenwirtschafts- und bankenaufsichtsrechtliche
Genehmigung hatte. Dem Angeklagten war das vom Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen beschlossene Irak-Embargo einschließlich
des Verbots von Geldüberweisungen bekannt. Er meinte jedoch,
Zahlungen aus humanitären Gründen fielen nicht unter
die Embargobestimmungen. Nach den Feststellungen des Landgerichts
kannte er weder die Genehmigungspflicht entsprechender Zahlungen noch
wusste er, dass hierfür eine Erlaubnis nach dem
Kreditwesengesetz erforderlich war. Der Angeklagte vereinnahmte
für die Überweisungen überwiegend
Provisionen um 5 %, die er mit seinen jordanischen
Geschäftspartnern teilte. Die Provisionszahlungen, die
durchschnittlich monatlich 250 € betrugen, gab er in seinen
Steuererklärungen an.
Das Landgericht hat die 317 Zahlungsaufträge als
Verstoß gegen § 34 Abs. 4 AWG, § 69e Abs. 2
Buchstabe c AWV a. F. gewertet und in den 288 Fällen, in denen
der Angeklagte eine Provision vereinnahmte, einen tateinheitlichen
Verstoß gegen § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs.
1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG angenommen. Es hat vor allem
mit Blick auf die professionelle und gewerbsmäßige
Organisation des Geldtransfers, die fehlende
Genehmigungsfähigkeit und den zusätzlichen
Verstoß gegen das KWG die Annahme minder schwerer
Fälle (§ 34 Abs. 4 Satz 2 AWG) durchgängig
verneint. Auf der Grundlage des als vermeidbar gewerteten
Verbotsirrtums des Angeklagten hat das Landgericht den Strafrahmen des
§ 34 Abs. 4 Satz 1 AWG nach § 17 Satz 2, §
49 StGB gemildert und Einzelfreiheitsstrafen von sieben Monaten bis elf
Monaten verhängt.
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II.
1. Die Überprüfung des Urteils hat bezüglich
des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben.
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a) Die Vorschrift des Art. 69e Abs. 2 Buchstabe c AWV a. F., die die
Blankettnorm des § 34 Abs. 4 AWG ausfüllte, galt noch
zum Zeitpunkt der letzten Tatbegehung. Der Umstand, dass Art. 69e AWV
mit Wirkung zum 27.08.2003 durch Art. 1 Nr. 2, Art. 2 der 60.
Verordnung zur Änderung der
Außenwirtschaftsverordnung (Bundesanzeiger Nr. 158 vom 26.
August 2003, S. 19421) aufgehoben wurde, um damit die Resolution
1482/2003 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 22. Mai 2003
umzusetzen, und damit auch die Strafbarkeit eines gegen dieses Verbot
verstoßenden Verhaltens entfallen ist, beseitigt die
Strafbarkeit nicht rückwirkend. Handlungen, die zu dem
Zeitpunkt begangen wurden, in dem das Verbot noch galt, bleiben deshalb
strafbar. Die Verbotsnormen, die der Blankettstraftatbestand
aufgenommen hat, sind Zeitgesetze im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz
1 StGB (vgl. BGH StV 1999, 26 für das von Art. 69k AWV a. F.
erfasste Serbien-Embargo). Nach dem Wortlaut und der Zielrichtung der
Verbotsnorm des § 69e AWV sollte das auf Nr. 4 der vom
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 6. August 1990 beschlossenen
Resolution 661/1990 beruhende Irak-Finanzembargo durchgesetzt werden.
Daran knüpft die Strafbewehrung des § 34 Abs. 4 AWG
an, die den Embargoverstoß als kriminelles Unrecht unter
Strafe stellt. Der Zweck der Norm erfordert es deshalb, den
Verstoß gegen das Embargo auch dann unter Strafe zu stellen,
wenn das Embargo - wie hier - wegen der Veränderung der
politischen Rahmenbedingungen wegfällt. Die
Übertragung von Vermögenswerten sowie
sämtliche Zahlungen in den Irak blieben danach
grundsätzlich strafbewehrt und waren nur aufgrund einer
Genehmigung zulässig.
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b) Den Irrtum des Angeklagten über das Erlaubtsein seiner
Zahlungen aus humanitären Gründen hat das Landgericht
zutreffend als
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Verbotsirrtum und nicht als Tatbestandsirrtum gewertet. Bei den
Vorschriften der § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e Abs. 2
Buchstabe c AWV handelte es sich um ein repressives Verbot mit
Befreiungsvorbehalt. Zahlungen in den Irak wurden
grundsätzlich als sozialwidrig erachtet und sollten nur im
Ausnahmefall erlaubt sein. Irrt sich der Angeklagte, der von dem
Embargo im Grundsatz Kenntnis hat, über dessen rechtliche
Reichweite, unterliegt er einem Subsumtionsirrtum, der den Vorsatz
unberührt lässt (BGHR AWG § 34 UN-Embargo 5;
vgl. auch BGH wistra 1995, 306, 307). So liegt es hier. Der Angeklagte
wusste um das generelle Zahlungsverbot und legte lediglich dieses
Verbot zu seinen Gunsten falsch aus.
2. Allerdings hält die Strafzumessung der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat trotz ganz
erheblicher mildernder Gesichtspunkte - die überwiegend
geringen Zahlungen dienten humanitären Zwecken, der vertypte
Milderungsgrund des § 17 Satz 2 StGB lag vor, der
geständige Angeklagte ist bislang unbestraft - die Annahme
minder schwerer Fälle abgelehnt. Die dafür gegebene
Begründung lässt besorgen, dass das Landgericht dem
Angeklagten in unzulässiger Weise das Nichtvorliegen eines
Milderungsgrundes (kein bloßer Formalverstoß
mangels Genehmigungsfähigkeit) zur Last gelegt und zudem nicht
bedacht hat, dass der ganz erhebliche Milderungsgrund des
humanitären Hintergrunds nicht durch die professionelle und
geschäftsmäßige Abwicklung des
Zahlungsflusses entwertet wird. Hinzu kommt, dass das UN-Embargo, wie
ausgeführt, seit mehreren Jahren aufgehoben ist und auch ein
weiterer Verstoß des irakischen Angeklagten gegen ein
derartiges Embargo eher fern liegt.
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3. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe
nach sich. Die Feststellungen können bei dem hier allein
vorliegenden Wertungsfehler insgesamt bestehen bleiben. Das neue
Tatgericht wird auf der Grundlage der bislang getroffenen
Feststellungen die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe neu festzusetzen
haben. Darüber hinaus darf es
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seiner neuen Bewertung etwa zu treffende weitere, hierzu nicht in
Widerspruch stehende Feststellungen zugrunde legen.
Häger Gerhardt Raum
Brause Jäger |