BGH,
Beschl. v. 23.2.2006 - 4 StR 513/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 513/05
vom 23.2.2006
in der Strafsache
gegen 1. 2.
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 23.02.2006
gemäß §§ 206 a, 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte Halil Ibrahim
A. im Fall II.15 der Gründe des Urteils des Landgerichts
Darmstadt vom 15. April 2005 wegen Betruges verurteilt worden ist;
insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen. 2. Auf die Revision des
Angeklagten Halil Ibrahim A. wird der Schuldspruch des vorbezeichneten
Urteils dahin geändert, dass dieser Angeklagte des
gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in zehn
Fällen, des Betruges in vierzehn Fällen und des
versuchten Betruges in drei Fällen schuldig ist. 3. Die
Revision des Angeklagten Faik A. und die weiter gehende Revision des
Angeklagten Halil Ibrahim A. werden verworfen. 4. Der Angeklagte Faik
A. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Der Angeklagte Halil
Ibrahim A. trägt die übrigen Kosten seines
Rechtsmittels.
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Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten Halil Ibrahim A.
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
in zehn Fällen, Betruges in fünfzehn Fällen
und versuchten Betruges in drei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten Faik
A. hat es des gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr in neun Fällen, Betruges in
fünfzehn Fällen und versuchten Betruges in zwei
Fällen für schuldig befunden und gegen ihn eine
Gesamtfreiheitsstrafe von gleichfalls drei Jahren verhängt.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf
die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten
Revisionen. 1 Die Revisionen sind trotz des von beiden Angeklagten
erklärten Rechtsmittelverzichts zulässig, da die nach
einer Urteilsabsprache erforderliche qualifizierte
Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist (vgl. BGH NStZ 2005, 389, zum
Abdruck in BGHSt 50, 40 bestimmt); die Rechtsmittel erweisen sich indes
- die Revision des Angeklagten Faik A. insgesamt, die des Angeklagten
Halil Ibrahim A. im Wesentlichen - als unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO. 2 1. Ein von beiden
Beschwerdeführern nachträglich geltend gemachtes
Verfahrenshindernis fehlender Verhandlungsfähigkeit besteht
nicht. 3 a) Soweit der Angeklagte Faik A. seine
Verhandlungsfähigkeit bereits für die Zeit
während der insgesamt 34tägigen Hauptverhandlung in
Frage stellt, ist zwar belegt, dass sich der Angeklagte am 15.
März 2005 - zwischen dem 31. und dem 32. Verhandlungstag - in
stationäre psychiatrische Behandlung begeben hat und deshalb
an dem für den 16. März 2005 anberaumten 4
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Fortsetzungstermin nicht erschienen ist. Die Strafkammer hat deshalb -
was die Revision nicht mitteilt - an diesem Tag das Verfahren gegen den
Angeklagten abgetrennt (Prot. Bd. II Bl. 279 ff.), es dann jedoch
bereits am nächsten (vorletzten) Hauptverhandlungstermin am 6.
April 2005, zu dem auch der Angeklagte erneut erschienen war, wieder
zum Ursprungsverfahren hinzuverbunden. Zuvor war der Angeklagte
psychiatrisch untersucht worden und hatte der an diesem Verhandlungstag
gehörte Sachverständige dessen
Verhandlungsfähigkeit bestätigt (Prot. Bd. II Bl. 290
ff.). Einwände dagegen wurden weder von dem Angeklagten noch
von seinem Verteidiger erhoben. Der Angeklagte hat sodann an der
weiteren Hauptverhandlung bis zu deren Ende teilgenommen und sich
ausweislich des Protokolls auch durch persönliche
Erklärungen beteiligt. Unter diesen Umständen kann,
da das Landgericht die Verhandlungsfähigkeit
sorgfältig geprüft und sich von deren Gegebensein
ohne erkennbaren Rechtsfehler überzeugt hat, auch der Senat
von ihrem Vorliegen ausgehen (vgl. BGHR StPO vor §
1/Verfahrenshindernis Verhandlungsfähigkeit 5 m.w.N.). b)
Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit beide Beschwerdeführer
erstmals nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ihre
Verhandlungsfähigkeit im Revisionsverfahren unter Hinweis auf
nachträglich zutage getretene psychische
Auffälligkeiten in Frage gestellt haben. Auch unter
Zugrundelegung des Vorbringens der Verteidigung liegen die engen
Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung ausnahmsweise eine
Einstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit im
Revisionsverfahren in Betracht zu ziehen sein kann, offensichtlich
nicht vor. Der Senat ist vielmehr überzeugt, dass die
Beschwerdeführer die Fähigkeit hatten, über
die Einlegung ihrer Revisionen verantwortlich zu entscheiden, und sie
auch zu einer Grundübereinkunft mit ihren Verteidigern
über die Fortführung ihrer Rechtsmittel in der Lage
waren, was für die Annahme der Verhandlungsfähigkeit
in diesem Verfahrensabschnitt genügt (vgl. BVerfG - 5
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Kammer - NStZ 1995, 391; BGHSt 41, 16, 19; BGH, Beschluss vom 18.
August 2004 - 3 StR 177/04). Gegenteiliges ist ihrem Vorbringen nicht
zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich. Unter diesen
Umständen bestand für die beantragte freibeweisliche
Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Senat
kein Anlass. 2. Die Revision des Angeklagten Halil Ibrahim A. hat nur
insoweit Erfolg, als das Verfahren gegen ihn im Fall II. 15 der
Urteilsgründe (Unfall vom 26. September 1997) wegen des
Verfahrenshindernisses fehlender Anklage einzustellen ist. Die
zugelassene Anklage richtet sich in diesem Fall (Fälle 28 der
Anklage; SA Bd. III Bl. 444) ausschließlich gegen den
Mitangeklagten Faik A. . Auch die Gründe des angefochtenen
Urteils weisen insoweit keine Beteiligung des Angeklagten Halil Ibrahim
A. aus (UA 38/39). 6 3. Im Übrigen hat die
Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben, wie der Generalbundesanwalt in seinen
Antragsschriften vom 1.12.2005 zutreffend ausgeführt hat.
Soweit der Angeklagte Faik A. mit Schriftsatz seines Verteidigers vom
27.01.2006 auch Ausführungen zum Verfahren gemacht hat, ist
dies Vorbringen infolge Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist
(§ 345 Abs. 1 Satz 1 StPO) verspätet und deshalb
unbeachtlich. 7 4. Die Teileinstellung des Verfahrens gegen den
Angeklagten Halil Ibrahim A. hat die Änderung des ihn
betreffenden Schuldspruchs zur Folge und führt zum Wegfall der
von der Einstellung betroffenen Einzelfreiheitsstrafe von elf Monaten.
Gleichwohl hat die festgesetzte Gesamtstrafe Bestand. Angesichts der
Vielzahl und des Gewichts der verbleibenden Taten sowie der
Höhe der dafür ausgeworfenen Einzelfreiheitsstrafen
kann der Senat ausschließen, 8
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dass der Tatrichter ohne die Einbeziehung dieser Einzelstrafe zu einer
milderen Gesamtstrafe gelangt wäre. 5. Dem Antrag des
Generalbundesanwalts, das Verfahren gegen den Angeklagten Faik A. im
Fall 9 b) der Anklage (SA Bd. III Bl. 430) gemäß
§ 154 Abs. 2 StPO einzustellen, vermag der Senat nicht zu
folgen. Richtig ist zwar, dass insoweit die Anklage nicht erledigt ist.
Da sich das angefochtene Urteil zu diesem Anklagesachverhalt aber nicht
verhält, ist es dem Revisionsgericht verwehrt,
hierüber eine - wie auch immer geartete - Entscheidung, und
zwar auch eine solche nach §§ 154, 154 a StPO, zu
treffen (BGHR StPO § 352 Abs.1 Prüfungsumfang 4;
Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 352 Rdn. 2 m.w.N.).
Dies ist Aufgabe des Landgerichts, bei dem die Sache insoweit noch
anhängig ist. 9
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