BGH,
Beschl. v. 23.1.2001 - 4 StR 572/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 572/00
vom
23. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Januar
2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen: I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Halle vom 2. Mai 2000 im Strafausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben. II. Insoweit wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird
verworfen. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der
Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg;
im übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO. Nach den Feststellungen bestellte der
Angeklagte 1996 für einen tatsächlich nicht
existierenden Verein "Soziale Dienste" unter Vorspiegelung von
Zahlungsfähigkeit und -willigkeit bei diversen Lieferanten in
zehn Fällen elektronische Geräte und
Büromaterialien, deren Kaufpreis er bei Fälligkeit
seiner vorgefaßten Absicht gemäß nicht
bezahlte. Das Landgericht hat in allen abgeurteilten Fällen
das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des
Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht auszuschließen vermocht.
Unter Zugrundelegung des nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
gemilderten Strafrahmens des § 263 Abs. 1 StGB a.F. - im
Höchstmaß Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun
Monaten - hat es unter Berücksichtigung des jeweiligen Wertes
der erlangten Waren auf folgende Einzelstrafen erkannt: Fall III 1 a):
Freiheitsstrafe von zwei Jahren (Warenwert: 2091,09 DM); Fall III 1 b):
Freiheitsstrafe von neun Monaten (Warenwert: 433,92 DM); Fall III 1 c):
Freiheitsstrafe von zwei Monaten (Warenwert: 50,44 DM); Fall III 1 d):
Freiheitsstrafe von zwei Jahren (Warenwert: 1899.- DM); Fall III 1 e):
Freiheitsstrafe von einem Jahr (Warenwert: 696,35 DM); Fall III 1 f):
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten (Warenwert: 2052.-
DM); Fall III 2: Freiheitsstrafe von drei Jahren (Warenwert: 6277,49
DM); Fall III 3: Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
(Warenwert: 2721,04 DM); Fall III 4: Freiheitsstrafe von einem Jahr
(Warenwert: 901,54 DM) und Fall III 5: Freiheitsstrafe von neun Monaten
(Warenwert: 599.- DM netto).
Diese Einzelstrafen sind gemessen an der konkreten Tatschwere auch in
Anbetracht der einschlägigen Vorverurteilung des Angeklagten
aus dem Jahre 1994 unvertretbar hoch; sie überschreiten das
für vergleichbare Fälle übliche
Maß erheblich und werden den Anforderungen an einen gerechten
Schuldausgleich nicht mehr gerecht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1
Strafhöhe 6 und 7 jeweils m.w.N.). Dies gilt umso mehr, als
der Angeklagte die Taten von Anfang an umfassend eingeräumt
hat, "die Waren vollständig beziehungsweise im wesentlichen"
(UA 27) wieder an die geschädigten Lieferanten
zurückgelangt sind und zugunsten des Angeklagten auch der
Zeitablauf und die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen
sind.
Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe
nach sich.
Für die neue Entscheidung weist der Senat darauf hin,
daß nur eine im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung es erforderlich
macht, im Urteil das Maß der Kompensation durch Vergleich der
an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten
Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (zur
Berücksichtigung langer Verfahrensdauer vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |