BGH,
Beschl. v. 23.3.2005 - 2 ARs 85/05
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
JGG § 85 Abs. 2, Abs. 5
Zur Verpflichtung des besonderen Vollstreckungsleiters (§ 85
Abs. 2 JGG), bei
Änderung der Umstände die gemäß
§ 85 Abs. 5 JGG übertragene Vollstreckung
zurückzunehmen.
BGH, Beschluß vom 23.03.2005 - 2 ARs 85/05 - AG Adelsheim
AG Rottenburg/Neckar
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 85/05
2 AR 60/05
vom
23.03.2005
in der Strafsache
gegen
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wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge
Az.: D 4 Ls 40 Js 101120/97 Amtsgericht Stuttgart
Az.: 1 VRJs 306/98 Amtsgericht Adelsheim
Az.: 3 VRJs 25/04 Amtsgericht Rottenburg/Neckar
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
am 23.03.2005 beschlossen:
Die Vollstreckung der Restjugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts
Stuttgart vom 6. Mai 1998 obliegt dem Jugendrichter
beim Amtsgericht Adelsheim.
Gründe:
1. Das Amtsgericht Stuttgart hatte am 6. Mai 1998 gegen den zur Tatzeit
17jährigen Verurteilten wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge auf eine Jugendstrafe von zwei Jahren und zwei
Monaten erkannt. Der Verurteilte verbüßte die
Jugendstrafe in der Justizvollzugsanstalt
Adelsheim. Durch die Aufnahme in den Jugendstrafvollzug der
Justizvollzugsanstalt
Adelsheim wurde der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim
gemäß § 85 Abs. 2 JGG Vollstreckungsleiter.
Am 3. März 1999 wurde der
Verurteilte in die Türkei abgeschoben, von der weiteren
Vollstreckung der Jugendstrafe
wurde gemäß § 456 a StPO abgesehen. Am 26.
Februar 2004 wurde
der Verurteilte in der Bundesrepublik Deutschland festgenommen und in
die
Justizvollzugsanstalt Adelsheim gebracht. Der Vollstreckungsleiter
ordnete am
19. März 2004 gemäß § 92 Abs. 2
und 3 JGG die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug
an. Am 29. März 2004 erfolgte die Aufnahme des Verurteilten im
Erwachsenenvollzug
in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg. Der Jugendrichter
beim Amtsgericht Adelsheim gab die Vollstreckung mit Beschluß
vom 30. März
2004 gemäß § 85 Abs. 5 JGG an das
Amtsgericht Rottenburg a. N. ab. Der
dortige Jugendrichter übernahm die Vollstreckung durch
Beschluß vom 9. April
2004. Durch Beschluß vom 19. August 2004 wurde erneut von der
Vollstre-
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ckung der Restjugendstrafe gemäß § 456 a
StPO abgesehen und der Verurteilte
wurde am 14. September 2004 nach Österreich abgeschoben. Der
Jugendrichter
beim Amtsgericht Rottenburg a. N. hob daraufhin seinen
Beschluß vom
9. April 2004 auf und gab die weitere Vollstreckung dem
gemäß § 85 Abs. 2
JGG zuständigen Vollstreckungsleiter des Amtsgerichts
Adelsheim zurück. Der
Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim lehnte die Rücknahme
ab. Der Jugendrichter
beim Amtsgericht Rottenburg a. N. legte die Sache daraufhin dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.
2. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach
§ 14
StPO, § 2 JGG zur Entscheidung des
Zuständigkeitsstreits berufen, weil die
Amtsgerichte Rottenburg a. N. und Adelsheim im
Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher
Oberlandesgerichte liegen (OLG Stuttgart und OLG Karlsruhe).
3. Der Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim als Vollstreckungsleiter
nach § 85 Abs. 2 JGG ist verpflichtet, die
Vollstreckungsleitung zurückzunehmen.
a) Der Vollstreckungsleiter nach § 85 Abs. 2 JGG bleibt trotz
einer Übertragung
der Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 5 JGG
„Herr des Verfahrens“ (vgl.
BGHSt 24, 332, 335), denn die Abgabe nach § 85 Abs. 5 JGG ist
nach der ausdrücklichen
gesetzlichen Regelung stets widerruflich. Daraus folgt, daß
der
Vollstreckungsleiter gemäß § 85 Abs. 2 JGG
das Recht, aber auch die Pflicht
behält, bei Änderung der Verhältnisse seine
Entscheidung nachzuprüfen und,
wenn erforderlich, die Übertragung
rückgängig zu machen und ein anderes
Gericht mit den weiteren Aufgaben zu betrauen (vgl. BGHSt 24, 332, 335;
28,
351, 353; OLG Düsseldorf JMBl. NW 1989, 274, 275; Sonnen in
Diemer/Schoreit/
Sonnen JGG 4. Aufl. § 85 Rdn. 11). Die Verpflichtung des
Vollstreckungsleiters
nach § 85 Abs. 2 JGG, bei einer Änderung der
Umstände tätig zu wer-
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den, ist auch deshalb sachgerecht, weil der gemäß
§ 85 Abs. 5 JGG mit der
Vollstreckungsleitung beauftragte Jugendrichter die Sache nicht
weitergeben
darf (vgl. BGHSt 24, 332, 335; 27, 329, 331; BGH NStZ 1983, 139; NStZ-RR
2003, 29; Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. § 85 Rdn. 18;
Sonnen in Diemer/
Schoreit/Sonnen aaO Rdn. 11; Eisenberg JGG 10. Aufl. § 85
Rdn.13;
Ostendorf JGG 6. Aufl. § 85 Rdn. 13).
b) Für eine Verpflichtung des Jugendrichters beim Amtsgericht
Adelsheim,
die Vollstreckungsleitung zurückzunehmen, sprechen im
konkreten Fall
praktische Gesichtspunkte. Die Übertragung der
Vollstreckungsleitung an das
Amtsgericht Rottenburg a. N. durch Beschluß des Amtsgerichts
Adelsheim vom
30. März 2004 war nach § 85 Abs. 5 JGG unter dem
Gesichtspunkt der Vollzugsnähe
gerechtfertigt und sachlich geboten, weil der Verurteilte zu diesem
Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg aufgenommen worden war
(vgl. BGHSt 30, 9; BGH, Beschluß vom 3. September 2003
– 2 ARs 253/03).
Der Grund für die Übertragung der
Vollstreckungsleitung an das Amtsgericht
Rottenburg a. N. ist aber mit der Abschiebung des Verurteilten nach
Österreich
entfallen. Während der Abwesenheit des Verurteilten besteht
kein Grund für
eine Abgabe der Vollstreckung durch den nach § 85 Abs. 2 JGG
zuständigen
Vollstreckungsleiter (vgl. OLG Hamm MDR 1983, 602). Entscheidungen des
Vollstreckungsleiters werden erst dann wieder notwendig, wenn der
Verurteilte
erneut in der Bundesrepublik Deutschland verhaftet werden sollte.
Derzeit ist
nicht abzusehen, in welcher Justizvollzugsanstalt die Restjugendstrafe
in diesem
Fall verbüßt werden würde. Bei einer
Aufnahme des Verurteilten in eine
andere Justizvollzugsanstalt könnte der Jugendrichter beim
Amtsgericht Rottenburg
a. N. die Vollstreckungsleitung nicht an den dann örtlich
zuständigen
Jugendrichter übertragen. Auch zu einer Übertragung
der Vollstreckung auf die
Staatsanwaltschaft nach § 85 Abs. 6 JGG ist er nicht befugt,
sondern nur der
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Jugendrichter beim Amtsgericht Adelsheim als Vollstreckungsleiter nach
§ 85
Abs. 2 JGG. Angesichts dessen erscheint es sachgerecht, daß
der Jugendrichter
beim Amtsgericht Adelsheim schon jetzt die Vollstreckungsleitung wieder
übernimmt.
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