BGH,
Beschl. v. 23.11.2000 - 3 StR 413/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 413/00
vom
23. November 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 23. November 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 19. Mai 2000 im Maßregelausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, seine Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie bestimmt, daß
der Angeklagte vor dem Vollzug der Maßregel vier Jahre
Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Hiergegen wendet
sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützten Revision.
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs.
2 StPO). Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift
vom 14. September 2000. Ergänzend bemerkt der Senat:
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift unter Hinweis auf
die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend dargestellt
hat, gefährdet der Rechtsfehler bei der Berechnung der
höchstmöglichen Blutalkoholkonzentration des
Angeklagten zur Tatzeit den Bestand des Urteils nicht. Der Senat
schließt aus, daß das sachverständig
beratene Landgericht bei einer fehlerfreien Alkoholberechnung eine
Schuldunfähigkeit angenommen hätte. Die Indizwirkung
einer errechneten Blutalkoholkonzentration verliert wegen der unklaren
Trinkmengenangaben und insbesondere der langen Dauer der
Rückrechnung von über neun Stunden gegenüber
einem aussagekräftigen Leistungsverhalten an Gewicht (BGH NStZ
1998, 457 f.). Das Leistungsverhalten des alkoholgewöhnten
Angeklagten, der sich selbst als nicht volltrunken bezeichnet hat,
zeigt bei und nach der Tat in sich logische und schlüssige
Handlungskonsequenzen mit motorischen Kombinationsleistungen, die
deutlich gegen einen alkoholbedingten Ausschluß der
Schuldfähigkeit sprechen (vgl. BGHSt 43, 66 ff.; BGHR StGB
§ 20 Blutalkoholkonzentration 6, 9, 12, 16), zumal bei
schwerwiegenden Straftaten gegen Leib und Leben - wie hier - wegen der
höheren Hemmschwelle ein strenger Maßstab
für die Annahme des Ausschlusses der
Steuerungsfähigkeit anzulegen ist (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 20 Rdn. 9
m.w.Nachw.). Der Angeklagte hat die Tat mit mehrfachem Richtungswechsel
durch sinnvolles Verhalten beherrscht. Nachdem er auf den Zeugen S.
eingeschlagen hatte, flüchtete er. Er entnahm aus seiner
Hosentasche das Klappmesser, öffnete es und stach nacheinander
je zweimal auf Herrn Sch. , der dadurch tödliche Verletzungen
erlitt, und den Zeugen S. ein. Anschließend durchschnitt er
mit dem Messer die Hundeleine, die sich um seine Beine gewickelt hatte.
Nach der Tat säuberte er sich, wechselte seine Kleidung und
besprach mit seiner Schwester und seiner Freundin ein falsches Alibi.
2. Die Revision hat mit der Sachrüge hinsichtlich des
Maßregelausspruchs Erfolg. Gegen die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bestehen durchgreifende
rechtliche Bedenken, weil auf Grund der sehr knappen
Begründung nicht feststeht, daß die vom Angeklagten
begangenen Straftaten auf seinen seit Jahren bestehenden Hang, Alkohol
im Übermaß zu trinken, sicher zurückgehen
und deshalb für seine Alkoholsucht symptomatisch sind (vgl.
BGH NJW 1990, 3282). Das Urteil läßt insoweit eine
vertiefte Auseinandersetzung mit dem Hang an Hand des Vorlebens des
Angeklagten, seiner Persönlichkeit, die dissoziale und
narzißtische Züge aufweist, sowie mit dem
Einfluß der Alkoholsucht auf die den Vorstrafen zugrunde
liegenden Taten vermissen. Die Feststellungen im Urteil sprechen eher
für eine Augenblickstat in einer sich schnell eskalierenden
Situation. Aus diesem Grunde fehlt es auch an einer
tragfähigen Grundlage für die Annahme einer konkreten
Gefahr, daß der Angeklagte infolge seiner Alkoholsucht
erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Der Senat hat im Umfang der Aufhebung von einer
Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung abgesehen, da mit sicheren Feststellungen, die eine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen
könnten, nicht zu rechnen ist.
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Urlaub verhindert zu
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