BGH,
Beschl. v. 23.9.2003 - 3 StR 294/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 294/03
vom
23.09.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23.09.2003
gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bückeburg vom 14. April 2003 mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit es den Angeklagten E. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei
Fällen unter
Einbeziehung der Einzelstrafen aus vier früheren
Verurteilungen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine
Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte
mit
seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten
Revision. Sein
Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Der Schuldspruch wegen Betruges in drei Fällen wird von den
hierzu
getroffenen Feststellungen nicht getragen.
1. Danach vereinbarten der Angeklagte und der frühere
Mitangeklagte
G. während der gemeinsamen Haftverbüßung,
nach ihrer Entlassung zu-
3 -
sammen einen Betrieb zu gründen, der auf dem Gebiet der
Kanalsanierung
tätig werden sollte. Der - tatsächlich
vermögenslose - Angeklagte spiegelte
G. vor, er habe 20 Millionen DM geerbt und werde die Finanzierung
übernehmen. G. , der als Geschäftsführer
vorgesehen war, sollte sich
über den Abschluß von
Gesellschaftsverträgen unterrichten und sich außerdem
nach einem geeigneten Wohnhaus für den Angeklagten umschauen.
Im
August 2001 wurde G. aus der Haft entlassen; in der Folgezeit traf er im
Auftrag des Angeklagten "mehrere Vorbereitungsmaßnahmen"
für die beabsichtigte
Firmengründung und den Hauskauf. Seine Tätigkeit
führte im Ergebnis
zur notariellen Beurkundung zweier
Grundstückskaufverträge, der Errichtung
zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung und einer
Vollmachtserteilung.
Dabei wurden die beurkundenden Notare, die aufgrund der Angaben
des gutgläubigen G. den vermögenslosen Angeklagten
für zahlungsfähig
hielten, in Höhe ihrer Gebührenansprüche
geschädigt.
Das Landgericht würdigt das Verhalten des Angeklagten
rechtlich als
Betrug in drei Fällen. Dabei geht es im Fall II. 2 und
teilweise auch im Fall II. 3
der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte jeweils selbst vor
dem Notar
rechtsgeschäftliche Erklärungen zum Zwecke der
Beurkundung abgab, von
dessen unmittelbarer Täterschaft aus; im übrigen
nimmt es wegen der Einschaltung
des G. als eines gutgläubigen Werkzeugs des Angeklagten
mittelbare Täterschaft gemäß § 25
Abs. 1 2. Alt. StGB an.
2. Dies hält in verschiedener Hinsicht rechtlicher
Überprüfung nicht
stand.
a) In sämtlichen Fällen kommt nur eine Tatbegehung in
mittelbarer Täterschaft
in Betracht; denn beim Abschluß der verschiedenen
Geschäftsbesor-
4 -
gungsverträge mit den Notaren trat der Angeklagte niemals
selbst in Erscheinung.
Zum Zeitpunkt der Beurkundung seiner rechtsgeschäftlichen
Erklärungen
in den Fällen II. 2 und II. 3 hatte der Notar die ihm
obliegende Leistung
bereits großenteils erbracht; eine Täuschung des
Angeklagten über seine
Zahlungsfähigkeit bei dieser Gelegenheit hätte
deshalb für den Vertragsschluß
mit dem Notar nicht mehr kausal werden können.
b) Vor allem belegen die Feststellungen nicht, daß der
Angeklagte drei
zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1
StGB) stehende Betrugstaten
begangen hat.
Die drei Geschäftsbesorgungsverträge, die der
gutgläubige G. im
Auftrag des Angeklagten mit den Notaren geschlossen hat, stellten zwar
für
sich genommen selbständige Handlungen dar; als mittelbarer
Täter ist der Angeklagte
auch so zu behandeln, als habe er diese Handlungen eigenhändig
verwirklicht. Im Falle mittelbarer Täterschaft bestimmt sich
jedoch das Konkurrenzverhältnis
mehrerer Gesetzesverletzungen für den Täter
ausschließlich
nach den seinen eigenen Tatbeitrag betreffenden individuellen
Gegebenheiten
(BGHSt 40, 218, 238; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe
26). Das
Landgericht hat nicht festgestellt, daß dem
Abschluß der Verträge mit den Notaren
jeweils ein gesonderter Auftrag des Angeklagten an G. vorangegangen
wäre. Ein einheitlicher Auftrag des Angeklagten - der in den
Fällen II. 1
und II. 3 der Urteilsgründe naheliegt und auch im Fall II. 2
nicht ausgeschlossen
werden kann - hätte jedoch die darauf beruhende mehrfache
Verwirklichung
des Betrugstatbestands zur Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB)
verbunden.
Nach den bisherigen Feststellungen ist es deshalb nicht ausgeschlossen,
daß
der Angeklagte nur einen Betrug in drei tateinheitlichen
Fällen begangen hat.
- 5 -
II.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Im Falle einer erneuten Verurteilung des Angeklagten kommt die
Einbeziehung
der Einzelstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom
4. Januar 2000 und vom 16. März 2000, des Amtsgerichts
Neustadt am Rübenberge
vom 18. Januar 2001 sowie des Landgerichts Hannover vom
13. November 2001 gemäß § 55 Abs. 1 StGB
nicht in Betracht. Dem steht die
- vom Landgericht übersehene - Zäsurwirkung des
Urteils des Landgerichts
Hannover vom 4. Januar 2000 entgegen, das auf die Berufung des
Angeklagten
das Urteil des Amtsgerichts Neustadt vom 15. März 1999 im
Strafausspruch
abgeändert hat.
Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein
Angeklagter,
dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in
verschiedenen Verfahren
abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt
werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst
durchgeführten
Verfahren abgeurteilt worden wären (BGHSt 33, 367, 368).
Hinsichtlich der
Straftaten, die den vom Landgericht einbezogenen Einzelstrafen zugrunde
liegen,
ist dies das genannte Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hannover,
weil sämtliche Taten vor Verkündung des
Berufungsurteils am 4. Januar 2000
begangen worden waren und dem Berufungsgericht die Bildung einer
Gesamtstrafe
auch möglich gewesen wäre, da es eine
Sachentscheidung zur Straffrage
getroffen hat (vgl. hierzu Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. §
55 Rdn. 5). Das
Berufungsurteil vom 4. Januar 2000 bildet demnach eine Zäsur
mit der Folge,
daß für die danach begangenen
verfahrensgegenständlichen Taten eine gesonderte
Einzelstrafe bzw. eine weitere Gesamtstrafe zu verhängen ist.
- 6 -
2. Sollte der neue Tatrichter nur weniger als drei Taten feststellen
können,
käme eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nach §
66 Abs. 2 StGB
nicht in Betracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen
könnte die
Anordnung der Sicherungsverwahrung auch nicht auf die - an sich
vorrangige -
Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB gestützt werden.
Voraussetzung hierfür wäre
unter anderem, daß der Angeklagte zuvor bereits zweimal zu
einer Einzelfreiheitsstrafe
von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist (§ 66 Abs. 1
Nr. 1
StGB). Zwar haben sowohl das Landgericht Hannover in seinen Urteilen vom
16. März 2000 und vom 13. November 2001 als auch das
Amtsgericht Neustadt
in seinem Urteil vom 18. Januar 2001 gegen den Angeklagten jeweils eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt; nachdem diese
Einzelstrafen aber
- wenn auch erst im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung
nach § 55
StGB - in dieselbe Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen worden sind, gelten
sie
gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 StGB als eine
einzige Verurteilung (vgl. BGH StV
1982, 420). Ob der Angeklagte bereits früher einmal zu einer
Einzelfreiheitsstrafe
von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, lassen die Angaben zu
seinen Vorstrafen nicht erkennen.
Tolksdorf Miebach Pfister
Becker Hubert |