BGH,
Beschl. v. 23.9.2009 - 2 StR 305/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 305/09
vom
23. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23.
September 2009 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1
GVG beschlossen:
Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Die Aufhebung eines Urteils wegen eines Rechtsfehlers bei der Anwendung
des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB i.d.F. des Gesetzes vom 16.
Juli 2007 (BGBl. I 1327) ist auf einen nicht revidierenden
Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO zu
erstrecken, wenn sich die vom Tatrichter festgestellte voraussichtliche
Dauer der Unterbringung nach § 64 StGB auch für den
Mitangeklagten aus den Urteilsgründen ergibt und der
Tatrichter bei dem Mitangeklagten ebenso wie beim
Revisionsführer sich bei der Bemessung des vorab zu
vollstreckenden Teils der Freiheitsstrafe entgegen § 67 Abs. 2
Satz 3 StGB nicht am Halbstrafenzeitpunkt orientiert hat.
Der Senat fragt daher bei den übrigen Strafsenaten an, ob
dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung entgegen steht
und ob ggf. an ihr festgehalten wird.
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Gründe:
1. Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen schweren Raubes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den nicht revidierenden
Mitangeklagten E. A. als Mittäter derselben Tat zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung
beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß
§ 64 StGB angeordnet und festgestellt, die voraussichtliche
Dauer der Unterbringung werde bei beiden Angeklagten ein Jahr betragen.
Zur Anwendung des § 67 StGB führen die
Urteilsgründe abschließend aus:
"Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2, 3 StGB hat die
Kammer hinsichtlich der Reihenfolge der Vollstreckung bei beiden
Angeklagten festgelegt, dass zunächst ein jeweils
austenorierter Teil der Freiheitsstrafe zu vollziehen ist, bevor die
Angeklagten in eine Entziehungsanstalt untergebracht werden." In der
Urteilsformel hat das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten F.
angeordnet, dass "28 Monate" der Freiheitsstrafe von fünf
Jahren vor der Maßregel zu vollziehen seien; hinsichtlich des
Angeklagten E. A. hat es einen Vorwegvollzug von "14 Monaten" der
Freiheitsstrafe von vier Jahren angeordnet.
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2. Der Senat will, entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts,
das Urteil auf die Revision des Angeklagten F. im Ausspruch
über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin
abändern, dass die Vollziehung von einem Jahr und sechs
Monaten der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet wird, und
die weitergehende Revision als unbegründet verwerfen, da
sonstige Rechtsfehler des angefochtenen Urteils hinsichtlich dieses
Angeklagten nicht ersichtlich sind.
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Die Bestimmung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe
ist rechtsfehlerhaft, da sie sich entgegen der zwingenden Regel des
§ 67 Abs. 2
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Satz 3 StGB nicht am Halbstrafen-Zeitpunkt orientiert hat. Da dem
Tatrichter insoweit ein Ermessen nicht eingeräumt ist (vgl.
BGH, Beschl. v. 2. September 2009 - 5 StR 339/09) und die erforderliche
Therapiedauer hier festgestellt ist, kann der Senat den
Berechnungsfehler entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst
korrigieren (BGH, Beschl. v. 15. November 2007 - 3 StR 390/07; v. 2.
September 2009 - 5 StR 339/09).
3. Der Bestimmung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe des
Mitangeklagten E. A. liegt derselbe Fehler bei der Rechtsanwendung
zugrunde, denn auch bei ihm hat der Tatrichter nicht, wie es §
67 Abs. 2 Satz 3 StGB vorschreibt, den Zeitpunkt des § 67 Abs.
5 Satz 1 zugrunde gelegt. Darauf, wie das Landgericht die unzutreffende
Zeitspanne von "14 Monaten" (zutreffend: ein Jahr) errechnet hat, kommt
es nicht an.
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Eine Erstreckung einer aufhebenden Entscheidung
gemäß § 357 Satz 1 StPO ist, sofern ein
Rechtsfehler bei der Rechtsfolgenentscheidung vorliegt,
regelmäßig ausgeschlossen, wenn die
Aufhebungsgründe nur in der Person des
Beschwerdeführers vorliegen (vgl. auch Meyer-Goßner
StPO 52. Auflage § 357 Rn. 15 m.w.N.) oder wenn die
zutreffende Rechtsanwendung notwendig individualisierende, gerade auf
die Person des Beschwerdeführers abstellende
Erwägungen voraussetzt. Dies ist aber bei der Anwendung des
§ 67 Abs. 2 Satz 3 n.F. StGB nicht der Fall, denn hinsichtlich
des Umfangs des vorab zu vollziehenden Teils der Strafe ist dem Gericht
kein Ermessensspielraum eingeräumt. Für einen
denkbaren "Ausnahmefall" (vgl. BGH, Beschl. v. 3. März 2008 -
5 StR 52/08) sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Da die erforderliche
Dauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt für beide
Angeklagte festgestellt war, war der Vorwegvollzug für den
Angeklagten F. daher auf ein Jahr und sechs Monate und für den
nicht revidierenden Mitangeklagten E. A. auf ein Jahr festzusetzen,
ohne dass Raum für individualisierende Erwägungen
blieb.
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In diesem Fall hält der Senat eine Erstreckung der Aufhebung
gemäß § 357 StPO für
zulässig und rechtlich geboten; der Mitangeklagte ist durch
die fehlerhafte Rechtsanwendung beschwert.
4. Der Bundesgerichtshof hat, soweit ersichtlich, bislang über
die Frage in dieser Konstellation bisher jedenfalls nicht
ausdrücklich entschieden. Der Senat fragt daher vorsorglich
bei den übrigen Strafsenaten an, ob dortige Rechtsprechung der
beabsichtigten Entscheidung entgegensteht.
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Rissing-van Saan Rothfuß Fischer
Roggenbuck Cierniak |