BGH,
Beschl. v. 24.4.2008 - 4 StR 126/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 126/08
vom
24.4.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Diebstahl u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24.4.2008
gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 357
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Münster vom 30. November 2007, auch soweit es den
Mitangeklagten Tarzan A. betrifft, im Schuldspruch dahin
geändert, dass
a) der Angeklagte der Beihilfe zum Diebstahl in Tateinheit mit Beihilfe
zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl und
b) der Mitangeklagte A. des Diebstahls in Tateinheit mit versuchtem
Wohnungseinbruchsdiebstahl
schuldig sind.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten D. der Beihilfe zum
Wohnungseinbruchsdiebstahl und den Mitangeklagten A. , der keine
Revision eingelegt hat, des Wohnungseinbruchsdiebstahls schuldig
gesprochen. Es hat
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den Angeklagten D. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei
Monaten und den Mitangeklagten A. zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten verurteilt, wobei es die Vollstreckung der Strafe
beim Mitangeklagten zur Bewährung ausgesetzt hat. Der
Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung sachlichen
Rechts. Das Rechtsmittel führt - auch bezüglich des
Mitangeklagten A. (§ 357 StPO) - zur Abänderung des
Schuldspruchs. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Annahme eines vollendeten Wohnungseinbruchsdiebstahls hält
rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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1. Nach den Feststellungen gewann der Mitangeklagte A. den Angeklagten
sowie Yusuf Ag. für seinen Plan, nachts in das Wohn- und
Betriebsanwesen der Eheleute K. einzudringen, um dort Geld aus einem
Tresor zu entwenden. Das Anwesen bestand aus zwei miteinander
verbundenen Gebäudekomplexen. In einem Gebäudeteil
befand sich im Erdgeschoss ein Café nebst
Bürobereich und im Obergeschoss der Wohnbereich des Ehepaars;
im anderen Teil waren eine Gaststätte, eine Brauerei und
weitere Büroräume untergebracht. Die
Gebäudeaufteilung war den Tatbeteiligten nicht im Einzelnen
bekannt. Sie wussten aber, dass das Betreiberehepaar in dem Anwesen
auch wohnte. Während der Angeklagte den Mitangeklagten A. und
Ag. in die Nähe des Tatortes fuhr und dort gemeinsam mit A. im
Fahrzeug wartete, schlug Ag. absprachegemäß im
Erdgeschoss des Gebäudes ein Fenster ein und stieg durch
dieses in die Damentoilette des Cafés ein. Nach Durchqueren
des Cafés gelangte er über eine Treppe zum
Wohnbereich der Tatopfer im ersten Obergeschoss. Dort traf er auf das
Ehepaar K. und zwang dieses - insoweit vom Tatplan abweichend - mittels
massiver Schläge mit einem Holzknüppel, ihn zum
Tresor, der sich in dem anderen Gebäudeteil befand, zu
führen und diesen zu öffnen. Ag. nahm 10.000
€ an sich, flüchtete und wurde
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abredegemäß vom Angeklagten und A. wieder im
Fahrzeug aufgenommen. Die Beute wurde geteilt.
2. Die festgestellte Tathandlung erfüllt nicht die
Anforderungen, die an ein Eindringen bzw. Einsteigen in eine Wohnung im
Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu stellen sind.
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Der Wohnungseinbruchsdiebstahl wurde mit dem 6. Gesetz zur Reform des
Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 aus dem Katalog der
Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F.
herausgenommen und zum Qualifikationstatbestand aufgewertet. Der
Einbruchsdiebstahl aus Wohnungen ist seither gegenüber den
übrigen Einbruchsdiebstählen mit einer im
Mindestmaß doppelt so hohen Strafe bedroht und kann nicht
mehr mit Geldstrafe geahndet werden. Das
Geringfügigkeitsprivileg des § 243 Abs. 2 StGB findet
auf Wohnungseinbruchsdiebstähle keine Anwendung mehr. Eine
Regelung für minder schwere Fälle sieht §
244 StGB nicht vor.
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Diese mit einer deutlichen Strafschärfung einhergehende
Gesetzesänderung erfordert eine sorgfältige
Abgrenzung des Begriffs der Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1
Nr. 3 StGB von den übrigen Räumlichkeiten, die
weiterhin dem Schutzbereich des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB
unterfallen (Schmitz in MünchKomm. § 244 Rdn. 56;
Schall in Festschrift für Schreiber S. 423, 424).
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Ausgehend von der Auslegung des § 123 StGB umfasst der Begriff
der Wohnung grundsätzlich alle abgeschlossenen und
überdachten Räume, die Menschen zumindest
vorübergehend als Unterkunft dienen. Dazu zählen
nicht bloße Arbeits-, Geschäfts- oder
Ladenräume (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2001 - 4 StR 59/01;
Fischer StGB 55. Aufl. § 244 Rdn. 24; Schmitz in
Münch-Komm. aaO). Dieser in erster Linie am Wortsinn
orientierte Wohnungsbegriff kann jedoch mit Blick auf die Motive des
Gesetzgebers für die Heraufstufung
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des Wohnungseinbruchsdiebstahls zum Qualifikationstatbestand nicht
uneingeschränkt auf den Tatbestand des § 244 Abs. 1
Nr. 3 StGB übertragen werden. Der Gesetzgeber hat die
Strafschärfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls mit der
Erwägung begründet, es handele sich um eine Straftat,
die tief in die Intimsphäre des Opfers eingreife und zu
ernsten psychischen Störungen, etwa langwierigen
Angstzuständen führen könne; nicht selten
seien Wohnungseinbrüche zudem mit Gewalttätigkeiten
gegen Menschen und Verwüstungen von
Einrichtungsgegenständen verbunden (BTDrucks. 13/8587 S. 43).
Anlass für die Höherstufung des
Wohnungseinbruchsdiebstahls war somit nicht etwa der besondere Schutz
von in einer Wohnung - und damit besonders sicher - aufbewahrten
Gegenständen, sondern die mit einem Wohnungseinbruch
einhergehende Verletzung der Privatsphäre des Tatopfers (vgl.
BGH NStZ 2001, 533; Schmitz in MünchKomm. aaO; Schall aaO S.
431; Behm in GA 2002, 153, 158). Bezweckt also der Tatbestand des
§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben dem Schutz des Eigentums den
verstärkten Schutz der häuslichen Privat- und
Intimsphäre, scheidet dessen Anwendbarkeit aus, wenn der
Täter in Räumlichkeiten einsteigt oder einbricht, die
nicht diesem besonderen Schutzbereich zuzuordnen sind.
Mit Blick auf die Motive des Gesetzgebers hat es der Bundesgerichtshof
daher bei gemischt genutzten Gebäuden für die
Tatbestandsverwirklichung als ausreichend angesehen, wenn der
Täter nur deshalb in einen privaten Wohnraum einbrach, um von
dort ungehindert in Geschäftsräume, aus denen er
Gegenstände zu entwenden beabsichtigte, zu gelangen. In
umgekehrten Fällen, in denen der Täter in einem
Mischgebäude in einen Geschäftsraum eindrang, um nur
dort, nicht aber aus den Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten
zu stehlen, hat der Bundesgerichtshof einen Wohnungseinbruchsdiebstahl
hingegen verneint (vgl. für den Einbruch in den Gastraum eines
Hotels, in dem sich auch - der Regelung des § 244 Abs. 1 Nr. 3
StGB unterfallende - Hotelzimmer befinden: BGH, Beschluss vom 3. Mai
2001 - 4 StR 59/01; für den Fall des Ein-
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bruchs in den Flur und Empfangsbereich eines Seniorenheims: BGH NStZ
2005, 631).
Den Fall, dass der Täter - wie hier - in ein
Geschäfts- oder Ladenlokal einbricht und von dort ungehindert
in den Wohnbereich des Tatopfers gelangt, um gegebenenfalls (auch) dort
zu stehlen, hat der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, noch nicht
entschieden.
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Zwar ist der Schutz der Intim- und häuslichen
Privatsphäre fraglos gleichermaßen verletzt, wenn
sich der Täter in einem gemischt genutzten Anwesen den
ungehinderten Zutritt zur Wohnung durch den Einbruch in ein im selben
Gebäude untergebrachtes Geschäftslokal verschafft.
Gleichwohl ist jedenfalls dann, wenn der Täter in einem
Mischgebäude in einen vom Wohnbereich räumlich
eindeutig abgegrenzten und nur zu betrieblichen Zwecken genutzten
Geschäftsraum einsteigt, um von dort ohne Überwindung
weiterer Hindernisse in den Wohnbereich vorzudringen, eine Verurteilung
aus § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit der
äußersten Auslegungsgrenze des Wortlauts nicht mehr
vereinbar (vgl. Seier in Festschrift für Kohlmann S. 295,
304). Die Vorschrift setzt den Einbruch in eine Wohnung voraus. Vom
Wohnbereich völlig getrennt untergebrachte, rein
geschäftlich genutzte Räumlichkeiten können
selbst bei weitester Auslegung des Wohnungsbegriffs diesem jedoch nicht
mehr zugeordnet werden (Seier aaO).
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Anders mag es sich, was der Senat nicht zu entscheiden hat, verhalten,
wenn der Täter in dem Begriff des Wohnens typischer Weise
zuzuordnende, mit dem Wohnbereich unmittelbar verbundene Räume
- etwa in Kellerräume oder in den Dachboden eines
Einfamilienhauses (anders allerdings bei separat untergebrachten
Kellerräumen in Mehrfamilienhäusern vgl. BGH,
Beschluss vom 25. Juli 2002 - 4 StR 242/02 - [nicht tragend]; OLG
Schleswig NStZ 2000, 479) -
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einbricht und sich von dort ungehindert Zugang zum Wohnbereich
verschafft. Ebenso wenig hat der Senat zu entscheiden, ob der
Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB etwa dann
erfüllt wäre, wenn ein Täter zwar in einen
ausschließ-lich gewerblich genutzten Raum - etwa die Kanzlei
eines Rechtsanwalts - einsteigt, dieser Raum - anders als im
vorliegenden Fall - aber so in den Wohnbereich integriert ist, dass
dieser und der Geschäftsraum eine in sich geschlossene Einheit
bilden.
3. Danach liegt im vorliegenden Fall ein (vollendeter) Einbruch in eine
Wohnung nicht vor. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
kann entnommen werden, dass sich der Wohnbereich der Tatopfer
vollständig räumlich getrennt vom Gastraum und den
Nebenräumen des Cafés, der Gastwirtschaft und dem
Brauereibetrieb im Obergeschoss eines der beiden
Gebäudekomplexe befand. Eingebrochen wurde indes in einen dem
Café, mithin dem Geschäftslokal zuzurechnenden
Nebenraum. Die Geschäftsräume wurden nach den
Feststellungen ausschließlich als solche genutzt und waren
unter keinem Gesichtspunkt dem Wohnbereich zuzuordnen. Die
Wortlautgrenze verbietet deshalb eine Verurteilung wegen vollendeten
Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
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Der Mitangeklagte A. , der sich die entsprechenden Tatbeiträge
des unmittelbaren Täters Ag. zurechnen lassen muss (§
25 Abs. 2 StGB), hat sich somit als Mittäter lediglich des
vollendeten Diebstahls in einem besonders schweren Fall nach §
243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht. Tateinheitlich hat er
jedoch - da die Tatbeteiligten infolge ihrer unzureichenden Kenntnisse
der Örtlichkeiten ein Einsteigen auch in eine Wohnung
billigten - einen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl nach §
244 Abs. 2 StGB begangen (vgl. Mitsch in ZStW 1999, 65, 71). Der
Angeklagte hat zu dieser Tat durch seine Fahrerdienste Beihilfe
geleistet.
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4. Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend - beim Mitangeklagten
A. gemäß § 357 StPO - selbst
ändern, da auszuschließen ist, dass sich die
geständigen Angeklagten gegen die abweichende rechtliche
Beurteilung der Tat anders als geschehen hätten verteidigen
können.
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5. Der Strafausspruch wird von der Schuldspruchänderung nicht
berührt. Durch die abweichende rechtliche Bewertung hat sich
am Schuldgehalt der Tat nichts geändert. Für den
Angeklagten D. wäre die Strafe überdies infolge der
gemäß §§ 27, 49 Abs. 1 StGB
vorzunehmenden Strafrahmenverschiebung auch bei Zugrundelegung des
geänderten Schuldspruchs dem selben Strafrahmen zu entnehmen
gewesen. In Anbetracht der maßvollen Strafen kann der Senat
deshalb ausschließen, dass das Landgericht im Falle einer
Verurteilung
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auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs auf mildere
Strafen erkannt oder die Vollstreckung der Strafe beim Angeklagten D.
zur Bewährung ausgesetzt hätte.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible |