BGH,
Beschl. v. 24.7.2001 - 4 StR 268/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 268/01
vom
24. Juli 2001
in der Strafsache gegen
wegen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Juli
2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hagen vom 19. März 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem mit der Anklage erhobenen
Vorwurf des versuchten Diebstahls freigesprochen und seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen
Rechts rügt, hat Erfolg.
Die Anordnung der Unterbringung kann keinen Bestand haben, weil die
Voraussetzungen des § 20 oder 21 StGB nicht - wie für
die Maßregel nach § 63 StGB erforderlich (BGHSt 34,
22, 26/27; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 63 Rdn. 6
m.w.N.) - zweifelsfrei festgestellt sind. Allerdings ist zur
Begründung der Anordnung in den Urteilsgründen
ausgeführt, daß der Angeklagte "im Zustand der
Schuldunfähigkeit eine rechtswidrige Tat" begangen habe. Die
Annahme einer positiv feststehenden Schuldunfähigkeit des
Angeklagten steht aber im Widerspruch zu den Erwägungen der
Strafkammer zu § 20 StGB und findet in ihrer
Beweiswürdigung keine Grundlage:
Zu dem Freispruch des Angeklagten hat sich die Strafkammer
veranlaßt gesehen, weil er "zur Tatzeit nicht
ausschließbar schuldunfähig (§ 20 StGB)"
gewesen sei. Mit dieser Wertung folgt sie dem Gutachten des von ihr
gehörten Sachverständigen. Dieser hatte bei dem
Angeklagten eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie festgestellt
und seine Stellungnahme dahin zusammengefaßt, daß
es "nicht ausschließbar (sei), daß die
Einsichtsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat
aufgehoben war, so daß er schuldunfähig im Sinne des
§ 20 StGB war."
Danach ist nicht festgestellt, daß die
Unrechtseinsichtsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der
Tat aufgehoben war. Daß - wie sich den
Urteilsgründen entnehmen läßt - diese
Fähigkeit jedenfalls erheblich vermindert war, genügt
für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB
nicht, weil damit die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht
festgestellt sind. Die Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn der
Täter trotz erheblicher Verminderung der
Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte seiner Tat erkennt (BGHSt
21, 27; 34, 25). Solange die Verminderung der
Einsichtsfähigkeit nicht das Fehlen der Einsicht
ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat, ist
auch die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlaßt (BGHSt 34, 22,
26/27).
Die bisherigen Feststellungen vermögen daher die
Unterbringungsanordnung nicht zu rechtfertigen, so daß die
Sache neuer Verhandlung und Entscheidung bedarf.
Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, sich
mit dem drei Tage nach der Tat verfaßten Brief, in dem der
Angeklagte "ausführlich schildert, wie er durch Stimmen zu der
Tat aufgefordert wurde und sich ihnen nicht entziehen konnte",
eingehender auseinanderzusetzen als in dem angefochtenen Urteil
geschehen. Es liegt nicht von vornherein fern, daß der
mehrfach wegen Diebstahls vorbestrafte Angeklagte sich bei dem
Verfassen dieses Briefs, auf den die Strafkammer ihre entsprechenden
Feststellungen stützt, von der Vorstellung hat leiten lassen,
dadurch einer erneuten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe entgehen
zu können. Zur Auseinandersetzung mit dieser
Möglichkeit besteht schon deswegen Anlaß, weil sich
der Anklagte in den zahlreichen früheren Verfahren wegen
Diebstahls anscheinend noch nie darauf berufen hatte, die Taten, die
mit der jetzt begangenen im übrigen zum Teil deutliche
Übereinstimmungen aufweisen, unter dem Einfluß von
"Stimmen" begangen zu haben.
Sollte sich in der neuen Verhandlung herausstellen, daß der
Angeklagte bei der Begehung der Tat schuldfähig war, so
hätte die gebotene Aufhebung des Urteils zur Folge,
daß seine Tat wegen des Verbots der Schlechterstellung
(§ 358 Abs. 2 StPO) ohne strafrechtliche Sanktion bleiben
müßte. Im Hinblick auf diese Konsequenz wird
für die Staatsanwaltschaften in vergleichbaren
Verfahrenskonstellationen regelmäßig Anlaß
bestehen, ihrerseits die Einlegung
eines Rechtsmittels (zu Ungunsten des Untergebrachten) in
Erwägung zu ziehen.
Meyer-Goßner Tolksdorf Kuckein
Athing Solin-Stojanovic
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