BGH,
Beschl. v. 24.6.2009 - 2 StR 170/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 170/09
vom
24. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Juni
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 19. Januar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
abgelehnt worden ist und
b) im Ausspruch über die Einziehung.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter
Mitführen eines Gegenstandes, der nach seiner Art zur
Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, sowie wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 21
Fällen, davon in neun Fällen in nicht geringer Menge,
zu einer Gesamt-
1
- 3 -
freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie "die
sichergestellten Betäubungsmittel und
Betäubungsmittelutensilien … eingezogen."
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte
Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349
Abs. 4 StPO), soweit eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt
abgelehnt und die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel
und Betäubungsmittelutensilien angeordnet worden ist; im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.
2
1. In den Fällen 5-8, 10-13, 17 und 19-21 der
Urteilsgründe halten die Einzelstrafaussprüche im
Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand. In diesen
Fällen hat das Landgericht Freiheitsstrafen unter sechs
Monaten verhängt, ohne den angewendeten Strafrahmen zu
bezeichnen und § 47 StGB ausdrücklich zu
prüfen. Ausgehend von der rechtlichen Würdigung der
Strafkammer konnten die Strafen jeweils aus dem Strafrahmen des
§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG oder des § 29 Abs. 3 Satz
2 Nr. 1 BtMG entnommen werden. Hierbei wären auch die
Strafmilderungen nach § 21 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB
sowie § 31 BtMG zu prüfen gewesen. Der Senat kann
jedoch das Beruhen der verhängten Einzelstrafen auf den
bezeichneten Rechtsfehlern ausschließen. Angesichts der
Vielzahl der vom Angeklagten begangenen Taten scheidet die
Verhängung von Geldstrafen nach § 47 StGB ersichtlich
aus. Angesichts der besonders milden Strafen kann sich auch die
fehlende Strafrahmenbestimmung nicht zu Lasten des Angeklagten
ausgewirkt haben.
3
2. Die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64
StGB kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat
ausgeführt, der Angeklagte sei gegenüber einer
zwangsweisen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt negativ
vorinformiert und eingestellt, so dass bei ihm eine hinreichend
konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht
gegeben sei. Hingegen sei
4
- 4 -
er für eine Zurückstellung des Strafvollzuges
gemäß § 35 BtMG motiviert. Diese
Begründung rechtfertigt die Verneinung einer hinreichend
konkreten Erfolgsaussicht nicht.
Das Fehlen von Therapiewilligkeit steht nämlich einer
Anordnung nach § 64 StGB grundsätzlich nicht entgegen
(BGH bei Holtz MDR 1996, 880; NStZ-RR 2004, 263). Dies kann lediglich
ein gegen die Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein (BGH NJW 2000,
3015 f.). In einem solchen Fall hat der Tatrichter zu prüfen,
ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft
für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann
(vgl. BGH NStZ-RR 2007, 171, 172; Beschl. vom 5. Mai 2009 - 5 StR
99/09; Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 20 m.w.N.). An einer
solchen Prüfung hat es das Landgericht fehlen lassen.
5
Der Hinweis auf eine Zurückstellung der Strafvollstreckung
gemäß § 35 BtMG ist in diesem Zusammenhang
unerheblich. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht dieser
dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme vor; von
der Anordnung der Unterbringung darf daher nicht abgesehen werden, weil
eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist (vgl.
BGHR StGB § 64 Ablehnung 7 und 8; BGH StraFo 2003, 100; StV
2008, 405, 406). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 64
StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.
Juli 2007 (BGBI I 1327) grundsätzlich nichts geändert
(vgl. Fischer aaO § 64 Rdn. 24, 26).
6
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO;
BGHSt 37, 5; BGH NStZ-RR 2008, 107). Er hat die Nichtanwendung des
§ 64 StGB durch
7
- 5 -
das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl.
BGHSt 38, 362 f.).
3. Auch der Ausspruch über die Einziehung kann nicht bestehen
bleiben.
8
Ist die Einziehung von Gegenständen anzuordnen, sind diese in
der Urteilsformel, oder sofern es sich um eine Vielzahl von
Gegenständen handelt, jedenfalls in einer Anlage hierzu (vgl.
BGHSt 9, 88, 90) so konkret zu bezeichnen, dass für die
Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit
über den Umfang der Einziehung geschaffen ist (st. Rspr.; vgl.
BGHSt 8, 205, 211 f.; BGH, Beschl. vom 28. November 2006 - 4 StR
404/06). Diesen Anforderungen wird die Kennzeichnung der einzuziehenden
Gegenstände in der Urteilsformel nicht gerecht. Der
bloße Hinweis auf die "sichergestellten
Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien"
lässt jede individualisierende Bezeichnung der
Einziehungsgegenstände vermissen.
9
Von einer Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die
Einziehung kann auch nicht deswegen abgesehen werden, weil die
Urteilsgründe die erforderlichen individualisierenden Angaben
enthalten. So wird etwa im Fall 22 auf "andere BtM-Utensilien"
verwiesen und weiter mitgeteilt, dass auch im Übrigen
10
- 6 -
Verkaufsgegenstände und Betäubungsmittel aufgefunden
worden seien, die aus Taten stammten, die nicht Gegenstand dieses
Verfahrens geworden seien. Auch insoweit bedarf die Sache daher neuer
Verhandlung und Entscheidung.
Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Appl Cierniak |