BGH,
Beschl. v. 24.11.2004 - 2 StR 450/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 450/04
vom
24. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführer s am 24. November 2004
gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Koblenz vom 10. August 2004 im Rechtsfolgenausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
gewerbsmäßigen Betrugs
in acht Fällen, Betrugs in zwei Fällen, versuchten
Betr ugs, Bagatellbetrugs in
vier Fällen und versuchten Bagatellbetrugs zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbr ingung in
einem
psychiatr ischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet
sich der
Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge
gestützten Revision. Das
Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im übrigen
ist es unbe-
gründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des
An-
geklagten ergeben. Dagegen hält der
Maßregelausspruch über die Anordnung
- 3 -
der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatr ischen
Krankenhaus
(§ 63 StGB) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Diese - unbefristete und
für den Betroffenen schon deshalb in besonderem Maße
belastende - Maß-
regelanordnung setzt die positive Feststellung eines länger
andauernden, nicht
nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest
eine erhebliche Ein-
schränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB sicher begründet (st.
Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.), ferner, daß der
Täter in diesem Zustand
eine rechtswidrige Tat begangen hat, die mit diesem Defekt in einem
kausalen,
symptomatischen Zusammenhang steht. Daß diese Voraussetzungen
gegeben
sind, ist im angefochtenen Ur teil nicht rechtsfehlerfr ei dargelegt.
Das Landgericht hat sich zur Schuldfähigkeit des Angeklagten
den Aus-
führungen des gehörten Sachverständigen Dr.
B.
angeschlossen. Im
Urteil ist zu dessen Auffassung u. a. ausgeführt: "Diese
neurotische Persön-
lichkeit des Angeklagten zeige sich in Ängstlichkeit,
Depression, Gehemmtheit,
Unsicherheit, Verletzlichkeit und Rigidität. Der Angeklagte
lebe in dem ständi-
gen Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem
Bedürfnis nach An-
erkennung einerseits sowie der Angst vor Verletzungen andererseits.
Diese
Persönlichkeitsstörung des Angeklagten führe
dazu, dass er, sobald er sich in
Fr eiheit befindet und mithin für sein Leben selbst sorgen
muss, immer wieder in
die gleichen Ver haltensmuster zurückfalle um sich
Annehmlichkeiten und An-
erkennung zu verschaffen. Dabei erkenne der Angeklagte ohne Weiteres
das
Unrecht seiner Taten, sei jedoch aufgrund der neurotischen
Persönlichkeitsstö-
rung, einer anderen seelischen Abartigkeit, nur sehr
eingeschränkt in der Lage,
dieses Verhalten zu steuern. Die Steuerungsfähigkeit des
Angeklagten sei er-
heblich eingeschränkt."
- 4 -
Diese Ausführungen der Strafkammer zur
Persönlichkeitsstörung des
Angeklagten und zu der das Gutachten des Sachverständigen tr
agenden fach-
lichen Begründung sind so allgemein gehalten, daß
sich nicht zuverlässig beur-
teilen läßt, ob die festgestellte Störung
den vom Landgericht mit dem Sachver-
ständigen angenommenen Schweregrad eines Eingangsmerkmals der
§§ 20,
21 StGB erreicht und darauf ber uhend eine erheblich verminderte
Steuerungs-
fähigkeit (§ 21 StGB) vorliegt. Die
Urteilsgründe selbst bezeichnen die Persön-
lichkeitsstörung, deren beschriebene Auswirkungen prinzipiell
der üblichen
Bandbreite menschlicher Eigenschaften und Verhaltensweisen entsprechen,
nur als „andere seelische Abartigkeit“, nicht aber
als schwere andere seelische
Abartigkeit. Die Urteilsausführungen belegen auch nicht,
daß die Persönlich-
keitsstörung den Angeklagten erheblich beeinträchtigt
und damit den von § 21
StGB vorausgesetzten Schwer egrad erreicht. Dazu bedarf es einer Gesamt-
schau, ob die nicht pathologisch bestimmten Störungen in ihrem
Gewicht den
krankhaften seelischen Störungen entsprechen und Symptome
aufweisen, die
in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer
und mit ähnli-
chen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl.
BGHSt 34, 22, 28;
37, 397, 401; BGH, Beschluß vom 8. Januar 2004 - 4 StR
539/03). Das Zu-
rückfallen in immer wieder gleiche Verhaltensmuster ist gerade
bei Betrügern
häufig zu beobachten. Eine Unterbringung in einem
psychiatrischen Kranken-
haus kommt aber nur in Betracht, wenn feststeht, daß der
Täter aus einem
mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGHSt
42,
385, 388; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 13). Ob die
Persönlichkeits-
störung die Fähigkeit des Täters, das
Unrecht der Tat einzusehen und nach
dieser Einsicht zu handeln, er heblich vermindert hat, ist desweiteren
eine vom
Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu
beantwor-
tende Rechtsfrage (BGHSt 43, 66, 77), bei der auch normative
Erwägungen
- 5 -
eine Rolle spielen. Insoweit lassen die Ur teilsgründe nicht
er kennen, ob die
Strafkammer, die sich ohne weitere Ausführungen dem
Sachverständigen an-
geschlossen hat, von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist.
Über den Maßregelausspruch ist deshalb neu zu
befinden. Die Aufhe-
bung der zugehörigen Feststellungen nötigt auch zur
Aufhebung des an sich
nicht zu beanstandenden Strafausspruchs.
Rissing-van
Saan
Detter
Bode
Otten
Roggenbuck
|